Bislang hat es die EU vermieden, sich im Zuge des russischen Krieges gegen die Ukraine direkt mit China anzulegen. Jetzt scheint sich diese Haltung aber zu ändern: Im elften Sanktionspaket schlägt die EU-Kommission vor, sieben chinesische Unternehmen auf die Sanktionsliste zu setzen. Der Vorwurf: Die chinesischen Elektronikkonzerne würden Bauteile wie Mikrochips an Russland liefern, welche das Land dann in seinen Raketen verwende.
Dies berichtete am Sonntag die britische Zeitung «Financial Times». Zu den sanktionierten Unternehmen gehören demnach zwei Firmen auf dem chinesischen Festland und fünf aus der Sonderverwaltungszone Hongkong. Damit würde die EU mit den USA gleichziehen, die manche der Firmen schon seit geraumer Zeit auf ihrer Sanktionsliste haben.
Das Aussenministerium in Peking reagierte prompt auf die Ankündigung in der Presse. «Das ist sehr gefährlich. Wir fordern die EU auf, nicht diesen falschen Weg einzuschlagen», sagte ein Sprecher. China werde «entschlossene Massnahmen» ergreifen, um seine Interessen zu verteidigen. Unabhängig davon wurde am Montag bekannt, dass der deutsche Finanzminister Christian Lindner kurzfristig von einem China-Besuch ausgeladen wurde.
Ein Sprecher der EU-Kommission wollte sich am Montag nicht zum Inhalt des Sanktionspakets äussern, sondern bestätigte lediglich, dass die Durchsetzung der bereits beschlossenen Sanktionen im Vordergrund stehe.
Anders als die USA kennt die EU keine Extraterritorialität ihrer Sanktionen im engeren Sinne. Das heisst, die Strafmassnahmen gegenüber Russland gelten bloss auf dem eigenen Gebiet. Mit dem neuen Paket zeigt sich Brüssel aber gewillt, die Durchsetzung und Effizienz seiner Sanktionen weltweit zu verbessern.
Dazu gehört, dass EU-Exporte in Drittländer beschränkt werden können, sofern sich herausstellt, dass diese von dort ungehindert nach Russland weitergelenkt werden. Im Fokus stehen vor allem Nachbarländer wie Kasachstan, Armenien oder Georgien. Deutsche Exporte in diese Länder zum Beispiel haben sich seit Kriegsausbruch verdoppelt. Anfang Jahr hat die EU einen Sonderbeauftragten eingesetzt, der diese Bewegungen untersuchen soll. Falls der politische Dialog mit Russlands Nachbarn nicht fruchtet, soll die EU als letztes Mittel ihre Exporte in diese Länder beschränken.
Das ist zumindest der Plan. Denn ob das Sanktionspaket von den 27 EU-Staaten einstimmig angenommen wird, muss sich zeigen. Bereits bei den vorangegangenen zehn Paketen dauerte es immer länger, bis sich die Regierungen auf eine Position verständigen konnten.
Die Idee, nun auch Drittstaaten ins Visier zu nehmen, ist kontrovers und birgt Zündstoff. Mit solchen Massnahmen könnten potenzielle Partner vergrault und in die Arme von Russland getrieben werden, fürchten einige EU-Mitglieder gerade mit Blick auf die Nachbarstaaten. Sich mit China direkt anzulegen, geht für Europa auch mit grossem wirtschaftlichem Risiko einher. Gerade bei der Wirtschaftslokomotive Deutschland ist die Abhängigkeit vom 1.4-Milliarden-Reich beträchtlich.
Unter Zugzwang setzen würden direkte China-Sanktionen auch den Schweizer Bundesrat: Dieser hat die vorherigen Sanktionen der EU alle mehr oder weniger integral übernommen. Täte er das nun wieder, müsste auch die Schweiz die sieben chinesischen Unternehmen auf die Sanktionsliste setzen. Dass das in Peking nicht gut ankommen würde, ist klar.
Bereits im vergangenen November warnte der chinesische Botschafter in Bern die Schweiz vor einer Übernahme der thematischen EU-Sanktionen gegen China wegen der Menschenrechtsverletzungen in der Uiguren-Provinz Xinjiang. Sollte sich die Schweiz zu diesem Schritt entschliessen, würden «die Beziehungen darunter leiden», so Botschafter Wang Shihting im Interview mit der «NZZ am Sonntag». (aargauerzeitung.ch)