International
Grossbritannien

Irland: Warum Ministerpräsident Varadkar plötzlich um Wiederwahl bangt

Warum Irlands Ministerpräsident Varadkar plötzlich um seine Wiederwahl bangen muss

07.02.2020, 14:4907.02.2020, 14:49
Mehr «International»
epa08123508 (FILE) - Irish Prime Minister, An Taisoeach Leo Varadkar holds a news conference at the end of a European Council Summit in Brussels, Belgium, 21 June 2019 (reissued 12 January 2020). Repo ...
Leo VaradkarBild: EPA

Irlands Regierungschef Leo Varadkar muss bei der Parlamentswahl am Samstag um seine Wiederwahl bangen - dabei hatte Varadkar selbst Mitte Januar die vorgezogene Neuwahl angesetzt. Der Zeitpunkt kurz nach dem Brexit sei günstig, um mit einer neuen Regierung in die Verhandlungen der EU über die künftigen Beziehungen mit Grossbritannien einzusteigen, sagte Varadkar zur Begründung.

Doch nun deutet sich ein Stimmungswechsel in der Bevölkerung an. Dass die irischen Wähler früher als 2021 an die Urnen gerufen würden, war schon länger erwartet worden. Bei den Wahlen im Februar 2016 hatte Varadkars konservative Fine Gael eine Mehrheit verfehlt. Seither ist sie auf die Unterstützung der grössten Oppositionspartei Fianna Fail angewiesen. Die während des monatelangen Brexit-Chaos in London herrschende Einigkeit zwischen den beiden rivalisierenden Parteien bröckelte zuletzt jedoch zusehends.

Aus der Wahl könnten die beiden Mitte-Rechts-Parteien, die seit der Unabhängigkeit Irlands vor fast einem Jahrhundert fast immer abwechselnd die Regierung stellten, nun geschwächt hervorgehen: In jüngsten Umfragen lag sensationell die irisch-republikanische Sinn-Fein-Partei an der Spitze.

Laut einer Umfrage, welche die «Irish Times» Anfang der Woche veröffentlichte, wollen 25 Prozent der Wähler für Sinn Fein stimmen. Fianna Fail kommt mit 23 Prozent auf Platz zwei, Varadkars Fine Gael nur auf 20 Prozent.

Für ein vereintes Irland

Sinn Fein strebt ein vereintes Irland an - mit dem zu Grossbritannien gehörenden Nordirland. Parteichefin Mary Lou McDonald wirbt dafür, in den kommenden fünf Jahren ein Referendum über die irische Einheit abzuhalten. Vor allem bei jungen Wählern in den Städten kommt diese Forderung gut an.

Der einstige politische Flügel der irischen Untergrundarmee IRA stand allerdings schon häufiger in Meinungsumfragen vor Wahlen gut da und schnitt dann unterdurchschnittlich ab. Vor allem aber hat Sinn Fein nur 42 Kandidaten für das 160 Sitze zählende Parlament aufgestellt - im Falle eines Wahlsiegs wäre die Partei nicht in der Lage, eine Mehrheitsregierung zu bilden. Fine Gael und Fianna Fail schliessen eine Zusammenarbeit mit der linksgerichteten Sinn Fein zudem aus.

Der 41-jährige Varadkar, der seit zweieinhalb Jahren an der Regierungsspitze steht, hat seine starke Rolle in den Brexit-Verhandlungen zwischen London und Brüssel in den Mittelpunkt seines Wahlkampfs gestellt. Viele Wähler interessierten sich aber gar nicht für den Brexit, sondern für Themen wie Wohnen und Gesundheit.

Für Irland steht viel auf dem Spiel

Für das EU-Mitglied Irland steht beim Brexit aber auch weiterhin viel auf dem Spiel, sollte Grossbritannien nach einer Übergangsphase kein Abkommen mit Brüssel schliessen. Beide Länder sind auf allen Ebenen eng miteinander verknüpft, ein abrupter Bruch könnte den fragilen Frieden in Nordirland gefährden.

Die Nordirland-Frage war auch einer der Hauptstreitpunkte bei den Brexit-Verhandlungen zwischen London und Brüssel, da sich die Grenze zwischen Irland und Nordirland durch den Brexit de facto zu einer Landgrenze zwischen der EU und Grossbritannien verwandelte. Das Karfreitagsabkommen von 1998, mit dem der jahrzehntelange blutige Nordirland-Konflikt überwunden wurde, sieht allerdings eine offene Grenze vor.

Für die rund 2000 Wahlberechtigten auf entlegenen irischen Atlantik-Inseln hat die Wahl bereits begonnen. Die Wahllokale auf dem Festland sind am Samstag von 8.00 bis 23.00 Uhr (MEZ) geöffnet. Erste Nachwahlbefragungen werden nach Schliessung der Wahllokale veröffentlicht, die Auszählung der Stimmen beginnt erst am Sonntagmorgen. (aeg/sda/afp)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Essen in Dublin
1 / 12
Essen in Dublin
Du meinst, du kennst Irlands Küche? Sicher, es gibt Klassiker, die man in sogar in so feinen Läden wie dem hier in Dublin bekommt: Er heisst The Bank on College Green. (Bild: watson)
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Die wohl sympathischste Familie die du je gesehen hast
Das könnte dich auch noch interessieren:
6 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
6
Trump pflaumt Medwedew an – prompt rudert der russische Ex-Präsident zurück
Russlands Ex-Präsident Medwedew hat mit der nuklearen Aufrüstung des Iran gedroht. Nach einer heftigen Reaktion von Donald Trump ist er jedoch zurückgerudert.

Donald Trump hat den ehemaligen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew scharf angegriffen. «Habe ich richtig gehört, dass der ehemalige russische Präsident Medwedew ganz beiläufig das 'N-Wort' (Nuklear!) in den Mund genommen hat?», schrieb der US-Präsident auf seiner Plattform Truth Social.

Zur Story