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Indien: Zugkatastrophe mit 288 Toten erschüttert das Land

Zugkatastrophe mit mehr als 280 Toten erschüttert Indien

Nach einem der schwersten Zugunglücke Indiens ist die Zahl der Toten auf 288 gestiegen. Die Behörden sprechen zudem von mehr als 900 Verletzten.
03.06.2023, 07:3504.06.2023, 16:38
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Nach einem der schwersten Zugunglücke Indiens ist die Zahl der Toten auf 288 gestiegen. Zudem würden mehrere Hundert verletzte Passagiere in verschiedenen Krankenhäusern im Bundesstaat Odisha behandelt, teilte ein Bahnsprecher am Samstag mit.

Die Katastrophe ereignete sich am Freitagabend gegen 19 Uhr Ortszeit (15 Uhr MESZ) in einer ländlichen Gegend des Bezirks Balasore, gut 200 Kilometer südwestlich von Kolkata (früher: Kalkutta). Zwei Passagierzüge und ein Güterzug verunglückten dort nacheinander auf zwei parallel verlaufenden Gleisabschnitten. Wie genau, das war auch Stunden nach dem Unfall noch immer nicht klar.

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Drohnenaufnahme der Zugkatastrophe.Bild: keystone

Medienberichten zufolge war vermutlich erst einer der beiden Passagierzüge entgleist, der andere dann auf der wenige Meter entfernten Parallelstrecke in die dort auf den Gleisen liegengebliebenen Waggons gerast. Welcher der beiden Züge zuerst entgleiste und aus welchen Gründen, das blieb zunächst ungeklärt – ebenso wie die Frage, ob der Güterzug zum Zeitpunkt des Unfalls wirklich auf einem anderen Gleis abgestellt war und von einem der entgleisten Passagierzüge gerammt wurde, wie es manche Medien beschrieben. Andere schilderten abweichende Versionen des Geschehens.

Mit Tagesanbruch am Samstag wurde das Ausmass des Desasters besser sichtbar. Etwa ein Dutzend havarierte Waggons lagen auf und neben den Gleisen, mit den Rädern in die Höhe ragende Stahlkolosse, einige mit aufgerissenen Abteildecken, die Fenster zerschmettert. Auf und neben den Waggons versuchten Dutzende Helfer in Zivilkleidung und Rettungskräfte mit orangefarbenen Schutzanzügen verzweifelt, verletzte Passagiere unter den tonnenschweren Trümmern zu retten.

Ein Augenzeuge sagte dem örtlichen Fernsehsender NDTV, er sei aus dem Schlaf gerissen worden, als sein Zug plötzlich entgleiste – und das Chaos losbrach. «10 bis 15 Menschen fielen auf mich», erzählte er dem Sender. Er selbst sei mit Verletzungen am Hals und an den Händen davongekommen, habe dann aber überall Leichen und abgetrennte Körperteile erblickt.

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Die Ermittlungen laufen.Bild: keystone

«Es war ein ohrenbetäubender Lärm, ich spürte den Boden unter meinen Füssen erzittern. Unser Zug wurde vor- und zurückgeworfen», wurde ein Fahrgast von der Zeitung «Times of India» zitiert. Dann habe er aus dem Fenster geschaut und die entgleisten Waggons gesehen, mit darunter eingeklemmten Menschen. «Es war dunkel und ich konnte Schreie hören.» Ein anderer Mann schilderte, wie völlig aufgelöste Angehörige später in einem Feld verstümmelter Körper nach ihren Liebsten suchten. «Der Anblick war zu schrecklich, um ihn zu beschreiben.»

Bahnminister Ashwini Vaishnaw sagte der Nachrichtenagentur ANI, er habe eine Untersuchung zur Ursache der Zugkatastrophe angeordnet. Am Samstagmorgen traf er an der Unfallstelle ein, um sich ein Bild vom Ausmass der Tragödie zu machen. Premierminister Narendra Modi zeigte sich erschüttert und schrieb auf Twitter: «In dieser Stunde der Trauer sind meine Gedanken bei den trauernden Familien.» Der Samstag wurde in Odisha zum Trauertag erklärt.

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Arbeiter räumen die Trümmer.Bild: keystone

Das Büro des Premierministers kündigte schon kurz nach dem Unglück eine Entschädigung für die Angehörigen der Toten von je 200'000 Rupien (2267 Euro) an. Verletzte sollen demnach je 50'000 Rupien bekommen. Bahnminister Ashwini Vaishnaw versprach zusätzlich eine Entschädigung in Höhe von einer Million Rupien für die Angehörigen der Toten. Schwerverletzte sollen den Angaben zufolge je 200'000 Rupien und Leichtverletzte je 50'000 Rupien erhalten.

Bundespräsident Alain Berset drückte den Betroffenen auf Twitter sein Mitgefühl aus. Die Schweiz kondoliere den Familien der Opfer. Die Gedanken seien bei den Angehörigen.

Indiens marodes Bahnsystem mit alten Zügen und überholungsbedürftigen Gleisanlagen ist bekannt für häufige Unfälle. Bei schweren Zugunfällen starben in Indien in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach mehr als 100 Menschen, unter anderem bei den Unglücken von Kanpur 2016, Valigonda 2005, Rafiganj 2002, Gaisal 1999 und Khanna 1998.

Als grösste Bahnkatastrophe der Geschichte gilt das Unglück von Seenigama im indischen Nachbarland Sri Lanka, wo am 26. Dezember 2004 die Tsunami-Welle einen vollbesetzten Expresszug erfasste und etwa 1800 Menschen starben.

(oli/cst/sda/dpa)

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8 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Dario4Play
03.06.2023 10:43registriert Dezember 2014
Als Lokführer kann ich sagen dass das eine Unbeschreibliche Katastrophe ist und ich allen angehörigen und opfern viel Hoffnung wünsche. Soweit das überhaupt möglich ist.
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Kommissar Rizzo
03.06.2023 16:20registriert Mai 2021
Einfach nur tragisch.
Und leider überhaupt nicht überraschend. War schon 30x in Indien und die Infrastruktur ist in den letzten 10 - 15 Jahren irgendwie nicht so recht vorwärts gekommen. Ok, neue Flughäfen hats und die Strassen kann man mittlerweile zumindest als solche bezeichnen. Aber sonst? Maroder ÖV; Brücken, die man eigentlich nicht überqueren möchte; Abfall & Gestank; Bürokratie & Korruption...
Failed State!
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