Pro Kopf gerechnet ist Katar das reichste Land der Welt. Die rund 2,5 Millionen Einwohner profitieren davon, dass sich die Halbinsel mit dem Iran das grösste Erdgasfeld der Welt teilt. Nach Norwegen verfügt Katar auch über den grössten Staatsfond der Welt. Mehr als 300 Milliarden Dollar sind rund um den Globus investiert. In der Schweiz ist Katar ein bedeutender Aktionär der CS.
Der sagenhafte Reichtum Katars weckt Begehrlichkeiten, auch bei der Familie Trump. So ist bereits vor einiger Zeit durchgesickert, dass Jared Kushner seine Stellung als Berater im Weissen Haus dazu missbraucht haben soll, Katar zu einem Geschäft zu überreden. Nicht zuletzt deshalb soll der Schwiegersohn des Präsidenten die Sicherheitsfreigabe – den Zugang zu streng geheimen Informationen – verloren haben.
Hintergrund dieses Vorfalles ist eine katastrophale Fehlinvestition der Familie Kushner. Wie die Trumps sind sie im Immobilienbusiness tätig. 2007 haben Vater und Sohn Kushner an der New Yorker Fifth Avenue ein Hochaus gekauft. Es war als Eintritt in den Club der ganz grossen Immobilienhaie gedacht, deshalb liessen sich die Kushners auch nicht lumpen: Sie nahmen für den Kauf Kredite in der Höhe von 1.75 Milliarden Dollar auf.
Der von oben bis unten mit Aluminium eingekleidete Wolkenkratzer machte seiner satanischen Hausnummer 666 bald alle Ehre: Er war des Teufels. Die Investition erfolgte auf dem Höhepunkt des amerikanischen Immobilienbooms, der Preis der inzwischen 61-jährigen Liegenschaft fiel in den Keller.
Ein Grossteil der Mieter zog aus, die Mieteinnahmen decken die Kosten für die Hypothekarzinsen bei weitem nicht mehr. Nächstes Jahr wird die Rückzahlung einer Hypothek in der Höhe von 1.4 Milliarden Dollar fällig.
Seit längerer Zeit sind die Kushners auf der Suche nach einem potenten Investor, der ihnen aus der Patsche helfen kann. Ein geplanter Deal mit Anbang platzte. Der chinesische Versicherungskonzern wollte den maroden Bau abreissen lassen und einen 7.5-Milliarden-Dollar-Super-Wolkenkratzer errichten, doch er wurde von Peking zurückgepfiffen.
In seiner Not wandte sich Jared Kushner an die Scheiche aus dem Persischen Golf. Katar zeigte ihm jedoch die kalte Schulter. Das hatte politische Folgen der seltsamen Art für den Kleinstaat:
Im vergangenen Sommer verhängten Saudi Arabien, die Vereinigten Emirate, Bahrain und Ägypten ein für die nicht arabische Welt völlig überraschendes Embargo gegen Katar. Als Grund dafür wurden angebliche Unterstützung des internationalen Terrorismus und zu viel Nähe zum Iran genannt. Katar wurde auch ultimativ aufgefordert, den für arabische Verhältnisse relativ unabhängigen TV-Sender «Al Jazeera» dicht zu machen.
Noch überraschender als das Embargo war die Reaktion aus dem Weissen Haus: Präsident Trump stellte sich vollumfänglich auf die Seite der Saudis; und das, obwohl sich das Hauptquartier der US-Streitkräfte auf der Halbinsel befindet und Katar als treuer Verbündeter des Westens gilt.
Damals schon gab es Gerüchte, wonach Kushner seine Hände im Spiel gehabt haben soll. Diese Gerüchte haben massiv Aufwind erhalten. Trump hat vor kurzem den Emir von Katar empfangen und ihn in den höchsten Tönen als Gentleman gelobt. Gleichzeitig hat er seinen neuen Aussenminister Mike Pompeo nach Riad geschickt, um den Saudis nahezulegen, ihr Embargo gegen Katar einzustellen.
Warum die erneute Kehrtwende? Die Antwort liefert die «New York Times». «Die Kushners sind im Begriff, einen Deal für ihren unseligen Wolkenkratzer mit einer Firma abzuschliessen, die mit Katar verbunden ist», meldet das Blatt. Bei der Firma handelt es sich um Brookfield Asset Management. Sie will die Mehrheit an der Liegenschaft an der Fifth Avenue übernehmen. Der Immobilienteil dieser Firma gehört zu einem guten Teil dem katarischen Staatsfonds.
Dieser Fonds soll auch eine zwielichtige Rolle in der Russland-Affäre gespielt haben. Im Gegenzug zur Aufhebung der Sanktionen soll Russland Trump im Wahlkampf versprochen haben, einen Anteil von 19,5 Prozent der Aktien des Ölkonzerns Rosneft zu verkaufen. Der Schweizer Rohstoffkonzern Glencore und Katars Staatsfonds haben je die Hälfte dieser Aktien gekauft. Der eigentliche Profiteur dieses Deals sollte jedoch die Trump Group werden. Er flog auf, weil das Steele-Dossier ihn öffentlich machte.
Nicht nur mit Katar hat der Trump-Clan möglicherweise seine Interessen mit denjenigen des Staates verknüpft. Die seltsame Kehrtwende des Präsidenten beim chinesischen Telekomkonzern ZTE hat möglicherweise ebenfalls eine ganz banale Erklärung: China investiert in Indonesien 500 Millionen Dollar in einen Vergnügungspark, an dem die Trump Group beteiligt ist.
Selbstverständlich dementieren die Kushners und das Weisse Haus jegliche Verquickung von politischen und kommerziellen Interessen. Trotzdem ist es erstaunlich, dass ausgerechnet der Präsident, der laut geschrien hat, er wolle den Polit-Stall in Washington ausmisten («drain the swamp») nun schamlos seine Stellung ausnutzt, um sich persönlich zu bereichern.
Solange die Republikaner die Macht im Kongress haben, muss der Trump-Clan keine Konsequenzen fürchten. «Eine ganze politische Partei macht sich der offenen Korruption mitschuldig», stellt Paul Krugman in der «New York Times» fest. «Selbst wenn das Geld von feindlich gesinnten ausländischen Mächten stammt.»