Die Römerinnen und Römer fühlten sich am Wochenende an die Bilder aus dem Ukraine-Krieg erinnert: Über dem Centocelle-Quartier in der südöstlichen Peripherie der Hauptstadt stand eine mehrere hundert Meter hohe, schwarze Rauchsäule, Explosionen waren zu hören, die Sirenen Dutzender Feuerwehren heulten, Lösch-Hubschrauber ratterten in der Luft.
Der Brand war in einem grossen, verwahrlosten Park ausgebrochen und hatte auf einen Auto-Schrottplatz übergegriffen, wo hunderte von Abbruch-PKWs in Flammen aufgingen. Die Explosionen wurden vom Treibstoff und dem Motorenöl verursacht, die sich noch in den Tanks und Leitungen der Fahrzeuge befanden.
Die schwarze Rauchwolke war in der ganzen Stadt zu sehen – auch vom Circus Maximus aus, wo sich 70'000 Fans für ein Konzert der Römer Rockband Maneskin versammelt hatten, oder auch von der Trinità dei Monti über der Spanischen Treppe, wo Models die neuesten Kreationen des Modeschöpfers Valentino präsentierten.
Es handelte sich bereits um den vierten Grossbrand seit Mitte Juni, als auf dem Areal der ehemaligen Riesen-Deponie Malagrotta eine Müllbehandlungsanlage zerstört wurde. Vor einer Woche brannte der Pinienwald Pineta Sacchetti unweit des Vatikans. Kaiser Nero, der im Jahr 64 n. Chr. Rom angezündet hatte, hätte wohl seine Freude an der Brandserie gehabt.
Der neue Herrscher von Rom, der sozialdemokratische Bürgermeister Roberto Gualtieri, hat seit seiner Wahl im letzten Herbst alle Erwartungen enttäuscht: Wer glaubte, dass es nach der Abwahl seiner Vorgängerin, der überforderten Fünf-Sterne-Politikerin Virginia Raggi, mit Rom nur noch aufwärts gehen könne, sah sich schnell eines Besseren belehrt. Gualtieri hatte zwar sein wichtigstes Wahlversprechen, nämlich Rom bis Weihnachten vom Müll zu befreien, mit Ach und Krach und Sonderschichten für die Müllabfuhr halbwegs eingelöst.
Doch längst ist der Unrat – und mit ihm die Wildschweine, Möwen und Ratten, die sich davon ernähren – auf die Strassen und Plätze zurückgekehrt und modert und stinkt in der Sommerhitze vor sich hin. Der Ausfall der Müllbehandlungsanlage von Malagrotta wegen des Brands hat die Krise noch zusätzlich verschärft.
Die Bewohner der Ewigen Stadt schwanken zwischen Wut und Resignation. Ein Bürger im noblen und wohlhabenden Prati-Quartier hat unlängst mit seinem Handy eine Szene gefilmt und ins Netz gestellt, die einen alten Verdacht der Römer bestätigte: Man sieht auf dem Video, wie die Müllmänner den Inhalt der Container mit dem nach Glas, Papier, Plastik und Grünabfälle getrennten Müll in ein- und dasselbe Müllauto kippen.
Letztlich besteht das zentrale Problem aber darin, dass in der Drei-Millionen-Einwohner-Metropole Rom bis heute keine einzige Müllverbrennungsanlage existiert. Gualtieri will dies endlich ändern und wird dabei auch von Ministerpräsident Mario Draghi unterstützt. Doch das entsprechende Dekret wird von Virginia Raggi und vor allem auch vom Parteichef der Fünf-Sterne-Bewegung, Ex-Premier Giuseppe Conte, seit Wochen politisch blockiert. Conte droht wegen dem geplanten Ofen sogar, seine Minister abzuziehen und damit ein Ende der Regierung Draghis zu provozieren. Derweil brennt, modert und stinkt Rom weiter vor sich hin. (aargauerzeitung.ch)
Offenbar tummeln sich die Ratten nicht nur in den Straßen Roms, sondern auch in der städtischen Regierung und Politik.