Angesichts eines Rekordtiefs bei der Wahlbeteiligung fordern Politiker in Frankreich die Verschiebung der zweiten Runde der Kommunalwahlen. Die erste Runde der Wahlen, bei denen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im ganzen Land gewählt werden, war am Sonntag von der Ausbreitung des Coronavirus überschattet worden.
Die Grünen konnten vor allem in grossen Städten zulegen, die Rechten ihre Erfolge bei der letzten Wahl weitgehend bestätigen und noch hinzugewinnen. Auch die von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron unterstützten und zur Wahl angetretenen Minister schnitten gut ab.
Bei der Kommunalwahl wird in Frankreich über die Machtverhältnisse in den Kommunalparlamenten abgestimmt. Dass die Regierung trotz der Ausbreitung des Coronavirus an dem Wahltermin für die erste Runde festgehalten hatte, war auf massive Kritik gestossen.
Wo keine absolute Mehrheit erreicht wird, soll es am 22. März einen zweiten Wahlgang geben. «Die hohe Enthaltungsquote, die wir haben, ist ein Beweis für die grosse Besorgnis unserer Bürger», sagte Frankreichs Premier Édouard Philippe am Sonntagabend.
Laut Prognosen ging weit mehr als die Hälfte der Wähler am Sonntag nicht zur Wahl. Das sind so viele wie noch nie bei der ersten Runde seit Gründung der Fünften Republik 1958 und noch einmal deutlich mehr als bei den vorangegangenen Wahlen 2014.
«Die zweite Runde wird angesichts der absehbaren Verschärfung der Epidemie eindeutig nicht stattfinden», sagte Rechtsaussenpolitikerin Marine Le Pen. Auch andere Parteiführer, etwa von den Grünen, forderten eine Verschiebung.
Besonders für die Grünen lief es bei der Abstimmung gut. Sie konnten in grossen Städten wie Lyon, Besançon oder Strassburg punkten. In Bordeaux liegt der Grüne Pierre Hurmic fast gleich auf mit Amtsinhaber Nicolas Florian. Frankreich hatte bisher nur einen grünen Bürgermeister in einer grösseren Stadt: Eric Piolle in Grenoble. Seine Liste lag nun bei der Abstimmung weit vorn.
Die Rechten vom Rassemblement National schnitten in ihren Hochburgen im strukturschwachen Nordfrankreich und an der Côte d'Azur gut ab. Auch in einer grossen Stadt können sie deutliche Zugewinne verbuchen – in Perpignan in Südfrankreich liegt ihr Kandidat Louis Aliot deutlich vorn. Ihre bisher grösste Stadt, Fréjus, können sie halten.
Kulturminister Franck Riester gewann in der ersten Runde in der Stadt Coulommiers östlich von Paris die absolute Mehrheit. Dort führte er eine Liste an, die von Präsidentenpartei La République en Marche unterstützt wurde. Der ebenfalls von Macron unterstützte Premier Philippe holt in Le Havre knapp 44 Prozent der Stimmen – muss aber in die Stichwahl. Für ihn ist diese Wahl extrem wichtig. Sollte er verlieren, wäre er als Regierungschef wohl nicht mehr haltbar. Er will den Posten allerdings erst antreten, wenn er nicht mehr Premier ist – solange soll ein Ersatz das Bürgermeisteramt übernehmen. Beim letzten Mal hatte er noch mehr als 50 Prozent geholt.
In Paris schnitt die Macron-Kandidatin Agnès Buzyn wie erwartet schlecht ab. In der Hauptstadt sieht es dafür sehr gut für Amtsinhaberin Anne Hidalgo aus – sie liess am Sonntag ihre konservative Herausforderin Rachida Dati weit hinter sich, muss aber auch in die Stichwahl. Hidalgo hatte das rechte Seine-Ufer für Autos gesperrt – seitdem ist es eine Flaniermeile. Sie will ein grüneres Paris, Kritiker werfen ihr eine autofeindliche Politik vor.
Seit Sonntag steht das öffentliche Leben in Frankreich wegen des Coronavirus weitgehend still – trotzdem waren knapp 48 Millionen Menschen zum Gang in die Wahllokale aufgerufen worden. Viele hatten befürchtet, dass das Ergebnis wegen geringer Wahlbeteiligung nicht repräsentativ sein könnte. Präsident Macron hatte bei der Stimmabgabe im nordfranzösischen Badeort Le Touquet seine Entscheidung, an der Wahl festzuhalten, verteidigt. Er sei nicht nur für die Gesundheit der Bürger, sondern auch für das demokratische Leben in Frankreich verantwortlich, sagte er.
Die Zahlen der Infektionen waren in Frankreich am Sonntag erneut stark gestiegen. Frankreich zählt nun gut 5400 Coronavirus-Infektionen, damit ist die Zahl innerhalb von 24 Stunden um 900 gestiegen. Die Regierung hatte für die Wahl zahlreiche Schutzmassnahmen angekündigt, so sollten die Bürgerinnen und Bürger etwa einen eigenen Stift mitbringen. Auch sollte genügend Abstand gewahrt und die Wahlkabinen regelmässig desinfiziert werden. (sda/dpa)