Nach der Freilassung zweier US-Geiseln aus Gefangenschaft der islamistischen Hamas im Gazastreifen hat sich Vermittler Katar optimistisch zu einer möglichen Freilassung weiterer Zivilisten geäussert. «Wir sind auf einem Weg, der sehr bald zur Freilassung der Geiseln, insbesondere der Zivilisten, führen wird», sagte Madschid al-Ansari, Sprecher des katarischen Aussenministeriums, der «Welt am Sonntag».
Katar hatte die Freigabe der beiden US-Bürger nach Angaben von Hamas und der US-Regierung vermittelt. Es handelte sich um die erste Freilassung von Geiseln der Hamas im Gazastreifen seit dem Terrorangriff der Organisation auf Israel am 7. Oktober, bei dem mehr als 200 Menschen verschleppt wurden.
Die Freilassung bestätige die prinzipielle Bereitschaft der Hamas, die Geiseln freizugeben, sagte Al-Ansari. «Wir arbeiten derzeit an einer Vereinbarung, nach der zunächst alle zivilen Geiseln freigelassen werden sollen», sagte Al-Ansari.
Dass Katar jetzt – wie schon nach der Machtübernahme durch die Taliban in Afghanistan 2021 – wieder als Vermittler gefragt ist, hat mit seinen Beziehungen zu islamistischen Gruppierungen auf der einen Seite und zu westlichen Staaten auf der anderen Seite zu tun.
Der arabische Golfstaat gehört seit etwa 15 Jahren zu den wichtigsten Unterstützern der Hamas. Die Hilfe besteht anders als im Falle des Iran aber nicht aus Waffenlieferungen. Vielmehr greift das reiche Emirat der islamistischen Bewegung vor allem politisch unter die Arme und leistet finanzielle Hilfe.
Zwei Wochen nach Kriegsbeginn hat die Hamas die beiden US-amerikanischen Geiseln Judith Tai Raanan und ihre Tochter Natalie Shoshana Raanan freigelassen.
Das Büro von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu teilte mit, der israelische Verantwortliche für die Entführten und Vermissten, Brigadegeneral Gal Hirsch, habe die beiden an der Grenze des Gazastreifens in Empfang genommen. Auf einem Foto sind sie Hand in Hand mit Hirsch zu sehen, begleitet von Soldaten. Die Hamas veröffentlichte zudem ein Video von der Geiselübergabe.
Israels Militär schrieb am Samstag zur Freilassung der beiden US-Geiseln auf Telegram:
Der militärische Arm der Hamas hatte zuvor die Freilassung der zwei US-Staatsbürgerinnen als «Reaktion auf die Bemühungen Katars» angekündigt.
Israel will nach den verheerenden Terroranschlägen der Hamas die militärischen Fähigkeiten sowie die Herrschaft der islamistischen Organisation ausschalten. Mehr als 1400 Menschen fielen in Israel den Hamas-Angriffen zum Opfer. Mindestens 203 Menschen, darunter auch mehrere Deutsche, wurden zudem entführt.
Seit den Hamas-Angriffen bombardiert Israel Ziele im Gazastreifen. Dabei starben seit dem 7. Oktober nach jüngsten Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums im Gazastreifen 4137 Menschen, davon 70 Prozent Kinder und Frauen. Mehr als 1000 Menschen würden vermisst. Sie befänden sich vermutlich unter den Trümmern.
Derweil nimmt der Druck auf Israel zu, eine Bodenoffensive in der hermetisch abgeriegelten Küstenenklave aufzuschieben, um mehr Zeit für die Freilassung weiterer von der Hamas festgehaltenen Geiseln zu gewinnen, wie das «Wall Street Journal» berichtete. Israel wird an dem «Gipfel für den Frieden» in Ägypten, dem zahlreiche Staats- und Regierungschefs der Nahostregion sowie Vertreter der UN und auch die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock beiwohnen werden, nicht teilnehmen. Man sei nicht eingeladen und nehme auch nicht teil, so ein Sprecher.
Derweil stecken Hilfsgüter für die Menschen im Gazastreifen weiter in Ägypten fest. Grund seien Auflagen, die an die Öffnung des Grenzpostens und die Weiterleitung zu den Bedürftigen gestellt worden seien, sagte UN-Generalsekretär António Guterres vor dem Grenzübergang Rafah auf ägyptischer Seite. «Hinter diesen Mauern haben wir zwei Millionen Menschen, die enorm leiden», sagte Guterres.
Der Krieg zwischen Israel und der Hamas und die drohende regionale Ausweitung könnte laut einem Experten den Westen und den Rest der Welt noch weiter auseinandertreiben. «Global betrachtet droht der Krieg in Nahost die Feinde einer regelbasierten Weltordnung weltweit zu stärken», sagte der Israel-Experte Stephan Vopel von der Bertelsmann Stiftung der Deutschen Presse-Agentur.
Der Iran, aber auch China und Russland profitierten von einer «anti-israelischen Stimmungsmache unter den Bevölkerungen arabischer und muslimischer Staaten».
Zugleich drohe der Konflikt «die Annäherung des Westens an die Staaten des Globalen Südens zu gefährden», weil dem Westen eine einseitige Parteinahme zugunsten Israels vorgeworfen werde, so Vopel.
(dsc/sda/dpa)