Das iranische Parlament will eine lückenlose Untersuchung zu den Ursachen der jüngsten Proteste. An einer Parlamentssitzung wurde auch erstmals von möglichen Fehlern bei Festnahmen von Demonstranten gesprochen. Doch ob und wie die Behörden reagieren, ist ungewiss.
Nach tagelangen Unruhen im Iran forderte Parlamentspräsident Ali Laridschani von den Behörden eine lückenlose Aufklärung, auch zum Vorgehen gegen Demonstranten. Falls es bei Festnahmen Fehler gegeben haben sollte, müssten diese umgehend korrigiert werden.
«Wir wollen nicht, dass die Rechte von Menschen nur deshalb verletzt werden, weil sie Kritik äussern», sagte Laridschanis Sprecher Behrus Nemati nach einer Sondersitzung des Parlaments auf Antrag der Reformer am Sonntag.
Offizielle Angaben über die genaue Zahl der Festgenommenen gab es auch am Sonntag nicht – die Rede ist von landesweit 1000 bis 1800, darunter fast 100 Studierende. Nach jüngsten Polizeiangaben gab es 18 Tote. Ausserdem kamen ein Mann und sein Sohn während der Unruhen bei einem Unfall ums Leben.
Die meisten Festgenommenen seien inzwischen wieder frei, wurde der Abgeordnete Gholamresa Heidari von der Parlaments-Website unter Berufung auf Angaben aus der Krisensitzung zitiert. Der Abgeordnete Mohammed Resa Kaschuie sagte zudem, bei den meisten Inhaftierten habe es sich um Arbeitslose «ohne Universitätsabschluss» gehandelt.
«Die Regierung muss die Forderungen der Demonstranten auf ihre Agenda setzen und sorgfältig überprüfen», verlangte Nemati. Polizei und Geheimdienst sollen der parlamentarischen Sicherheitskommission umgehend einen ausführlichen Bericht über die Unruhen sowie Verhaftungen präsentieren, forderte der Sprecher im Fernsehen.
Auf dem Programm der Parlamentsdebatte stand die Forderung der Reformfraktion, den inhaftierten Demonstranten, besonders den Studenten unter ihnen, einen angemessenen Rechtsbeistand zu gewährleisten.
An der Krisensitzung hinter verschlossenen Türen nahmen Medienberichten zufolge auch Innenminister Abdolresa Rahmani Fasli, Geheimdienstchef Mahmud Alawi, mehrere Kommandanten der Polizei und der Revolutionsgarden, der Intendant des Staatsfernsehens sowie der Sekretär des Sicherheitsrats teil.
Nach Angaben von Nemati war es für Parlamentspräsident Laridschani besonders wichtig, dass die Proteste nicht die nationale Einheit des Landes gefährden. Daher sollten weitere Spannungen vermieden werden. Reformer im Land befürchten, dass die Unruhen von den Hardlinern als Vorwand benutzt werden könnten, um gegen den moderaten Kurs der Regierung Stimmung zu machen.
Aus Hardlinerkreisen ist immer wieder zu hören, dass die hohe Inflation Auslöser der Unruhen gewesen sei. Die Kritik der Menschen richtet sich ihrer Einschätzung nach daher hauptsächlich gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung von Präsident Hassan Ruhani.
Der reformorientierte Präsident räumte zwar Mängel ein, wies aber wirtschaftliche Probleme als Auslöser der Proteste vehement zurück. Für ihn und die Reformer galten die Proteste auch den Hardlinern. Diese blockierten die Umsetzung von Reformen im Land.
Ein Abgeordneter sagte, die Unruhen hätten das Ansehen des Irans international beschädigt. «Aber das System konnte das wegstecken», zitierte die Nachrichtenagentur ISNA Asis Akbarian. Manche Beobachter vergleichen die Unruhen mit einem Boxkampf. Das Regime sei zwar nicht umgefallen, aber stark angeschlagen.
In der Nacht zum Sonntag gab es keine Berichte über neue Proteste. Dafür kam es erneut landesweit zu staatlich organisierten Kundgebungen von Regimeanhängern.
Die am 28. Dezember in Maschhad begonnenen Anti-Regime-Proteste richteten sich gegen wirtschaftliche Missstände wie die hohe Arbeitslosigkeit und die hohen Lebenshaltungskosten, aber auch gegen die Aussenpolitik der Regierung und das klerikale Herrschaftssystem. (leo/sda/dpa/afp)