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Iran: Morgen jährt sich der Tod von Jina Mahsa Amini

Demonstration in Paris, place du Trocadero, of Iranians from France, in solidarity with Iranian women and the protest movement in Iran, three weeks after the death of Mahsa Amini and a few days after  ...
Eine Demonstrantin auf einer Demo in Paris im letzten Herbst.Bild: imago

«Frau, Leben, Freiheit» – morgen jährt sich der Tod von Jina Mahsa Amini

Der Tod von Jina Mahsa Amini löste vor einem Jahr Entsetzen über den iranischen Sicherheitsapparat aus. Tausende gingen weltweit auf die Strasse. Was hat sich verändert?
15.09.2023, 16:3215.09.2023, 19:02
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Morgen ist der 25. Schahriwar. Es ist das Datum des persischen Kalenders, das dem 16. September entspricht. Viele Iranerinnen und Iraner fiebern seit Monaten diesem Tag entgegen. Denn am 25. Schahriwar letzten Jahres wurde die junge iranische Kurdin Jina Mahsa Amini von iranischen «Sicherheitskräften» getötet.

Sie war in Teheran wegen eines angeblichen Verstosses gegen die Kleidervorschriften der Islamischen Republik festgenommen worden. Nach ihrem «Tod in Polizeigewahrsam» ging es nicht lange, bis in Iran Tausende aus Protest auf die Strasse gingen. Zunächst ging es um die Kopftuchpflicht, doch bald schon wurde deutlich, dass es der Protestbewegung um deutlich mehr ging: ein Ende der Islamischen Republik.

Ziviler Ungehorsam

Inzwischen hat sich vor allem kulturell in Iran einiges getan. Wurde die neue Protestbewegung schnell als erste von Frauen angeführte Revolution in der Geschichte bezeichnet, so sind es jetzt auch in erster Linie Frauen, die das Regime mit mutigen Aktionen herausfordern.

Eine junge Frau spaziert ohne Kopftuch und bauchfrei mitten in Teheran, ihre Jeans sind zerrissen. Ein unverheiratetes Paar hält in aller Öffentlichkeit Händchen. Eine weitere Frau hat für die Sittenpolizei, die ihr sagt, sie solle ein Kopftuch tragen, nicht viel mehr übrig als ein: «Leckt mich doch!» Diese Szenen wurden einer BBC-Journalistin von verschiedenen Personen aus Teheran berichtet.

Ein westlicher Diplomat schätzt, dass überall in Iran nun etwa 20 Prozent der Frauen sich ohne Kopftuch in der Öffentlichkeit zeigen und damit gegen das Gesetz der Islamischen Republik verstossen. Im reichen Norden Teherans sei der Anteil noch höher. Eine junge Frau erzählt der BBC:

«Ich habe zwar immer Angst, wenn ich an der Sittenpolizei vorbeigehe, aber ich lasse es mir nicht anmerken und tue so, als hätte ich sie nicht gesehen. Ich ziehe jetzt das an, was mir gefällt, wenn ich rausgehe.»

Doch sie sei nicht leichtsinnig.

«Ich würde keine Shorts tragen. Und für den Notfall habe ich immer ein Kopftuch dabei.»

Sie kenne Frauen, die nach ihrer Verhaftung vergewaltigt worden seien – und eine Frau habe als Strafe Leichen waschen müssen.

Neue Proteste

Auf den Strassen geht der Protest weiter. Männer solidarisieren sich mit den Frauen und tragen etwa Tanktops oder Shorts, was ebenfalls verboten ist. Einzelne Männer tragen sogar Kopftücher, um die Kleidervorschrift lächerlich zu machen. Graffitis mit dem Namen von Jina Mahsa Amini oder dem Protestslogan «Frau, Leben, Freiheit» tauchen immer wieder auf.

In den sozialen Medien wird währenddessen seit Wochen dazu aufgerufen, zu Hunderttausenden am morgigen Jahrestag auf die Strasse zu gehen. Jede und jeder solle sich trauen. Das Ziel ist, eine Million mit demselben Ziel des Sturzes der Islamischen Republik auf die Strasse zu bekommen.

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Die Gesichter des Protestes gegen das Regime in Iran
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Die Gesichter des Protestes gegen das Regime in Iran
Der Auslöser für die Proteste war der Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini. Die 22-Jährige starb wohl, weil sie ihr Kopftuch nicht so getragen hatte, wie die iranischen Mullahs und das iranische Gesetz es für Frauen vorsehen. Die genauen Umstände ihres Todes sind noch unklar. Amini wurde zu einer Ikone im Kampf für Freiheit.
quelle: keystone / abedin taherkenareh
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10 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Collina_grey
15.09.2023 17:15registriert August 2023
"Ich ziehe jetzt das an, was mir gefällt, wenn ich rausgehe" Bemerkenswerter Satz, der eigentlich banal klingt, zugleich mutig in dieser Situation. Weiter so, und nicht locker lassen.
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plop
15.09.2023 17:03registriert Dezember 2015
…auf SRF gibt es eine Doku dazu.
Die machte mich so traurig, dass ich dem optimistischen Ton dieses Artikels fast nicht glauben kann…

Viel Mut und Kraft den Iraner*innen!
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Garp
15.09.2023 17:39registriert August 2018
Der Iran hat 88 mio Einwohner, da wird eine Million die sich trauen würden leider nicht reichen. Es ist sehr traurig, diese Repression und Gewalt von Zurückgebliebenen machtgeilen Typen, die dem krankhaften Sadismus frönen.
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