Grossbritannien will seine Asylpolitik komplett neu ausrichten. Illegale Migranten sollen künftig nach Ruanda in Ostafrika deportiert werden. Nach monatelangem Hin und Her hat Premierminister Rishi Sunak ein entsprechendes Gesetz durch das britische Parlament gebracht.
Migrantinnen und Migranten sollen ungeachtet ihrer Herkunft in das ostafrikanische Land abgeschoben werden, wenn sie unerlaubt nach Grossbritannien einreisen. Das ist der Grundsatz der Idee der konservativen britischen Regierung.
Der Asylpakt mit Ruanda sieht vor, dass irregulär eingereiste Migranten in Grossbritannien keine Gelegenheit mehr zum Antrag auf Asyl erhalten sollen. Sie sollen stattdessen nach Ruanda gebracht werden und dort Asyl beantragen. Eine Rückkehr nach Grossbritannien ist nicht vorgesehen. Der Plan war erstmals vor zwei Jahren vom damaligen Premierminister Boris Johnson vorgebracht worden.
Der Entwurf erklärt Ruanda nun per Gesetz zum sicheren Drittstaat. Damit will die Regierung Einsprüche vor britischen Gerichten gegen Abschiebungen verhindern.
Mit der Regelung sollen Menschen von der gefährlichen Überfahrt in kleinen Booten über den Ärmelkanal abgehalten werden. Der britische Premierminister ist fest von der Wirksamkeit der Massnahme überzeugt:
Sunak kündigte an, einstweilige Verfügungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen den Asylpakt mit Ruanda zu ignorieren. Zugleich betonte er am Montag, sein Vorgehen stehe nicht im Konflikt mit internationalem Recht.
Gegner bezweifeln, dass das Gesetz Migranten abschrecken wird. Kritisiert wird auch, dass Grossbritannien Hunderte Millionen Pfund an Ruanda zahlt, aber vermutlich nur ein Bruchteil der irregulär eingereisten Menschen abgeschoben wird.
Laut dem Guardian wird Grossbritannien für jeden der ersten 300 Abgeschobenen jeweils 1,8 Millionen Pfund (gut zwei Millionen Franken) hinblättern müssen.
Der Durchbruch in der Nacht auf Dienstag ist das vorläufige Ende einer monatelangen Diskussion über die Vorlage. Es gab auch im britischen Unterhaus massiven Widerstand gegen die Pläne.
Dias Oberhaus – das House of Lords – als zweite Parlamentskammer hatte mehrmals Änderungsanträge beschlossen, die dann in einem zeitaufwendigen Verfahren vom Unterhaus rückgängig gemacht wurden. Schliesslich gab das House of Lords seinen Widerstand auf. Damit kann der Gesetzentwurf von König Charles III. mit seiner Unterschrift in Kraft gesetzt werden. Es wird erwartet, dass dies am Dienstag geschieht, wie der Guardian berichtet.
Die erste Maschine soll bereits in zehn bis zwölf Wochen abheben, wenn es nach Sunak geht.
Bisher hatte die Regierung den ersten Abflug für den Frühling angekündigt. Für die Abschiebungen seien kommerzielle Charterflüge gebucht worden. Zudem seien Hunderte Sachbearbeiter und Richter auserkoren, um mögliche Klagen zu bearbeiten.
Der einzige Flug, der bisher nach Ruanda abheben sollte, wurde per einstweiliger Verfügung vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in letzter Minute gestoppt. Später erklärte das oberste Gericht in Grossbritannien den Asylpakt für rechtswidrig. Mit dem Ruanda-Gesetz soll dieses Urteil nun ausgehebelt werden.
Für die konservative Regierung, die angesichts eines gewaltigen Rückstands in den Umfragen im Jahr der Parlamentswahl unter erheblichem Druck steht, ist die irreguläre Migration ein Ärgernis. Jährlich kommen Zehntausende über den Ärmelkanal ins Land, es gibt aber kaum Aufnahmekapazitäten. (sda/dpa/con)