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«Schande über Irland gebracht»: Krawalle erschüttern Dublin

Debris is cleared from a burned out Luas and bus on O'Connell Street, in the aftermath of violent scenes in the city centre on Thursday evening, in Dublin, Friday, Nov. 24, 2023. The unrest came  ...
Schwarze Tage für Dublin: Arbeiter beseitigen die Reste eines komplett ausgebrannten Busses in der irischen Hauptstadt.Bild: keystone

«Schande über Irland gebracht»: Rechtsextreme Krawalle erschüttern Dublin

24.11.2023, 15:23
Julia Kilian und Christoph Meyer / Dpa
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Eine Strassenbahn ausgebrannt. Schaufenster zertrümmert. Mehrere Läden geplündert. In der irischen Hauptstadt Dublin ist es in der Nacht zum Freitag zu Ausschreitungen gekommen – mehr als 30 Menschen wurden festgenommen.

A damaged Luas with smashed windows and covered in debris is seen on O'Connell Street in the aftermath of violent scenes in the city centre on Thursday evening, in Dublin, Friday, Nov. 24, 2023.  ...
Bild: keystone

«Das sind Szenen, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht gesehen haben», sagte Polizeichef Drew Harris am Morgen danach.

Zu den Ausschreitungen war es gekommen, nachdem ein Angreifer am Donnerstagnachmittag drei Kinder und eine Lehrerin attackiert und teils schwer verletzt hatte. Ein fünfjähriges Mädchen und die Frau wurden mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht. Zwei weitere Kinder erlitten leichtere Verletzungen. Auch der etwa 50 Jahre alte Tatverdächtige wurde verletzt – er konnte von Passanten überwältigt und bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten werden. Das Motiv der Tat war den Ermittlern zufolge zunächst unklar.

Spekulationen in sozialen Medien

Der Polizei zufolge begannen die Ausschreitungen aus einer Menge heraus, die sich um die Absperrbänder am Tatort nach der Bluttat versammelt hatten. Die Ausschreitungen waren Polizeiangaben zufolge teils rechtsextrem motiviert, nachdem es in sozialen Medien Spekulationen über die Nationalität des mutmasslichen Täters gegeben hatte. Polizeichef Harris sprach konkret von rechtsextremen Hooligans.

A bus and car on fire after violent scenes unfolded in Dublin city center, Thursday Nov. 23, 2023 following a knife attack. A 5-year-old girl is receiving emergency medical treatment in a Dublin hospi ...
Im Zentrum von Dublin kam es gestern Nacht zu Ausschreitungen.Bild: keystone

Die Polizei machte zur Staatsangehörigkeit des Mannes zunächst keine Angaben und verwies auf die laufenden Ermittlungen. Justizministerin Helen McEntee sagte dem Sender RTÉ, ein gewalttätiger Mob habe das Ziel gehabt, Verwüstung anzurichten. Um Mitternacht sei die Ordnung wiederhergestellt gewesen.

Chaotische Szenen in Dublin

Bilder zeigen das angekohlte Gerüst einer Strassenbahn und eingeschlagene Scheiben, Arbeiter kehrten am Freitagmorgen Trümmer zusammen. Nach Angaben der Polizei wurden elf Einsatzwagen und mehrere Busse beschädigt. Dreizehn Läden seien angegriffen oder geplündert worden – vor allem Sportgeschäfte wurden nach Angaben des Polizeichefs ins Visier genommen.

Einige Randalierer haben Feuerwerkskörper abgefeuert oder mit Stühlen und Hockern von Bars und Restaurants um sich geschmissen, wie die britische Nachrichtenagentur PA berichtete. Mehrere Beamte wurden verletzt. Die Polizei nahm 34 Menschen fest.

