International
Israel

Hunger quält Menschen im Gazastreifen - Israel sieht Hamas angezählt

epaselect epa11020744 A view of destroyed buildings after an air strike by Israeli forces in the northern Gaza Strip, as seen from Sderot, Israel, 10 December 2023. Israeli forces resumed military str ...
Der Generaldirektor der WHO fordert eine Feuerpause.Bild: keystone

Hunger quält Menschen im Gazastreifen, es gibt kaum noch humanitäre Hilfe

10.12.2023, 17:0510.12.2023, 17:07
Mehr «International»

Angesichts der immer katastrophaleren Lage im Gazastreifen wächst der Druck auf Israel, bei der Bekämpfung der islamistischen Hamas mehr Rücksicht auf die Zivilbevölkerung zu nehmen. Die israelische Armee verbreitete Erfolgsmeldungen. «Wir rücken an die Kommandozentralen der Hamas heran», sagte Israels Nationaler Sicherheitsberater Zachi Hanegbi. Regierungschef Benjamin Netanjahu bekräftigte das Ziel, die Hamas zu zerschlagen und die Geiseln zu befreien. Dafür werde der Krieg «mit grösserer Intensität» fortgesetzt.

Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, forderte bei einer Sondersitzung des WHO-Exekutivrats am Sonntag in Genf jedoch eine neue Feuerpause. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) betonte, es könne kaum noch humanitäre Hilfe für die Bevölkerung leisten. Und die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock warnte vor den Folgen. «Wir sehen auf dramatische Art und Weise nicht nur das Leid, sondern der Hunger nährt auch weiteren Terrorismus», sagte sie in Dubai. In einem Interview des Deutschlandfunks rief sie arabische Staaten auf, die Hamas dazu zu bewegen, die Waffen niederzulegen.

Auslöser des Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen verübt hatten. Mehr als 1200 Menschen wurden dabei getötet. Durch die darauf folgenden israelischen Angriffe auf den Gazastreifen starben nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums inzwischen 17 700 Menschen.

OCHA: Umgebung des europäischen Gaza-Krankenhaus unter Beschuss

Ziele in der Nähe des europäischen Gaza-Krankenhauses und des Al-Amal-Krankenhauses im Süden des Küstenstreifens sind nach Informationen des UN-Nothilfebüros OCHA wiederholt beschossen worden. Dutzende Verletzte hätten deshalb die Notaufnahmen nicht erreichen können, berichtete OCHA am Sonntag. Die beiden Krankenhäuser sind ebenso wie andere Spitäler völlig überfüllt. Nach Schätzungen des UN-Hilfswerks für Palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) mussten 85 Prozent der einst rund 2.2 Millionen Einwohner aus ihren Häusern fliehen, weil sie beschädigt oder zerstört wurden oder weil Israel wegen der Kämpfe zur Räumung von Gebieten aufgerufen hatte.

Palestinians look at buildings destroyed in the Israeli bombardment of Al Zawayda, central Gaza Strip, on Sunday, Dec. 10, 2023. (AP Photo/Hatem Moussa)
Zerstörung im Gazastreifen.Bild: keystone

Palästinenser: Mehr als 30 Tote bei Luftangriff auf Gebäude

Nach palästinensischen Angaben wurden bei einem israelischen Luftangriff auf ein Wohnhaus in dem Flüchtlingsviertel Dschabalia im Norden des Gazastreifens mindestens 31 Menschen getötet. Die israelische Armee äusserte sich zunächst nicht dazu. Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde teilte unterdessen mit, in das Al-Aksa-Krankenhaus im zentralen Teil des Gazastreifens seien seit Samstagabend 45 Leichen gebracht worden, die bei israelischen Angriffen getötet worden seien.

Nun auch israelische Artillerie-Einheiten im Gazastreifen

Die israelische Armee teilte am Sonntag mit, erstmals seit Beginn des Krieges vor mehr als zwei Monaten seien Truppen der Artillerie auch innerhalb des Gazastreifens im Einsatz, ergänzend etwa zu Panzer- und Bodentruppen. Bislang war die Artillerietruppe von der Grenzlinie aus im Einsatz. Bei Einsätzen im Bereich von Schedschaija seien mehr als 20 Ziele angegriffen worden. Dabei handele es sich um Waffenlager, mit Sprengfallen präparierte Häuser sowie Infrastruktur der islamistischen Terrororganisation Hamas.

