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Netanjahu muss gehen – Bennett neuer Ministerpräsident Israels

Netanjahu muss gehen – Bennett neuer Ministerpräsident Israels

13.06.2021, 20:2814.06.2021, 04:13
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epa09267702 Israeli prime minister Benjamin Netanyahu speaks during a special voting session on the formation of a new coalition government at the Knesset Plenum, at the Knesset, Israeli parliament, i ...
Muss seinen Posten räumen: Benjamin Netanjahu.Bild: keystone

Eine hauchdünne Mehrheit der Abgeordneten im israelischen Parlament hat am Sonntag für die neue Regierung gestimmt. 60 von 120 Knesset-Mitgliedern votierten nach stürmischen Debatten für das Acht-Parteien-Bündnis unter Führung von Naftali Bennett von der ultrarechten Jamina und Jair Lapid von der Zukunftspartei. 59 stimmten dagegen, es gab eine Enthaltung. Dies bedeutet das vorläufige Ende der Ära des rechtskonservativen Langzeit-Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu.

Im Zuge einer Rotationsvereinbarung soll erst Naftali Bennett (49) Ministerpräsident werden und nach zwei Jahren von Jair Lapid (57) von der moderaten Zukunftspartei abgelöst werden. Der neuen Regierung sollen 27 Minister angehören. Mickey Levy von der Zukunftspartei wurde zum Parlamentspräsidenten gewählt.

Israel's designated new prime minister, Naftali Bennett speaks during a Knesset session in Jerusalem Sunday, June 13, 2021. Bennett is expected later Sunday to be sworn in as the country's n ...
Beerbt Netanjhau: Naftali Bennett.Bild: keystone

Bennetts Eröffnungsrede wurde durch wiederholte wütende Zwischenrufe von Mitgliedern des Netanjahu-Lagers massiv gestört. Bennnett sprach sich darin gegen eine Rückkehr zum internationalen Atomabkommen mit dem Iran aus. Er warnte die im Gazastreifen herrschende islamistische Hamas vor einer «eisernen Mauer», sollte sie erneut Ziele in Israel angreifen. Israel werde sich unter seiner Führung für eine Annäherung an weitere arabische Staaten einsetzen. Die Hamas kündigte derweil eine Fortsetzung des bewaffneten Kampfes gegen Israel an.

Die neue israelische Regierung besteht aus acht Parteien vom rechten bis zum linken Spektrum, darunter auch die konservativ-islamisische Raam. Es ist das erste Mal in Israels Geschichte, dass eine arabische Partei Teil der Regierung wird. Bennetts Jamina-Partei gilt dagegen als siedlerfreundlich, dies könnte die künftige Zusammenarbeit erschweren. Bennett ist auch der erste israelische Regierungschef, der dem nationalreligiösen Lager angehört und eine Kippa trägt.

Erstmals seit zwölf Jahren wurde nun in Israel eine Regierung ohne Netanjahu gebildet. Seine Likud-Partei ist grösste Fraktion im Parlament, bleibt aber aussen vor.

Am Streit um ein Gesetz, das schrittweise mehr strengreligiöse Männer zum Wehrdienst verpflichten sollte, war Ende 2018 Netanjahus rechts-religiöse Koalition zerbrochen. Vier Parlamentswahlen endeten danach immer wieder mit einer Pattsituation. Es konnte seither auch kein neuer Haushalt verabschiedet werden.

Ex-Finanzminister Lapid von der Zukunftspartei hatte schliesslich den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten, nachdem Netanjahu damit gescheitert war. Lapid liess aber Bennett den Vortritt im Amt des Ministerpräsidenten, um die Koalition zu ermöglichen. Der 71-jährige Netanjahu hatte bis zuletzt versucht, die Bildung der Regierung seiner politischen Gegner zu verhindern. Er warf Bennett vor, seine Wähler betrogen zu haben.

Netanjahu sagte in der Sitzung: «Wenn wir in die Opposition gehen müssen, dann tun wir das - bis wir diese gefährliche Regierung stürzen.» Der 71-Jährige betonte, er sei schon in der Vergangenheit aus der Opposition zurückgekehrt. «We will be back soon» («Wir kommen bald wieder»), sagte er auf Englisch, auch in Richtung Teherans. Netanjahu gilt als einer der schärfsten Kritiker des Atomabkommens.

Er war von 1996 bis 1999 Ministerpräsident, seit 2009 ist er durchgängig Regierungschef. Länger als Netanjahu hat niemand seit Israels Staatsgründung 1948 regiert. Im Laufe seiner Amtszeit hat er sich mit vielen Politikern tief zerstritten und deren Vertrauen verloren. Viele Spitzenpolitiker auch aus Netanjahus rechtem Lager versagten ihm daher die Unterstützung. In der Kritik steht Netanjahu aber auch, weil ein Korruptionsprozess gegen ihn läuft.

Sollte die neue Regierung Bestand haben, könnte dies die politische Dauerkrise beenden, in der Israel sich seit zweieinhalb Jahren befindet.

Biden will mit neuer Regierung in Israel zusammenarbeiten

Nach der Bestätigung der neuen israelischen Regierung durch das Parlament in Jerusalem hat US-Präsident Joe Biden Naftali Bennett und den Mitgliedern seines Kabinetts gratuliert. «Ich freue mich darauf, mit Ministerpräsident Bennett zusammenzuarbeiten, um alle Aspekte der engen und dauerhaften Beziehung zwischen unseren beiden Nationen zu stärken», erklärte Biden am Sonntag.

Der US-Präsident sicherte der neuen Regierung in der Mitteilung Unterstützung bei der Sicherheit des Landes zu. «Israel hat keinen besseren Freund als die Vereinigten Staaten», erklärte Biden. «Meine Regierung ist fest entschlossen, mit der neuen israelischen Regierung zusammenzuarbeiten, um Sicherheit, Stabilität und Frieden für Israelis, Palästinenser und die Menschen in der gesamten Region zu fördern.» Später am Abend telefonierten die beiden Politiker auch miteinander.

US-Aussenminister Antony Blinken äusserte sich ähnlich. Das Pentagon erklärte: «Die Verpflichtung der USA für Israels Sicherheit bleibt eisern.» (sda/dpa)

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quelle: keystone / mohammed saber
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17 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Füürtüfäli
13.06.2021 22:02registriert März 2019
Auch wenn ich der neuen Regierungskonstellation wenig Chancen gebe und Stabilität sicher anders aussieht, ist es doch ein Zeichen, dass auch Leute wie Netanjahu einsehen müssen, dass nicht alles dauerhaft ungestraft durchgeht.
Ein Regierungschef, der angeklagt ist, hat im Parlament oder in der Knesset nichts verloren.
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Thanatos
13.06.2021 21:03registriert Dezember 2014
Tschüss Bibi.
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John Galt
13.06.2021 23:20registriert November 2014
Das wichtigste ist erst mal dass Bibi weg ist (Bye Bye, Bibi), ihm ging es immer nur um seine Macht, und sein Geld (weshalb er jetzt erst mal vor Gericht erscheinen muss).
Ob die neue Regierung besser ist, wird sich zeigen. All zu viel Hoffnung habe ich nicht, aber es kann durchaus gut sein, dass so unterschiedliche Parteien mal an einen Tisch sitzen müssen, um miteinander zu reden.
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