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Israel

Hunderte Palästinenser demonstrieren in Gaza gegen die Hamas

Grösster Protest seit Kriegsbeginn: Hunderte Palästinenser demonstrieren gegen die Hamas

Offene Proteste gegen die Hamas gelten als selten im Gazastreifen. Die Terroristen gehen oft hart gegen interne Gegner vor.
26.03.2025, 07:3726.03.2025, 07:43
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Hunderte Palästinenser haben im Gazastreifen für ein Ende des Kriegs mit Israel demonstriert. In spontanen Märschen forderten in Beit Lahia im Norden des Küstenstreifens einige Demonstranten nach Angaben von Augenzeugen auch ein Ende der Hamas-Herrschaft in dem weitgehend zerstörten Küstenstreifen. Viele - vor allem junge - Menschen forderten in Sprechchören, den seit eineinhalb Jahren tobenden Krieg zu beenden. «Hamas raus!», riefen Demonstranten.

Video: watson/x/afalkhatib

Auch im nahegelegenen Dschabalija sowie in Chan Junis im Süden des abgeriegelten Küstengebiets kam es zu ähnlichen Protesten. Solche Demonstrationen gelten als selten im Gazastreifen. Die islamistische Hamas ist dafür bekannt, hart gegen interne Gegner vorzugehen. In sozialen Medien gab es dennoch Aufrufe zu einer Fortsetzung der Proteste auch heute.

Am Montag hatten Mitglieder der Terrororganisation Palästinensischer Islamischer Dschihad (PIJ) aus dem nördlichen Teil des Gazastreifens Raketen auf Israel abgefeuert. Die israelische Armee veröffentlichte daraufhin Räumungsbefehle für Beit Lahia und Beit Hanun.

Gaza-Einwohner sind zutiefst verzweifelt

Der Arabischlehrer Mohammed al-Kilani, ein Teilnehmer der Proteste, schilderte seine tiefe Frustration über die schlimme Lage im Gazastreifen. «Wir sind keine Zahlen in den Nachrichten», sagt der Vater von zwei Kindern aus Beit Lahia der Deutschen Presse-Agentur. «Wir sind Menschen mit Familien und Träumen.» Er sei müde vom Krieg, der ihnen das Leben zerstöre. «Jeden Tag, wenn ich mein Haus verlasse, bin ich nicht sicher, ob ich meine Kinder wiedersehe oder ob ich morgen überhaupt noch leben werde.» Die Einwohner des Gazastreifens seien «Geiseln von Menschen, denen wir egal sind», sagt er. Dies gelte auch für die Hamas.

Der 50-jährige Abu Chaled Abu Rajasch sagte, er habe alles verloren, sein Laden sei im Krieg zerstört worden. «Ich habe keinen Lebensunterhalt mehr, mein Haus ist zerstört, meine Kinder sind Flüchtlinge geworden», sagte er. «Die Hamas sagt uns, wir sollen geduldig sein, aber sie leben in Sicherheit. Ihre Kinder werden nicht bombardiert.»

Mahmud Al-Hawadschri verlor wegen des Kriegs seine Arbeit im Baubereich. «Als wir aufgewachsen sind, haben sie uns von einer besseren Zukunft erzählt, die aber nie gekommen ist. Unsere Kindheit ist vorbei, unsere Jugend verschwendet, und wir träumen immer noch von einem normalen Leben.» Auch er ist wütend über die Führung im Gazastreifen. «Wir sollten nicht immer wieder den Preis für Anführer bezahlen müssen, die sich nur um ihre eigene Macht scheren.»

Krieg richtete schwerste Zerstörungen an

Auslöser des Gaza-Kriegs war das Massaker palästinensischer Terroristen aus dem Küstengebiet am 7. Oktober 2023 in Israel mit 1.200 Toten und mehr als 250 Verschleppten. Seither kämpft Israel gegen die Hamas. Den Gesundheitsbehörden im Gazastreifen zufolge wurden dabei bisher mehr als 50.100 Menschen getötet. Bei einem Drittel davon handelt es sich demnach um Kinder und Jugendliche. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Internationale Organisationen wie die UN betrachten sie jedoch als weitgehend glaubwürdig.

Im Zuge des Kriegs musste die überwältigende Mehrheit der rund zwei Millionen Einwohner des Gazastreifens aus ihren Wohnorten fliehen. Die israelischen Angriffe haben schwerste Zerstörungen hinterlassen. Israel hatte in diesem Monat auch die humanitären Hilfslieferungen in den abgeriegelten Küstenstreifen gestoppt. Vor einer Woche nahm die Armee ihre massiven Angriffe wieder auf, nachdem beide Seiten sich nicht auf eine Fortsetzung der Waffenruhe einigen konnten. Seitdem wurden Hunderte Menschen bei Angriffen getötet.

Auch in Israel neue Proteste gegen die Regierung

Auch in Jerusalem kam es erneut zu Protesten gegen die Politik der rechtsreligiösen israelischen Regierung. Vor dem Parlament demonstrierten Hunderte Menschen, während der neue Haushalt verabschiedet wurde. Nach Medienberichten kam es erneut zu Zusammenstössen zwischen Demonstranten und der Polizei sowie mehreren Festnahmen. Seit dem Neubeginn des Gaza-Kriegs hatten sich auch die Proteste in Israel gegen die Regierung von Benjamin Netanjahu verschärft. (dab/sda/dpa)

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21 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Esther R.
26.03.2025 07:50registriert November 2018
Na endlich wird darüber berichtet. Das ist nicht das erste Mal wo sich Palästinenser gegen die Hamas auflehnen. Hoffentlich haben sie dieses Mal mehr Erfolg. Ohne Hamas gibt es grössere Chancen für Frieden 🙏.
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Texasrider
26.03.2025 08:17registriert April 2021
Hoffe sie können sich aus der Hamas Geiselhaft befreien.
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AdiB
26.03.2025 08:53registriert August 2014
Hoffe nur dass die Hamas kein Exempel statuieren an den Demonstranten. Wünsche denen viel Kraft dabei.💪
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21
    Darum ist es so schwierig, eine Atombombe zu bauen
    Israel hat die iranischen Atomanlagen massiv bombardiert. Doch wie weit ist der Iran eigentlich von der Fertigstellung einer Atombombe entfernt?

    Israel hat die iranischen Atomanlagen bombardiert, um den Bau von Atombomben zu verhindern. Forscherinnen und Forscher des Paul Scherrer Instituts (PSI) in Villigen erklären, wie schwierig es ist, eine Nuklearwaffe zu bauen. Und der langjährige Chefphysiker der Schweizer Armee, Walter Rüegg, schätzt ein, wie nahe der Iran an der Bombe war.

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