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Grossbritannien

Statisten bei Demo gegen den Emir von Katar in London.

epa06907479 British Prime Minister Theresa May (L) welcomes the Emir of Qatar, Tamin bin Hamad Al Thani (R) to 10 Downing Street in London, Britain, 24 July 2018. May hosts Al Thani for a working lunc ...
Theresa May und Tamim bin Hamad Al Thani am Dienstag in London. Bild: EPA/EPA

Statisten gesucht – die rätselhafte Geschichte um eine Anti-Katar-Demo in London 

Der Emir von Katar besucht die britische Premierministerin Theresa May. Eine Casting-Agentur sucht per E-Mail Statisten für eine Protestaktion gegen den Emir. Dann bekommt sie kalte Füsse. Die bizarre Geschichte in 6 Episoden.
24.07.2018, 14:0024.07.2018, 14:58
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Der Staatsbesuch

Tamim bin Hamad Al Thani ist seit 2013 das Staatsoberhaupt des Emirats von Katar. Seit dem Frühjahr 2017 herrscht zwischen Katar und seinen Nachbarländern in der Golfregion eine schwere diplomatische Krise. Am 5. Juni 2017 brachen Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Ägypten die diplomatischen Beziehungen zu Katar ab.

Die Länder boykottieren das kleine Emirat seither wirtschaftlich, kulturell und politisch. Die Begründung: Katar unterstütze und finanziere den internationalen Terrorismus. Klar war auch die fortwährende diplomatische Krise am Golf eines der Gesprächsthemen beim mehrtägigen Besuch von Emir Tamim bin Hamad Al Thani in London. Dieser weilt seit Sonntag in der britischen Hauptstadt. Am Dienstagmittag ist er von Premierministerin Theresa May in ihrem Amtsitz an der Downing Street empfangen worden.

Die Anfrage

Andy Washington ist Tourmanager. Er verdient sich ab und zu einen kleinen Zustupf, indem er als Statist bei Film- und Werbe-Dreharbeiten mitmacht. Dazu ist er auf einem Mail-Verteiler der Casting-Agentur Extra People Ltd. Über diesen Weg erhält er immer wieder kurzfristige Anfragen, wenn Statisten für einen Auftrag gesucht werden. So auch für den heutigen Dienstag. Doch beim genaueren Durchlesen des Mails wurde Washington stutzig: 

Gesucht wurden Statisten, welche sich anlässlich des Besuchs des Emirs ausserhalb des Amtssitzes der britischen Premierministerin einfinden sollten, um «den Platz aufzufüllen». Man müsse dabei «nichts tun oder sagen». In einer anderen Version, welche ebenfalls über den Mail-Verteiler von «Extra People» versandt wurde, wurde der Auftrag spezifisch als «Anti-Qatar-Event» bezeichnet.

Der Rückzieher

Kurz nachdem Extra People Ltd Statisten angefragt hatte, verschickte die Agentur eine zweite Nachricht. Ein «Junior Booker» der Agentur habe für den Auftrag eines externen Kunden namens Neptune PR Ltd via Mailverteiler nach 500 Statisten gesucht, ohne vorher die Geschäftsleitung zu konsultieren. 

Das sei eine Fehleinschätzung gewesen. Extra People wolle nicht in dieses Projekt involviert sein und ziehe sich vom Auftrag zurück.

Die Drohung der PR-Agentur

Der Rückzug der Casting-Agentur unter Nennung des Auftraggebers erzürnt wiederum die Neptune PR Ltd. Sie eröffnet eigens einen Twitter-Account und verlangt spätabends via Twitter von Extra People Ltd, «irgendeine Art von Beweis» für deren Behauptung zu liefern. Diese Art von Beschuldigungen könnten rechtlich belangt werden. Die PR-Agentur kündigt an, sich mit ihren Anwälten zu beraten.

Extra People Ltd lässt sich nicht zweimal bitten. Am Dienstagmorgen um halb 9 publiziert sie den Screenshot einer Mail-Anfrage, in der eine Leslie die Kontaktdaten von Neptune PR an die Casting-Agentur schickt.

Daraufhin bittet Neptune PR Ltd wiederum um detaillierten Angaben zu ihrer angeblichen Mitarbeiterin Leslie. 

Die Medienberichte am Golf

Die englischsprachige Zeitung Gulf News aus den mit Katar verfeindeten Vereinigten Arabischen Emirate berichtete anlässlich des Besuchs von Emir al Thani über «wütende Proteste», mit denen das Staatsoberhaupt in London begrüsst werde. In Londons Strassen seien zahlreiche Plakate zu sehen, in denen gegen den Empfang des Emirs durch die britische Regierung protestiert werde. Auf Twitter sei der Hashtag #OpposeQatarVisit am trenden. 

Die zweifelhaften Proteste

Wie der Guardian berichtet, sei der katarisch-stämmige britische Geschäftsmann und Millionär Khalid Al-Hail an zahlreichen Protesten gegen den Besuch des Emirs anzutreffen gewesen. Al-Hail gilt als Gegner der katarischen Herrscherfamilie und hat in Grossbritannien schon mehrere Konferenzen organisiert, in denen beispielsweise die Vergabe der Fussball-Weltmeisterschaft 2022 nach Katar kritisiert worden ist.

Ein Augenzeuge berichtete davon, dass Teilnehmer bei Protesten gegen den Besuch des Emirs zu einem Lohn von 50 Pfund aus Liverpool angereist waren. Diese Darstellung konnte bisher aber nicht unabhängig verifiziert werden.

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2 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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mrmikech
24.07.2018 14:18registriert Juni 2016
Ja so ist das heutzutage, alles fake. Auch in Paris, wo Giuliani gegen Iran hetzte gab es jede menge fake demonstranten:

“We are now realistically being able to see an end to the regime in Iran,” Giuliani told a crowd of about 4,000, many of them refugees and young eastern Europeans who had been bussed in to attend the rally in return for a weekend trip to Paris.

https://www.theguardian.com/us-news/2018/jun/30/rudy-giuliani-mek-iran-paris-rally
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