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Interview

Deutsche Expertin: «Wir werden in der Ukraine Leopard-2-Panzer sehen»

Ein aus Deutschland zu Ausbildungszwecken an die 25. Schützenbrigade der ungarischen Armee gelieferter Panzer des Typs Leopard 2 A4 steht auf dem Kasernengelände. Foto: Gregor Mayer/dpa
Werden Kampfpanzer wie dieser bald aus Deutschland in die Ukraine geliefert?Bild: sda
Interview

Deutsche Expertin: «Wir werden in der Ukraine Leopard-2-Panzer sehen»

Sie ist Deutsche und beurteilt die von ihrem Heimatland geprägte europäische Sicherheitspolitik aus den USA: Die Russland-Spezialistin Liana Fix über die Angst des Kanzlers vor einem erzürnten Putin und den weiteren Verlauf des Kriegs.
21.01.2023, 07:2721.01.2023, 14:23
Daniel Fuchs / ch media
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Deutschlands Kanzler Olaf Scholz bleibt hart und liefert keine Kampfpanzer an die Ukraine. Überrascht es Sie, dass Deutschland dem Druck seiner Partner widersteht?
LIANA FIX: Nein, denn wir erleben nicht zum ersten Mal, dass Deutschland zwar Schritte vorwärtsgeht und früher gezogene rote Linien bricht, aber eben nur sehr langsam. Was wir jetzt sehen, ist eine logische Folge des bisherigen Verhaltens Deutschlands im Ukraine-Krieg und ein Symptom dafür, dass das Land in Europa keine Führungsrolle einnehmen möchte.

Das heisst, Sie erwarten, dass Deutschland letztendlich die Lieferung von Kampfpanzern zulassen wird?
Ja, denn bei all diesen Episoden wurden letzten Endes die Entscheidungen im Sinne der Ukraine gefällt. Bitter ist aber, dass sehr viel wertvolle Zeit verstreicht, bis man diesen Punkt erreicht, und dass Deutschland dabei seine Glaubwürdigkeit verspielt. Ich bin optimistisch, dass wir in der Ukraine Leopard-2-Panzer sehen werden. Es ist die Panzergattung, über die sehr viele europäische Länder verfügen und welche die Ukraine sehr gut gebrauchen kann in ihrer Offensive im Frühjahr.

Was ist denn der Grund für Deutschlands ewiges Bremsen?
Er liegt aus meiner Sicht in einer fehlerhaften Risikokalkulation. Dass man nämlich ohne die USA als Nuklearmacht, die mit Russland gleichauf ist, keinen Schritt weitergehen will. Man wartet ständig auf die USA, um ja nicht allein den Konflikt mit Putin zu eskalieren. Es soll jeder Schritt vermieden werden, der zu einer Nato-Russland-Eskalation führen könnte.​

«2023 wird es in diesem Krieg einen Wendepunkt geben.»

Ist diese Sorge unberechtigt?
Sie kann berechtigt sein, denn Putin droht ja immer wieder mit dem russischen Nukleararsenal. Im konkreten Fall aber ist unklar, weshalb Marder-Schützenpanzer erlaubt worden sind von deutscher Seite, die Leopard-Kampfpanzer aber eine Eskalation darstellen.

Das müssen Sie erklären.
Ob Marder-Schützenpanzer oder Leopard-Kampfpanzer - im Kontext des Ukraine-Kriegs werden beide genutzt zur Defensive vor einem Aggressor. Alles, was die Ukraine militärisch tut, ist Selbstverteidigung. Diese Angst, die Ukraine könnte russisches Territorium erobern wollen, ist aus meiner Sicht unbegründet. Es braucht eben auch für die Verteidigung Kampfpanzer, etwa um russische Truppen aus ihren Stellungen auf ukrainischem Staatsgebiet zu drängen.

Grossbritannien will Kampfpanzer liefern. Hat der Umstand, dass das Land Atomwaffen besitzt, Einfluss auf den Entscheid?
Nein, entscheidend ist nicht das Nuklearwaffen-Arsenal einzelner Länder, sondern das Bündnis, das gemeinsam verteidigt. Weil Artikel 5 der Nato die Mitglieder der Allianz schützt. Das heisst, im Angriffsfall stehen die Bündnispartner einem überfallenen Nato-Staat bei. Natürlich hat Grossbritannien jedoch eine andere strategische und militärische Kultur als Deutschland und daher auch eine grössere Risiko-Bereitschaft.

