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Proteste und vermisster Fussballfan – das passierte am Freitag im Iran

Proteste und ein vermisster Fussballfan – das passierte am Freitag im Iran

28.10.2022, 18:52
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Entlassener Polizeichef in Sahedan

Am Freitag sind im Südosten Irans Berichten zufolge Sicherheitskräfte gewaltsam gegen protestierende Menschen vorgegangen. In weiten Teilen der Grossstadt Sahedan sollen nach dem Freitagsgebet Schüsse gehört worden sein, berichteten Augenzeugen. Die Einwohner der Stadt befürchteten viele Todesopfer. In sozialen Medien wurden Videos blutiger Szenen geteilt, deren Echtheit zunächst nicht unabhängig überprüft werden konnte. Bereits vor vier Wochen waren Sicherheitskräfte in der Stadt gewaltsam gegen Proteste vorgegangen.

Zuvor war der Polizeichef Sahedans nach Kritik von seinem Amt entlassen worden. Medien erklärten, die Entlassung sei Ergebnis einer Untersuchung nach den Protesten vom 30. September in der Stadt. Nach dem Freitagsgebet vor vier Wochen sollen in Sahedan Dutzende Menschen von Sicherheitskräften getötet worden sein. Offiziell sprachen die Behörden von einem Angriff auf eine Polizeistation und bezeichneten die Teilnehmer der Proteste als «Terroristen». Der Polizeichef habe den Angriff nicht verhindern können, lautete die Kritik.

Die ungewöhnliche Entlassung hatte jedoch auch Spekulationen ausgelöst, dass die Polizeiführung den harten Kurs abgelehnt haben könnte. Auch ein einflussreicher sunnitischer Geistlicher in Sahedan, Maulawi Abdulhamid, kritisierte jüngst den Kurs der politischen Führung in dem mehrheitlich schiitischen Land. Weitere örtliche Geistliche sollen sich seiner Kritik angeschlossen haben.

Auslöser der systemkritischen Massenproteste im Iran war im vergangenen Monat der Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verstossen haben soll. Die Frau starb am 16. September in Polizeigewahrsam. Seit ihrem Tod demonstrieren landesweit Tausende gegen den repressiven Kurs der Regierung sowie das islamische Herrschaftssystem.

Weitere Proteste in Teheran

Auch in der Hauptstadt Teheran waren in der Nacht zu Freitag wieder zahlreiche Menschen auf den Strassen. Vielerorts solidarisierten sich Bewohner auch von den Balkonen mit den Demonstrantinnen und Demonstranten, wie Augenzeugen berichteten. Sicherheitskräfte sollen daher Berichten zufolge auch auf Wohnungen geschossen haben.

Neben Protestslogans riefen einige Leute auch nach einem Referendum. Viele Menschen fordern jedoch weiterhin den Sturz des Systems. Es gilt als äusserst unwahrscheinlich, dass Irans Führung Zugeständnisse macht und gesellschaftliche Lockerungen beschliesst.

Vermisster Fussballfan

Ein spanischer Fussballfan, der von seiner Heimat aus zu Fuss auf dem Weg zur Weltmeisterschaft in Katar war, ist mutmasslich im Iran verschwunden.

Santiago Sánchez Cogedor hatte sich zuletzt am 1. Oktober auf Instagram gemeldet – zu der Zeit befand er sich im Nordirak an der Grenze zum Iran. Man wisse nicht, wo der Spanier nun sei, sagte eine Sprecherin des spanischen Aussenministeriums. Die spanische Botschaft in Teheran stehe mit den iranischen Behörden und den Angehörigen in Spanien im Kontakt.

Die Nachrichtenagentur Europa Press und andere spanische Medien berichteten jedoch unter Berufung auf die Mutter des Vermissten, ihr Sohn sei im Iran im Gefängnis. Es gehe ihm gut und der spanische Botschafter in Teheran wolle ihn im Gefängnis besuchen. Die Botschaft bemühe sich um die Freilassung. Vor wenigen Wochen hatten die Sicherheitsbehörden die Festnahme mehrerer europäischer Staatsbürger im Zusammenhang mit den systemkritischen Protesten gemeldet.

Proteste in Schiras nach Anschlag

epa10271227 Thousands of Iranians take part during a pro-government rally against the recent terror attack and anti-government protests in Iran, after Friday's prayer in Tehran, Iran, 28 October  ...
Tausende Regierungsanhänger protestieren am Freitag in Schiras.Bild: keystone

Am Freitag demonstrierten Regierungsanhänger bei staatlich organisierten Protesten nach dem Anschlag vom Mittwoch in der Millionenstadt Schiras. Bei dem Anschlag, den die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) für sich reklamierte, wurden 13 Menschen getötet und Dutzende verletzt. Teheran gibt seinen Erzfeinden USA und Israel sowie den Demonstranten eine Mitschuld an der Attacke und kündigte Rache an. Viele Iraner befürchten, dass Sicherheitskräfte nach dem Anschlag noch härter bei Demonstrationen durchgreifen. (sda/dpa/lst)

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Die Gesichter des Protestes gegen das Regime in Iran
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Die Gesichter des Protestes gegen das Regime in Iran
Der Auslöser für die Proteste war der Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini. Die 22-Jährige starb wohl, weil sie ihr Kopftuch nicht so getragen hatte, wie die iranischen Mullahs und das iranische Gesetz es für Frauen vorsehen. Die genauen Umstände ihres Todes sind noch unklar. Amini wurde zu einer Ikone im Kampf für Freiheit.
quelle: keystone / abedin taherkenareh
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Feuer bei Protesten im Iran
Video: watson
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