International
Israel

Israel: Netanjahu kündigt nach Terroranschlag Politik der harten Hand an

Netanjahu kündigt nach Terror-Anschlag in Israel Politik der harten Hand an

29.01.2023, 15:52
Mehr «International»

Nach dem schlimmsten Anschlag eines Palästinensers seit anderthalb Jahrzehnten hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Politik der harten Hand angekündigt. «Wir suchen keine Eskalation, aber wir sind auf alle Möglichkeiten vorbereitet», sagte der Chef der neuen Rechtsregierung am Sonntag in Jerusalem.

«Unsere Antwort auf Terror sind eine harte Hand und eine starke, schnelle und gezielte Reaktion.» International gibt es nach dem Anschlag von Freitagabend mit mindestens sieben Todesopfern Sorgen vor einer neuen Eskalation der Gewalt im Nahen Osten.

Schwerster Anschlag eines Palästinenser seit 15 Jahren

Der Angriff auf Besucher einer Synagoge in Ost-Jerusalem war der palästinensische Anschlag mit den meisten Todesopfern seit 2008. Am Abend des internationalen Holocaust-Gedenktags eröffnete der Mann das Feuer auf Israelis, die nach dem Schabbat-Gebet gerade eine Synagoge verliessen. Sieben Menschen wurden getötet und drei verletzt, darunter ein 15-Jähriger. Unter den Toten ist auch eine Frau, die aus der Ukraine stammte. Der 21 Jahre alte Attentäter aus Ost-Jerusalem wurde von Polizisten noch am Tatort erschossen. Mehr als 40 Menschen aus seinem Umkreis wurden festgenommen.

Vergeltung für tödliche Razzia in Dschenin

Der Anschlag geschah nur einen Tag nach einer Razzia der israelischen Armee in Dschenin, bei der insgesamt zehn Palästinenser getötet wurden - darunter auch Mitglieder der militanten Gruppierung Islamischer Dschihad, die sich ein Feuergefecht mit den Soldaten geliefert hatten. Damit wurden seit Jahresbeginn 33 Palästinenser bei Konfrontationen mit der Armee oder eigenen Anschlägen getötet.

Auf den Anschlag bei der Synagoge reagierten Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland mit Freudenfeiern. Ein Sprecher der im Gazastreifen herrschenden radikalislamischen Hamas bezeichnete ihn als «Vergeltung für den Überfall der israelischen Armee auf das Flüchtlingslager Dschenin».

Am Samstag kam es dann zu weiteren Anschlägen: Ein 13-jähriger Palästinenser verletzte zwei Israelis in Ost-Jerusalem. Einer von ihnen schoss auf den Jungen, der anschliessend medizinisch versorgt wurde. In der Siedlung Kedumim im nördlichen Westjordanland wurde ein Palästinenser bei einer Messerattacke erschossen.

Schärfere Massnahmen gegen Familien von Attentätern

Israelische Sicherheitskräfte versiegelten in der Nacht zum Sonntag das Haus des Attentäters in Ost-Jerusalem. Damit wurde eine nur wenige Stunden alte Entscheidung des israelischen Sicherheitskabinetts umgesetzt: Die Wohnungen oder Häuser von Attentätern sollen künftig sofort versiegelt und dann zerstört werden.

Netanjahu kündigte zudem an, Angehörigen von Attentätern, die Terror unterstützten, soziale Rechte zu entziehen. Weitere mögliche Schritte seien der Entzug israelischer Identitätskarten und des Aufenthaltsrechts. Palästinenser aus Jerusalem haben oft ein Aufenthaltsrecht in Israel, aber nur selten die Staatsbürgerschaft. Auf Entscheidung des Sicherheitskabinetts sollen Israelis zudem leichter Lizenzen für Schusswaffen bekommen. Die Armee beschloss am Sonntag, zur Verstärkung der Polizei zwei Kompanien nach Jerusalem und in Ortschaften nahe des Westjordanlands zu verlegen. Aus Sorge vor neuen Anschlägen gilt bei der Polizei höchste Alarmbereitschaft.

Herausforderung für Israels ultrarechte Regierung

Israels Regierung – die am weitesten rechts stehende, die das Land je hatte – ist erst seit einem Monat im Amt. Seitdem ist der Konflikt mit den Palästinensern noch einmal gefährlich eskaliert. Die Gewaltwelle hatte allerdings schon in der Amtszeit der liberaleren Vorgängerregierung mit einer Serie von Anschlägen begonnen.

Die weitere Eskalation der Gewalt sei ein «Albtraum» für den neuen rechtsextremen Polizeiminister Itamar Ben-Gvir, schrieb Politikexperte Avi Issacharoff am Sonntag auf der Nachrichtenseite ynet. Ben-Gvir hat seinen Wählern versprochen, mit einem harten Kurs gegen Palästinenser für Ruhe zu sorgen. Nun müsse er jedoch am eigenen Leib erfahren, dass es in dem Konflikt keine Zauberlösungen gebe, so Isacharoff. Wenn junge Palästinenser bereit seien, bei einem Anschlag zu sterben, «dann wird auch die Versiegelung eines Hauses oder seine Zerstörung nicht den nächsten Anschlag verhindern».

