Die freigelassene Kapitänin der «Sea-Watch 3», Carola Rackete, ist nach Angaben der deutschen Hilfsorganisation an «einem sicheren Ort» in Italien. Ob sie weiter in der sizilianischen Stadt Agrigent oder in anderen Orten in Italien sei, wollte Sea-Watch am Mittwoch nicht kommentieren.
Aufgrund der zahlreichen Drohungen gegen Rackete werde ihr Aufenthaltsort nicht bekanntgegeben. «Wir wollen, dass sie in Sicherheit ist und dass sie erstmal nicht belagert wird», sagte Sprecher Ruben Neugebauer. «Sie wird jetzt erst mal schlafen.» Berichte, wonach sie bereits in Deutschland oder in einem anderen Land sei, seien falsch.
Am Vorabend hatte eine Ermittlungsrichterin in Agrigent den Hausarrest gegen die 31-Jährige aufgehoben. Rackete war am Wochenende ohne Erlaubnis der italienischen Regierung mit der «Sea-Watch 3» und 40 Flüchtlingen an Bord in den Hafen von Lampedusa gefahren und hatte dabei ein Schiff der Finanzpolizei gestreift.
Rackete muss sich in Italien in einem anderen Verfahren noch dem Vorwurf der Beihilfe zur illegalen Migration stellen. Dazu soll sie am 9. Juli vernommen werden. Bis dahin müsse sie wohl noch in Italien bleiben, hatten ihre Anwälte gesagt.
Laut Richterin in Agrigent hat sich die Kapitänin nicht - wie ihr vorgeworfen wurde - wegen Widerstandes gegen ein Kriegsschiff strafbar gemacht. Bei dem Schiff der Finanzpolizei habe es sich nicht um ein Kriegsschiff gehandelt, heisst es in der Entscheidung.
Rackete habe nach ihrer Verpflichtung gehandelt, Menschen zu retten und in den nächsten sicheren Hafen zu bringen. Sie hätte keinen Hafen in Libyen oder Tunesien ansteuern können, weil in diesen Ländern Menschenrechtsverletzungen drohten. Malta sei zudem weiter weg als Italien gewesen.
Die Kapitänin zeigte sich erleichtert über ihre Freilassung. Die 31-Jährige sprach am Dienstagabend von einem «grossen Sieg für die Solidarität» mit allen Migranten, Flüchtenden und Asylsuchenden. Es sei auch ein Sieg «gegen die Kriminalisierung» von Helfern in vielen Ländern Europas.
Italiens Innenminister Matteo Salvini reagierte erbost auf den Richterspruch und sprach von einem skandalösen Beschluss«. »Das Leben eines Finanzpolizisten ist also weniger wert als das eines illegalen Migranten", sagte er.
Salvini drängt darauf, dass Rackete sofort nach Deutschland zurückgeschickt wird und nicht auf die Vernehmung am 9. Juli wartet. «Die Justiz müsste uns erklären, ob wir Fräulein Rackete in ein Flugzeug nach Berlin setzen können, oder ob wir sie beim Shoppen in Portofino sehen werden, bis sie das Leben anderer Polizisten gefährden wird», sagte er am Mittwoch im Gespräch mit Journalisten.
«Wir begrüssen sie sehr, diese Freilassung von Frau Rackete», sagte dagegen der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. «Wenn weitere Vorwürfe gegen sie im Raum stehen, müssen sie auf rechtsstaatlichem Wege geklärt werden», sagte er. Die deutsche Regierung werde den Fall «weiter sehr aufmerksam verfolgen».
Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte, es sei «natürlich vollkommen inakzeptabel», dass Rackete sich aufgrund von Drohungen verstecken müsse. (aeg/sda/dpa/afp/apa)