Die britische Premierministerin Theresa May hat die Vertrauensabstimmung gewonnen. Das Unterhaus lehnte am Mittwoch den Misstrauensantrag gegen die Regierungschefin ab.
Für den Labour-Chef Jeremy Corbyn, der das Misstrauensvotum eingeleitet hat, stellt die Abstimmung eine reine Blamage dar. Nachdem May mit ihrem EU-Austrittsplan die höchste Niederlage eines Premierministers im Unterhaus erlitt, ist es umso erstaunlicher, dass die Opposition die Regierung nicht stürzen konnte.
Laut der «Zeit online» hat das drei Gründe:
Corbyn konnte – oder wollte – im Streit um den Brexit keine brauchbare Lösung vorlegen. Denn: Der Labour-Chef fürchtet Wähler zu verlieren und bezieht deshalb keine klare Position. So wich er der Frage im Parlament, welche Politiker er bei den Neuwahlen, die er sich wünscht, unterstützen würde.
Würde Corbyn sich für den Brexit stark machen, droht die Unterstützung der EU-Befürworter wegzufallen. Umgekehrt würde er viele Stimmen der Arbeiter verlieren, würde er den Brexit ablehnen.
Zudem bringen seine Forderungen die Diskussion kaum vorwärts. Grossbritannien soll auch nach dem Austritt aus der EU alle Vorteile eines Mitgliedstaates haben. So will Corbyn beispielsweise ein Mitspracherecht bei der Aussenhandelspolitik der EU. Brüssel würde dem garantiert nicht zustimmen.
Gleich wie die Mehrheit im Parlament lehnt Corbyn einen harten Brexit («No-Deal») ab und befürwortet den Verbleib in der EU-Zollunion. Und trotzdem: Das Vertrauensvotum in May zeigt, dass das Parlament keine Corbyn-Regierung will.
Die «Zeit online» bezeichnet den Oppositionsführer als «Sozialist der alten Schule». Seine Einstellung und Forderungen stossen bei Konservativen, Liberalen und bei einem Grossteil der Labour-Partei auf wenig Anklang.
Zudem hat sich Corbyn aufgrund verschiedener Äusserungen bei vielen Abgeordneten unbeliebt gemacht. So klebt an ihm – wegen seiner ablehnenden Haltung gegenüber Israel – der Vorwurf des Antisemitismus. Bei den Ermittlungen rund um die Novichok-Angriffe in England hat er Russland stets in Schutz genommen. Aber auch seine Sympathie für die IRA stösst auf.
Die Konservativen wollten Neuwahlen verhindern. Die Diskussionen um den Brexit haben die Partei massgeblich geschwächt. Bei einer Neubildung der Regierung müssten die Konservativen wohl ein Bündnis mit den Liberalen eingehen – dies gilt es zu verhindern.
Corbyn hatte seiner Partei versprochen, für eine Volksabstimmung einzustehen, sollte es zu keiner Neuwahl kommen. Doch eine Volksabstimmung will gar nicht – sondern nur den Brexit durchbringen. Deshalb könnte es wieder zu einem Misstrauensantrag gegen May kommen. Sein Parteisprecher hat bereits Anspielungen gemacht: «So ein Misstrauensvotum kann auch mehrmals gestellt werden», zitiert die «Zeit online».
May hat nun bis am Montag Zeit, einen neuen Plan vorzulegen. Erste Gespräche mit verschiedenen Abgeordneten sollen bereits heute Donnerstag abgehalten werden. Corbyn verweigert vorerst den Dialog mit May. Die Premierministerin hat jedoch betont, dass «die Tür geöffnet bleibt» – sie will mit «jedem Mitglied zusammenarbeiten».
May hat bei ihrem Austritts-Deal bislang keine Kompromisse gemacht. Es ist gut möglich, dass sie ihn unverändert wieder dem Parlament vorlegt. Dann könnte Corbyn wieder ein Misstrauensantrag stellen. (vom mit Material von sda/reu)