In der Geschichte des Klimaschutzes wechseln sich Hoffnung und Enttäuschung ständig ab, grosser symbolischer Schwung und noch grösseres praktisches Bremsen. Grosse Hoffnungen ruhten 2009 beispielsweise auf der Klimakonferenz in Kopenhagen. Dort sollten die Staats- und Regierungschefs persönlich ein bindendes Abkommen aushandeln. Sie scheiterten. Die Symbolik stimmte, die Hoffnung war gross, die Enttäuschung noch grösser.
Erst sechs Jahre später, 2015 in Paris, kam ein bindendes Abkommen zustande – als gerade nicht die Mächtigsten selbst verhandelten.
Jetzt steht wieder eine Veranstaltung mit grossem Symbolcharakter an: der UN-Klimagipfel in New York . Am heutigen Montag, einen Tag vor der UN-Generalversammlung, hat der amtierende UN-Generalsekretär Antonio Guterres die Mächtigen der Welt zusammengerufen, mehr als ein Jahr, bevor die Staaten laut Pariser Abkommen ihre Ziele überprüfen und neu formulieren müssen, und auf grösserer Bühne.
Kommen Sie nicht mit Reden, gab Guterres als Auftrag aus, sondern mit einem Plan, wie die Erderwärmung zu begrenzen ist – indem die Staaten bis 2050 nicht mehr Treibhausgas ausstossen, als etwa durch Bäume, Ozeane und Moore wieder aufgenommen wird. «Wir verlieren das Rennen gegen den Klimawandel», sagt Guterres.
Die Erde hat sich schon um rund ein Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit erhitzt. Acht der zehn heissesten gemessenen Jahre lagen im vergangenen Jahrzehnt. Die Folgen werden sichtbar: Starkregen, Dürre, Hitzewellen, Eisschmelze. Setzt sich der aktuelle Trend fort, könnte das Klima bald vollends ausser Kontrolle geraten. Weite Teile der Welt würden dann unbewohnbar heiss. Und noch steigen die Treibhausgasemissionen, sogar schneller als zuvor.
Wieder, wie schon in Kopenhagen, sind es deshalb jetzt die grossen Namen, die gemeinsam die Katastrophe abwenden sollen. Auch Bundespräsident Ueli Maurer ist angereist. Wieder sind die Gesten gross. Und wieder ist auch die Gefahr der Enttäuschung gross, auch wenn es diesmal nur um die Umsetzung eines Abkommens geht.
Bereits am Samstag fand ein Jugendgipfel statt, mit Greta Thunberg . Sie wird auch auf dem Klimagipfel sprechen – drei Tage nach einem weltweiten Aktionstag, an dem in mehr als 150 Ländern Millionen für mehr Klimaschutz protestierten. Auch weil sie der Politik Druck machen, ist der Moment für einen globalen Gipfel günstig. Guterres will ihn nutzen.
Im Zweifel auch mit ungewöhnlicher Symbolik: Alle Staaten sind erwünscht, aber Reden dürfen nur die halten, die ambitionierte neue Klimaschutzpläne vorlegen oder viel Geld für einen Klimafonds versprechen. Nur etwas mehr als 60 Staaten waren im Vorfeld als Redner erwartet worden, um drei Minuten lang neue Vorschläge zu präsentieren. Nicht alle, die sprechen wollten, durften auch.
Für die Vereinten Nationen, wo sonst sehr strenge Protokollregeln gelten und kein Staat düpiert werden darf, ist das ein kühner Schritt. Die Zeit für Nettigkeiten ist vorbei, so kann man das lesen.
In der Umsetzung allerdings zeigt sich der schwierige Spagat zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Hätten nur die Staaten sprechen dürfen, die auf dem Weg sind, ihre selbst gesteckten Klimaziele zu erreichen, wäre der Gipfel schon eine sehr kurze Veranstaltung geworden. Nur eine Minderheit der Staaten ist auf dem Weg dahin – und schon das würde nicht reichen, um das vereinbarte 1.5-Grad-Ziel von Paris zu erreichen.
