Mitten in seiner womöglich schwersten politischen Krise verliert der britische Premierminister Boris Johnson einen wichtigen Mitarbeiter. Gesundheitsberater Jonathan Van-Tam hat überraschend seinen Rückzug aus der Politik bekannt gegeben. Der Epidemiologe ist in der Pandemie zu einem der bekanntesten Gesichter der britischen Regierung geworden.
Es sei «das grösste Privileg seiner Karriere» gewesen, der Öffentlichkeit während der Coronavirus-Pandemie zu dienen, sagte Van-Tam am Donnerstag vor Journalisten. Gesundheitsminister Sajid Javid würdigte Van-Tams «tragende Rolle» im Kampf gegen das Virus und zeigte sich «unendlich dankbar». Van-Tam wird seinen Posten in der Regierung noch bis Ende März ausfüllen und dann als Forscher an die Universität Nottingham zurückkehren.
Für Johnson kommt Van-Tams Rückzug zur Unzeit. Der Premier hatte am Mittwoch im Parlament gestanden , während des Lockdown im Mai 2020 an einer Gartenparty in der Downing Street teilgenommen zu haben. Johnson sagte, er hätte die Party für ein Arbeitstreffen gehalten – dies sei rückblickend falsch gewesen. Johnsons Büroleiter hatte zu dem Event eingeladen und die Gäste aufgefordert, selbst Alkohol mitzubringen.
Die Opposition im Parlament forderte Johnsons Rücktritt, doch der Premier steht auch bei seinen Tories massiv unter Druck. «Wir wissen nun, dass der Premierminister 25 Minuten bei etwas verbracht hat, das eindeutig eine Party war. Das bedeutet, dass er das Parlament getäuscht hat», sagte der Tory-Parlamentarier Roger Gale der BBC. Johnson sei nun ein «dead man walking», ein Premier auf Abruf. Auch der Chef der schottischen Konservativen, Douglas Ross, forderte Johnson zum Rücktritt auf.
Nur wenige Tories unterstützten den Premier öffentlich. Kulturministerin Nadine Dorries rief dazu auf, das Ergebnis einer bereits laufenden internen Untersuchung abzuwarten. Auch Johnson selbst hatte auf diese Ermittlungen verwiesen, als ihn die Opposition im Parlament zum Rücktritt aufforderte. (mk,t-online,AFP)