Das Grüne Wunder in Baden-Württemberg geht weiter: Die Partei des selbst bei politischen Gegnern höchst beliebten Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann feiert zum dritten Mal hintereinander Zugewinne. Kretschmann wird für fünf weitere Jahre im Südwesten Deutschlands regieren. Offen ist bloss, mit wem der 72-Jährige eine Regierung bilden will: Bleibt es beim Bündnis mit der CDU oder geht Kretschmann mit SPD und FDP eine Ehe ein?
Für die CDU ist das Resultat in Baden-Württemberg ein Desaster. Es gab Zeiten, da hatten die Christdemokraten im konservativen Südwesten die absolute Mehrheit inne. Nun wird die Partei zusammengestaucht auf einen historischen Tiefstwert von 23 Prozent. Auch in Rheinland-Pfalz setzte es für die CDU eine empfindliche Niederlage gegen die SPD von Ministerpräsidentin Malu Dreyer ab.
Die Misere der CDU lässt sich allerdings nicht alleine damit begründen, dass sie gegen zwei weit über die eigenen Parteigrenzen hinaus beliebte Ministerpräsidenten ankämpfen musste. Zuletzt sorgten Berichte über zwei Bundestagsabgeordnete der CDU für Schlagzeilen, die sich im Frühjahr 2020 mit dem Geschäft mit Schutzmasken ungeniert in sechsstelliger Höhe bereichert hatten. Das Image der Union wurde beschädigt, ihre Nähe zur Wirtschaft erhielt urplötzlich etwas Anrüchiges.
Doch die «Masken-Affäre» kann die deutlichen Verluste nur teilweise erklären: Die Wahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg waren letztlich auch ein Votum über die Coronapolitik der Bundesregierung. Seit 16 Jahren ist das Kanzleramt in der Hand der CDU, doch zuletzt machten Kanzlerin Angela Merkel und vor allem ihr Gesundheitsminister Jens Spahn keine allzu gute Figur. Deutschland impft schleppend, die deutsche Bürokratie verhindert ein höheres Tempo bei Impfung und Testung der Bevölkerung. Zudem hat die Krise offenbart, dass das Land bei der Digitalisierung den Anschluss an die Weltspitze verschlafen hat. Das fällt direkt auf die seit 16 Jahren regierende Angela Merkel zurück, ihre Bilanz erhält durch Corona einen Makel.
Merkel selbst wirkte zuletzt ratlos. Zuerst propagierte sie einen Weg aus dem Lockdown, der sich an sehr tiefen Infektionszahlen orientiert. Wenig später warf sie angesichts steigender Coronainfektionen und auf Druck der Wirtschaft und der Länder ihre eigene Strategie kurzerhand wieder über Bord. Merkel hat sich mit dem Dauer-Lockdown in ein Dilemma manövriert, aus dem sie nicht mehr herausfindet, ohne von ihrer eigenen, über Monate verteidigten Strategie abzukommen. «Das ist kein guter Wahlabend für die CDU», seufzte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak am Abend in Berlin.
Von den Verlusten der CDU profitieren können die mitregierenden Sozialdemokraten aber nicht. Hauptprofiteure bleiben auch auf Bundesebene die Grünen. Die erstarkte Partei macht mit einem zukunftsgerichteten politischen Programm vor allem in urbanen Räumen der altbacken wirkenden SPD Wähler streitig.
Der Wahlsonntag könnte auch die Frage beeinflussen, mit wem die Union ins Kanzlerrennen steigen wird. Normalerweise fällt diese Rolle dem Partei-Chef zu. Doch Armin Laschet wackelt. Die Unruhe bei der CDU könnte angesichts auch auf Bundesebene sinkender Umfragewerte steigen. Das könnte die Chance für den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder von der CSU sein. Seine Umfragewerte sind landesweit deutlich besser als jene von Armin Laschet. (aargauerzeitung.ch)