Die Armee veröffentlicht seit Tagen auf Telegram Videos und Fotos vom riskanten Häuserkampf gegen die Hamas. In den teils engen Gassen der Orte im Gazastreifen kommt es dabei zu einem Nahkampf von Tür zu Tür mit Maschinenpistolen, Handgranaten und Panzerfäusten. Immer wieder werden dabei auch Eingänge zu Hamas-Tunneln in Schulen oder Wohnhäusern sowie umfangreiche Waffenfunde gezeigt. Sogar von Waffen, die in Plüschtieren versteckt seien, wurde berichtet. Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Hamas-Chef Sinwar bisher nicht gefasst

Den Chef der Hamas im Gazastreifen, Jihia Sinwar, konnten die Israelis bisher nicht aufspüren. Er soll sich kurz nach Beginn des Krieges in einem Hilfskonvoi in den Süden des abgeriegelten Küstenstreifens abgesetzt haben, meldeten israelische Zeitungen unter Berufung auf Informationen des Senders Kan. Israels Armee ist dabei, öffentlich den Eindruck zu vermitteln, dass die Hamas ins Schwanken geraten ist. Armeesprecher Daniel Hagari erklärte, Terroristen, die sich ergeben haben, hätten ausgesagt, dass sich die Kämpfer in einer «schwierigen Lage» befänden und die Hamas-Führung unter Sinwar die «Realität leugnet». Keine dieser Angaben kann von unabhängiger Seite überprüft werden.

FILE - Yahya Sinwar, head of Hamas in Gaza, greets his supporters upon his arrival at a meeting in a hall on the sea side of Gaza City, on April 30, 2022. Since Hamas fighters carried out the deadlies ...
Von ihm fehlt jede Spur: Hamas-Chef Jihia Sinwar.Bild: keystone

In der Nacht zum Sonntag kursierte ein Video aus dem nördlichen Gazastreifen im Internet, auf dem laut der «Times of Israel» ein mutmasslicher Hamas-Kämpfer zu sehen sei. Der Mann tritt aus einer Reihe anderer Männer, die wie er nur mit Unterhose bekleidet sind, mit erhobener Waffe hervor, geht an einem Panzer vorbei und legt sie vor einem israelischen Soldaten nieder. Die Szene zeige, wie sich die Männer den israelischen Truppen ergeben, hiess es in dem Bericht. Ihre Identität konnte jedoch zunächst nicht unabhängig überprüft werden. Israelische Einheiten seien sehr nah an Kommandozentralen der Hamas in Dschabalia und Schedschaija herangerückt, sagte derweil Hanegbi. Es seien bereits 7000 Hamas-Terroristen getötet worden. Eine totale Niederlage der Hamas werde auch den Weg zur Befreiung von derzeit noch 138 Geiseln aus der Gewalt der Islamisten frei machen.

Extremistische Palästinenser setzten allerdings auch am Sonntag ihre Raketenangriffe auf israelische Grenzorte fort.

Ägyptenwahl von Krieg überschattet

Der Gaza-Krieg überlagert auch Ägyptens Präsidentenwahl, die am Sonntag begonnen hat. Es wird erwartet, dass Amtsinhaber Abdel Fattah al-Sisi die Wahl erneut für sich entscheiden wird. In Ägypten gibt es die Sorge, dass die zu seinem Land gehörende und an Gaza grenzende Sinai-Halbinsel zum Ausgangsort neuer Angriffe auf Israel werden könnte, wenn Bewohner des Küstenstreifens wegen des Krieges dorthin flüchten. Gleichzeitig befürchtet die Regierung in Kairo, dass aus einer Massenflucht eine dauerhafte Vertreibung werden könnte. (sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
28 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
28
«Das ist unmenschlich!»: Schwere Vorwürfe in der Syrien-«Arena» – und mittendrin ein Syrer
Diktator Baschar al-Assad ist gestürzt. Und jetzt? Syrer zurückschaffen, findet die SVP. Unmenschlich, finden die anderen. Für die Politiker in der SRF-«Arena» ist die Diskussion ein Polit-Theater von vielen. Für Syrer Husam Kelzi wird über seine Zukunft entschieden. Eine quälende Sendung.

Verfolgung, Unterdrückung, Überwachung, Folter, Mord. So sah das Leben für Syrerinnen und Syrer unter Diktator Baschar al-Assad aus. 24 Jahre lang. Rechnet man hinzu, dass davor sein Vater Hafiz al-Assad über Syrien herrschte, ergibt sich eine Schreckensherrschaft von 57 Jahren.

Zur Story