Die neuste ukrainische Offensive lässt eigentlich nicht auf Personalmangel schliessen: Am Mittwoch drangen mechanisierte ukrainische Verbände vom Nordosten der Ukraine kommend in den russischen Oblast Kursk ein. Nach ersten Berichten stiessen sie ein paar wenige Kilometer auf russisches Territorium vor.
Die Offensive ist ein Versuch, die weiter südlich in Bedrängnis geratenen Ukrainer im Donbass zu entlasten. Dort würden Soldaten eigentlich dringend gebraucht. Überall an der rund tausend Kilometer langen Front mangelt es den Ukrainern sonst an Wehrfähigen.
Der Grund sind Männer wie Dima. Er ist Ende zwanzig und wagt es kaum noch, seine schummrige Wohnung in der Grossstadt Dnipro zu verlassen. Eigentlich liebt er es, zum Boxtraining zu gehen oder mit Freunden Bier zu trinken. Doch jetzt hat er Angst, auf der Strasse von der Polizei kontrolliert zu werden, denn seine Militärpapiere sind nicht in Ordnung.
Wie Dima geht es Zehntausenden jungen Ukrainern: Sie fürchten sich davor, in die Armee eingezogen zu werden, und bleiben deshalb - wenn immer möglich - zu Hause. Anders als in der Schweiz kennt der ukrainische Staat nicht die Adressen aller Bewohner und kann deshalb Einstellungsbefehle nicht ohne weiteres zustellen.
Mit dem im April in Kraft gesetzten Mobilisierungsgesetz sind deshalb alle Männer im Alter zwischen 25 und 60 Jahren aufgefordert, sich digital zu registrieren. Sobald sie das getan haben, können sie theoretisch von einem Rekrutierungszentrum zur Untersuchung aufgeboten werden. Dort stellen dann unter anderem Ärzte fest, ob die Männer wehrtauglich sind oder nicht.
Das Problem dabei ist, dass viele Ukrainer wenig Vertrauen in die Behörden haben. Das oft brachiale Vorgehen staatlicher Institutionen halten sie für ungerecht. Manchmal verstecken sich deshalb selbst Männer, die noch nicht 25 Jahre alt sind, weil sie glauben, dass sich der Staat nicht an seine eigenen Regeln hält. Andere befürchten, ohne ausreichendes militärisches Training direkt an die Front geschickt zu werden. Es kursieren die wildesten Gerüchte in den sozialen Medien. Und die russische Propaganda wird nicht müde, jedes Handy-Video von einer polizeilichen Festnahme als einen brutalen Rekrutierungsversuch darzustellen.
Dass die Menschen dem Rekrutierungsprozess nicht vertrauen, hängt auch mit der grassierenden Korruption zusammen. Wer sich vom Militärdienst drücken und ins Ausland flüchten will, musste 2023 noch Bestechungsgelder in Höhe von 5000 bis 10'000 Euro bezahlen. Bis heute wurden diese «Preise» in die Höhe von ungefähr 25'000 Euro katapultiert. Korrupte Rekrutierungsoffiziere und bestechliche Ärzte machen die hohle Hand, um Drückebergern über ärztliche Zeugnisse und andere Bescheinigungen den Dienst an der Waffe zu ersparen.
Parlament und Regierung haben zu lange mit dem neuen Gesetz gewartet. Darum dauert es nun so lange, bis die Soldaten an der Front verstärkt beziehungsweise ersetzt werden. Eliteeinheiten wie die bekannte dritte Sturmbrigade der Armee rekrutieren schon lange erfolgreich und ausschliesslich Freiwillige, auch im Ausland. Zumindest eine solide militärische Ausbildung ist bei derartigen Formationen garantiert.
Daneben gibt es drei wichtige Flaschenhälse, die erklären, warum es an der Front an Soldaten mangelt. So sind erstens viele Einheiten in rückwärtigen Gebieten stationiert, obwohl sie dort nichts zu tun haben. Der Grund: Bestechungsgelder, die in der Armeeführung versickern und so dafür sorgen, dass diese Einheiten nicht an die Front verlegt werden.
Zweitens gibt es zu wenig Waffen für die neuen Rekruten. So beklagt sich die Armee darüber, dass sie 14 neue Brigaden aufgestellt habe, deren Bewaffnung aber noch ungenügend für den Fronteinsatz sei. Eine ukrainische Brigade umfasst in der Regel ungefähr 5000 Soldaten, es geht also schätzungsweise um bis zu 70'000 Mann. Der dritte Flaschenhals ist das Training. Die Ukraine hat zu wenig Ausbilder.
In der Vergangenheit wurden Ukrainer deshalb unter anderem in Grossbritannien, Deutschland und Polen trainiert. Mit dem neuen Sicherheitsabkommen zwischen Kiew und Warschau soll nun auch unter den zahlreichen ukrainischen Flüchtlingen in Polen rekrutiert werden. Die Mobilisierung in Polen erfolgt auf freiwilliger Basis. Die Interessenten werden von Polen ausgebildet und der neuen «Ukrainischen Legion» zugeteilt. Laut dem polnischen Aussenminister Sikorski haben sich bereits mehrere tausend ukrainische Freiwillige registrieren lassen. (aargauerzeitung.ch)
Natürlich wollen wir das am liebsten ignorieren und ausblenden, denn es schadet dem neuen Ukraine Image,. Das Bild als "ehemalige" demokratische Oligarchie will man loswerden, sonst wird das eh nichts mit den EU Beitritt in gefühlten 20 Jahren.
Idem in Syrien, wo Assad fest im Sattel sitzt - nur dass das ganze Land in Schutt und Asche liegt und Millionen Menschen geflohen sind.
Humanitär und wirtschaftlich sind beide Kriege ein Desaster und völlig unnötig noch dazu.