Regierungschef: Randalierer sind keine Patrioten

Regierungschef Leo Varadkar verurteilte die Ausschreitungen. Seinen Angaben zufolge beteiligten sich rund 500 Menschen und rund 400 Polizisten seien im Einsatz gewesen. «Diejenigen, die beteiligt waren, haben Schande über Dublin gebracht», sagte Varadkar. Sie hätten Schande über Irland, ihre Familien und sich selbst gebracht.

Taoiseach Leo Varadkar speaks at the British-Irish Council to condemn the violence in Dublin City Centre on Thursday night, at Dublin Castle, Friday Nov. 24, 2023. (Gr�inne N� Aodha/PA via AP)
Leo Varadkar äussert sich zu den Ausschreitungen.Bild: keystone

«Diese Kriminellen haben das, was sie getan haben, nicht getan, weil sie Irland lieben», so der Regierungschef weiter. «Sie haben das nicht gemacht aus irgendeinem Gefühl von Patriotismus.» Sie hätten es getan, weil sie von Hass erfüllt seien, weil sie Gewalt und Chaos liebten.

Nach Meinung von Polizeichef Harris haben soziale Medien dazu beigetragen, dass die Situation nach dem Messerangriff eskalierte. Man sehe dort ein Element von Radikalisierung, es würden wenige Fakten genommen und daraus würden sehr viele Annahmen gemacht.

Polizeichef verteidigt Vorgehen

Harris verteidigte die Arbeit seiner Einsatzkräfte. Auf die Frage, ob die Polizei versagt habe, antwortete er, man habe nicht vorhersehen können, dass so auf ein furchtbares Verbrechen reagiert werde. «Niemand hätte das vorhersehen können.» Er rief die Menschen nach der Eskalation dazu auf, wieder in die Stadt und zur Arbeit zu gehen. «Wir können nicht zulassen, dass die Stadt den Schlägern und Plünderern und Brandstiftern überlassen wird.»

Die Polizei setzte zudem ihre Ermittlungen zur Messerattacke fort. Regierungschef Varadkar bezeichnete die Passanten, die sich dem Angreifer entgegengestellt hatten, als Helden. Ein Mann benutzte Berichten zufolge seinen Motorradhelm, um auf den Angreifer einzuschlagen. Nach weiteren Verdächtigen wurde zunächst nicht gesucht.

Das Motiv für den Messerangriff sei noch unklar, hatte Harris vor Journalisten betont. Nichts könne ausgeschlossen werden. Zuvor hatten die Aussagen eines Polizeisprechers den Eindruck erweckt, ein terroristischer Hintergrund sei unwahrscheinlich. (saw/sda/dpa)

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50 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bruno Meier (1)
24.11.2023 18:00registriert Juni 2018
Ich denke da sind wir alle gleicher Meinung, das sind Kriminelle. Denn wer Polizeibeamte mit Pflastersteinen, Molotowcocktails, Feuerwerk oder Eisenstangen und ähnlichen Waffen angreift, gehört verurteilt. Denn, wer mit Vorsatz versucht, schwere Körperverletzung zu begehen, gehört eingesperrt (Raser, welche niemanden verletzen wollen, es aber in Kauf nehmen, werden ja auch hart angefasst). Genau so, beschädigen von Fahrzeuge/Gebäude, Plünderungen, etc. muss richtig bestraft werden.
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Stan_
24.11.2023 21:22registriert Juli 2017
Nachdem im Text mehrfach von einer „Strassenbahn“ die Rede ist, könnte man nun aus dem „Bus“ in der ersten Bildbeschreibung auch noch ein „Tram“ machen.
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Baba ♀️
24.11.2023 18:22registriert Januar 2014
Es geht den rechten Krawallbrüdern vor allem um Immigranten, die sie glauben bekämpfen zu müssen. Ironischerweise war es aber ein Immigrant, der mit Hilfe seines Motorradhelms den Messerstecher ausser Gefecht gesetzt hat und so noch schlimmeres verhindert hat.

Wie traurig für diese schöne Stadt, ich war im August wieder mal da und habe jeden Moment genossen.
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