Für einen versöhnlicheren Ansatz in den Beziehungen mit den Palästinensern hätte Netanjahu bei seinen ultrarechten Koalitionspartnern kaum Rückhalt.

Mit Siedlungsausweitung auf Konfrontationskurs mit den USA

Im Einklang mit seinen radikalen Partnern kündigte Netanjahu am Sonntag auch eine Ausweitung des israelischen Siedlungsprojekts in den besetzten Gebieten an. Damit wolle man «den Terroristen, die uns aus unserem Land entwurzeln wollen, klarmachen, dass wir hier bleiben».

Damit begibt er sich jedoch auf Konfrontationskurs mit Israels wichtigstem Bündnispartner, den USA. US-Aussenminister Antony Blinken, der am Montag in Israel erwartet wird, hatte die Siedlungspolitik im besetzten Westjordanland erst im vergangenen Monat mit deutlichen Worten kritisiert. «Wir werden uns auch weiterhin unmissverständlich allen Handlungen entgegenstellen, die die Aussichten auf eine Zweistaatenlösung untergraben.»

Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben heute mehr als 600 000 israelische Siedler. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen unabhängigen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt.

Die neue Eskalation der Gewalt kommt zu einer Zeit der tiefen internen Spaltung in Israel. Trotz der Angriffe protestierten am Samstagabend wieder Zehntausende gegen die geplante Justizreform, die viele für eine Gefahr für die Demokratie halten. Zum Gedenken an die Anschlagsopfer zündeten Demonstranten in Tel Aviv Kerzen an und hielten eine Schweigeminute ein. (sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die Israel-Palästina-Eskalation im Mai 2021 in Bildern
1 / 17
Die Israel-Palästina-Eskalation im Mai 2021 in Bildern
Der Nahostkonflikt in Israel und in den Palästinensergebieten ist wieder aufgeflammt. Auslöser war dieses Mal ein Gerichtsstreit über ein Wohnquartier. Nach gewaltsamen Protesten eskalierte die Lage, die Hamas begann mit Raketenbeschuss, die israelische Luftwaffe antwortete mit Luftschlägen. Die Folge letzterer sieht man hier im Bild, aufgenommen in Gaza City am 11. Mai.
quelle: keystone / mohammed saber
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Stier rennt durch Bank in Israel und stiftet Chaos
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
24 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
stormcloud
29.01.2023 16:22registriert Juni 2021
Das hat er sich doch schon immer gewünscht, der Herr Netanjahu.
Jetzt hat er ein Team, dass seine Politik der "harten Hand" willfährig unterstützt.
Die Hardliner auf beiden Seiten werden ein neues Blutbad anrichten - einfach schrecklich, dass da nicht mal Frieden und Koexistenz sein kann 😧
327
Melden
Zum Kommentar
avatar
N. Y. P.
29.01.2023 18:17registriert August 2018
Jetzt kann er sich wieder ausleben und austoben. Jetzt kann er seine Kampfjets wieder steigen lassen. Er ist wieder in seinem Element.
3011
Melden
Zum Kommentar
avatar
Keller Baron
29.01.2023 21:22registriert Juni 2014
„Die Wohnungen oder Häuser von Attentätern sollen künftig sofort versiegelt und dann zerstört werden.“

Was die Familie der Täter dafür können ist echt fraglich. Aber klar, lasst einfach die Familie auch bestrafen, in dem man ihnen das Zuhause nimmt. Es ist ja nicht so, als würden die Israelis nicht schon genug Häuser und Wohnung von Palästinensern wegnehmen.

Es ist echt übel, dass man international nicht gleich wie in anderen Konflikten durchgreift!
2710
Melden
Zum Kommentar
24
Was hat Stonehenge mit dem Mond zu tun? Ein seltenes Phänomen könnte das Rätsel lösen

Stonehenge ist wohl der berühmteste Steinkreis der Welt. Das megalithische Bauwerk in der Nähe von Amesbury in der englischen Grafschaft Wiltshire ist ein rätselhaftes Monument, dessen Ursprung und Zweck sich in den Nebeln einer fernen Vergangenheit verlieren. Seine tonnenschweren Trag- und Decksteine werfen unweigerlich die Frage auf, wie es die Menschen in der Jungsteinzeit vor etwa 5000 Jahren wohl geschafft haben, eine solch enorme Struktur zu errichten. Und die Frage, welche Funktion Stonehenge wohl hatte, fasziniert nicht nur Esoteriker, sondern auch Wissenschaftler.

Zur Story