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Mindestens vier Tote bei Militäroffensive Israels im Westjordanland

Mindestens sieben Tote bei Militäroffensive Israels im Westjordanland

03.07.2023, 07:4503.07.2023, 12:33
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Bei einem grossangelegten israelischen Militäreinsatz in der Stadt Dschenin im Westjordanland sind mindestens acht Palästinenser getötet worden. Rund 50 weitere seien verletzt worden, davon zehn in kritischem Zustand, teilte das palästinensische Gesundheitsministerium am Montag mit.

Unklar war zunächst, ob es sich bei den Toten um Kämpfer militanter Islamisten oder unbeteiligte Anwohner handelte. Die Operation «Heim und Garten», die sich nach israelischen Angaben gegen «terroristische Infrastruktur» richtete, dauerte am Montagmorgen noch an. Die Region um Dschenin und das dazugehörende Flüchtlingslager mit rund 17'000 Einwohnern gelten seit Jahren als Hochburg militanter Palästinenser.

Mehrere gezielte Luftangriffe in der Nacht hätten unter anderem ein Waffenlager, einen Versammlungsort für Terroristen und ein auch als Beobachtungsposten genutztes Kommando- und Kommunikationszentrum getroffen, teilte die Armee mit.

Auf Videos waren mehrere zerstörte Strassen zu sehen. Auch das «Freedom Theatre» im Zentrum der Stadt wurde getroffen, wie die Kultureinrichtung bestätigte. Israels Armee war kurz nach den Luftangriffen mit Bodentruppen und rund 100 Militärfahrzeugen in die Stadt eingerückt. Palästinensischen Berichten zufolge kam es daraufhin zu gewaltsamen Kämpfen mit Bewohnern.

Der Sprecher des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, Nabil Abu Rudeineh, verurteilte den israelischen Einsatz und sprach von einem «neuen Kriegsverbrechen». Er rief die internationale Gemeinschaft auf, «ihr beschämendes Schweigen zu brechen und ernsthafte Massnahmen zu ergreifen».

epa10703679 An Israeli soldier stands guard as smoke rises from the Palestinian town Turmus Aya, next to the Israeli settlement of Eli in the West Bank, 21 June 2023. Four people were killed in a Pale ...
Ein israelischer Soldat (Symbolbild).Bild: keystone

Der israelische Armeesprecher Richard Hecht sagte, die Operation werde «so lange wie nötig» dauern. Demnach konzentriere sich die Armee auf das Flüchtlingslager in Dschenin. Dort seien in der Nacht «mindestens sieben Terroristen neutralisiert» worden. Unklar war, ob sie getötet wurden. Laut Hecht wurden seit letztem Jahr mehrere Dutzend Angriffe auf Israelis von Bewohnern des Lagers ausgeführt.

Neben der im Gazastreifen herrschenden Hamas haben in den letzten Jahren auch der militante Islamische Dschihad sowie weitere lose Gruppierungen in Dschenin massiv an Einfluss gewonnen. Finanziert werden sie grösstenteils vom Iran. Die Hamas rief am Morgen zur Mobilisierung der Palästinenser im Westjordanland auf und sicherte ihren Kämpfern in Dschenin Unterstützung zu. Ein Sprecher der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad teilte mit: «Solange diese Aggression nicht aufhört, werden die Reaktionsmöglichkeiten breit und umfassend sein».

Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant teilte mit, die Armee werde in Dschenin weiter «proaktiv und entschlossen vorgehen». Israels Verteidigungsapparat sei auf jedes Szenario vorbereitet.

Die Sicherheitslage in Israel und den palästinensischen Gebieten ist seit langem angespannt und hatte sich zuletzt nochmals verschärft. Unter anderem aus der Regierung wurden zuletzt Rufe nach einer grossangelegten Militäroffensive laut.

Nach einem tödlichen Anschlag zweier Palästinenser auf vier Israelis im Westjordanland vor knapp zwei Wochen kam es dort immer wieder zu massiver Gewalt wütender israelischer Siedler gegen Palästinenser. Zudem führte das Militär erstmals wieder seit Jahrzehnten einen gezielten Luftangriff gegen Palästinenser im Westjordanland durch.

Seit Beginn des Jahres kamen mehr als zwei Dutzend Menschen bei Anschlägen von Palästinensern ums Leben. Im gleichen Zeitraum wurden mehr als 140 Palästinenser bei Konfrontationen, israelischen Militäreinsätzen oder nach eigenen Anschlägen erschossen.

Israel eroberte das Westjordanland und Ost-Jerusalem während des Sechstagekrieges 1967. Die Palästinenser fordern die Gebiete für einen eigenen Staat. (sda/dpa)

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