Die USA würden also bei einem Angriff Russlands auf Deutschland eigenes Territorium riskieren und Deutschland beistehen?
Was Sie ansprechen, ist das Prinzip der nuklearen Abschreckung. Es funktioniert insbesondere in Moskau und verhindert eben gerade die von Ihnen beschriebene Eskalationsspirale. Deshalb spielt es keine Rolle, ob die USA bei den Kampfpanzern mitziehen oder europäische Länder diesbezüglich einen allein handeln. Artikel 5 für den Bündnisfall schützt sie. Deutschland wünscht neben Artikel 5 aber offensichtlich eine zusätzliche Absicherung der USA.

Beobachter sehen Putin im Krieg mit dem Rücken zur Wand. Die Waffen werden noch in diesem Jahr knapp. Wie sehen Sie das?
Ja, tatsächlich ist Russland diesbezüglich stark herausgefordert. Es kommt nun sehr stark darauf an, wie stark Russland nachproduzieren kann und wie gross die Hilfe von Unterstützern wie Iran ist.

Darin liegt die eigentliche Idee der Mobilisierungswellen Russlands. Die Frage lautet nun natürlich, wie viel mehr Menschen kann Putin rekrutieren, ohne dass im Land die Unzufriedenheit zu gross wird. Der Effekt der Masse wird darüber hinaus relativiert, wenn das Ausbildungsniveau der Truppen so mangelhaft ist, wie es sich in der russischen Armee in den letzten Monaten gezeigt hat. Sollte das gleich bleiben, dann hat die Ukraine dank westlicher Unterstützung natürlich einen Vorteil.

«Der Krieg kann in einem Kollaps der russischen Armee oder in einer innenpolitischen Herausforderung für Präsident Putin münden.»

Wie also lautet Ihre Prognose für Jahr zwei im Ukraine-Krieg?
2023 wird es in diesem Krieg einen Wendepunkt geben. Es muss einen Wendepunkt geben, sonst droht sich der Krieg mehr und mehr in die Länge zu ziehen, was das Risiko einer Erschöpfung der Ukraine und ihrer westlichen Unterstützer birgt. Die westliche Unterstützung belegt dieses Ziel. Dank ihr bereitet sich die Ukraine nun auf eine Frühjahrsoffensive vor. Eine solche wünschenswerte Wendung könnte darin liegen, dass es der Ukraine gelingt, weitere Territorien zu befreien und die Landbrücke auf die Krim, die Russland ja weiterhin unter Kontrolle hat, zu unterbrechen. Damit würden die russischen Truppen entscheidend geschwächt.

Welchen Weg würde eine solche Wendung ebnen?
Einen Weg zu Verhandlungen oder zu Szenarien, die momentan nicht abzuschätzen sind. Der Krieg kann ebenso in einem Kollaps der russischen Armee oder in einer innenpolitischen Herausforderung für Präsident Putin münden. (bzbasel.ch)

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87 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Sir Konterbier
21.01.2023 10:36registriert April 2017
Die Deutschen sollten sich fragen wie sie vor 80 Jahren von der Tyrannei befreit wurden:

Mit Panzern, Flugzeugen und Schlachtschiffen, und nicht mit Friedensverhandlungen.
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Papisco
21.01.2023 11:22registriert Juni 2020
Hätte einen Vorschlag: Warum fängt Polen -das ja Leoparden liefern will- nicht längst erst mal an,eine ausreichende Zahl Ukrainerin Polen an diesen Panzern und für deren Unterhaltsdienste auszubilden?? Vielleicht zusammen mit Gleichgesinnten? Das werden ihnen die Deutschen doch kaum verbieten können! Bis dann endlich Schluss ist mit der Scholzerei- und das wird es- könnten Wochen und Monate gewonnen werden, in denen sonst Menschen sinnlos sterben..
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Dr. Lindic
21.01.2023 10:14registriert Juli 2017
Das zaudern Deutschlands frustiert, ja...

Aber D wurde von Russland über Jahrzente infiltriert und gefügig gemacht. Wahrscheinlich jeder Koalitionspolitiker wurde nach Ru zu Konferenzen uns Zeremonien etc eingeladen und in schicken Hotels einquartiert wo sie -zufälligerweise- auch auf schicke Damen (oder Herren) getroffen sind, die gerne auch aufs Zimmer mitkamen.

Um vor dem grossen Spiegel Sex zu haben. Natürlich nur bei eingeschaltetem Licht.

Politik kann manchmal ganz einfach sein.
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