Giovanna Di Benedetto ist gehetzt am Telefon. Sie ist für die Kinderhilfsorganisation Save the Children in Catania in Sizilien und betreut die Flüchtlinge, die gerade im Hafen angekommen sind. Wieder erzählen Überlebende von schrecklichen Szenen auf ihrem Schlauchboot, davon, dass Dutzende andere Migranten im Mittelmeer ertrunken seien.
«Wir hören fast jeden Tag grausame Geschichten, wie aus der Hölle», sagt Di Benedetto. Es ist Alltag in den Häfen der süditalienischen Insel. Hier kommen derzeit Tausende Migrantinnen und Migranten aus Afrika und Kriegsländern wie Syrien an. Meist sind sie in Libyen losgefahren.
Die Lage in Italien wird immer brenzliger. Denn mit dem schönen Wetter und ruhigerer See kommen mehr und mehr Flüchtlinge an. «Die Aufnahmelager sind voll, es ist eine sehr schwierige Situation», sagt Di Benedetto.
Viele Zentren seien zum Beispiel für Kinder nicht geeignet und in schlechtem Zustand. «Italien braucht ein zentrales System für die Verteilung der Flüchtlinge. Aber Italien braucht die Hilfe Europas», sagt sie.
Um der Lage Herr zu werden, hat Innenminister Angelino Alfano diesen Donnerstag die Kommunen und die Regionen zu einem «Gipfel» eingeladen. Er will, dass die Lasten auch innerhalb Italiens gerechter verteilt werden. Bisher trifft es – geografisch bedingt – vor allem den eh schon ärmeren Süden.
Rund 80'000 Flüchtlinge werden derzeit in Italien untergebracht. 20 Prozent davon in Sizilien, der Rest verteilt sich auf die anderen Regionen. «Wir kämpfen für eine gleiche Verteilung auf die 28 Länder in Europa», sagte Alfano. «Wenn es das in Europa geben soll, ist klar, dass es das zuerst für die 20 italienischen Regionen geben soll.»
Mehr als 32'000 Migranten sind nach Schätzungen seit Beginn des Jahres in Italien angekommen; etwa 1800 kamen bei der gefährlichen Überfahrt ums Leben. Viele Flüchtlinge machen sich gleich nach der Ankunft in Süditalien auf den Weg Richtung Norden und werden nicht erfasst. «Die Regionen und die örtlichen Behörden müssen sich (zur Aufnahme von Flüchtlingen) bereiterklären, damit nicht der Süden die ganze Last trägt», sagte die Abgeordnete der Regierungspartei Partito Democratico, Micaela Campana.
Doch die anderen Regionen sind wenig begeistert. Oft heisst es: Nicht bei uns! Vor allem dort, wo am 31. Mai Regionalwahlen stattfinden, will sich derzeit kein Politiker an dem heiklen Thema die Finger verbrennen. Dazu zählen Venetien, Ligurien und die Toskana.
Der Präsident der wohlhabenderen nördlichen Region Lombardei, Roberto Maroni, verkündete bereits einen Migranten-Aufnahmestopp. «Wenn Geld zur Verfügung steht, dann sollte es für unsere Bürger ausgegeben werden und nicht für illegale Einwanderer», sagte der Politiker der rechtspopulistischen Partei Lega Nord. (pma/sda/dpa)