Die politischen Streitigkeiten um den Klimawandel verhindern nach Ansicht von Bundespräsident Ueli Maurer eine klare Analyse der Situation. «Unsere Welt braucht mehr technologischen Fortschritt sowie Innovationen und weniger Ideologie.» Maurer forderte zudem, den Planungshorizont für Massnahmen gegen den Klimawandel auf das gesamte Jahrhundert auszudehnen. Als Alpenland sei die Schweiz vom Klimawandel besonders betroffen, sagte der Bundespräsident weiter. Mit den Gletschern, die schmelzten, dem Schnee, der nicht mehr falle und den häufigen Erdrutschen in den Bergen verschwinde auch ein Teil der Schweizer Identität und Tradition, betonte er.
«Der Klimawandel bedroht unsere Lebensweise. Wir müssen das Problem ernst nehmen,» führte Maurer weiter aus. Deshalb habe die Schweiz beschlossen, bis zum Jahr 2050 Klimaneutralität zu erreichen.
Um Antworten auf die Klimafragen zu finden, müsse mehr in Forschung und Entwicklung investiert werden. Der Finanzplatz Schweiz mit seiner globalen Ausrichtung und seinem Knowhow könne bei dieser Aufgabe eine grosse Rolle spielen und das Bewusstsein für nachhaltigen Umgang mit der Umwelt fördern, sagte Mauer. Er stellte in diesem Zusammenhang die Pacta-Initiative vor. Die von den Niederlande und der Schweiz vorgebrachte Initiative bietet laut den Angaben ein Instrument, mit dem Investoren die Klimaverträglichkeit ihrer finanziellen Verpflichtungen messen und mit den Zielen des Pariser Abkommens vergleichen können.
Nur ein Stuhlkreis wäre herausgekommen, hätten allein die sprechen dürfen, deren Emissionen so zurückgehen, dass das Ziel des Pariser Abkommens eingehalten wird. Nach Angaben des «Climate Action Tracker», einer Organisation, die versucht, die Ziele und Umsetzung eines grossen Teils der Welt nachzuhalten, wären das: Marokko, Gambia, Costa Rica.
UN-Generalsekretär Guterres teilte im Vorfeld den Staaten ungewöhnlich genau mit, was er erwartet: Staaten sollen sich verpflichten, CO2 einen Preis zu geben, keine neuen Kohlekraftwerke zu bauen und klimaschädliche Subventionen abzuschaffen. Übrig geblieben ist etwa ein Drittel der Staaten der Welt, die neue Pläne vorstellen. Wichtige Industriestaaten wie Japan oder Australien sind nicht darunter, weil sie die Kriterien nicht erfüllen.
Der australische Premierminister Scott Morrison wird nicht einmal am Klimagipfel teilnehmen, obwohl er sowieso in den USA ist. Auch Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro, unter dem die Zerstörung des Amazonas-Regenwalds zunimmt, wird fehlen. Und auch US-Präsident Donald Trump , der aus dem Pariser Abkommen aussteigen will, schwänzt. Er hält auf dem UNO-Gelände zeitgleich eine Gegenveranstaltung ab, die einen «weltweiten Appell zum Schutz der Religionsfreiheit» zum Ziel haben soll. Den restlichen Tag verbringt er mit bilateralen Treffen.
Trump und Bolsonaro werden erst am Dienstag auf der Generalversammlung sprechen. Wenn das Klima nicht mehr im Mittelpunkt steht.
Vor kurzem beschloss der Bundesrat, dass die Schweiz ab dem Jahr 2050 unter dem Strich CO2-neutral werden soll. Sie soll also nicht mehr Treibhausgase ausstossen, als natürliche und technische Speicher aufnehmen können. Damit entspreche die Schweiz dem international vereinbarten Ziel, die globale Klimaerwärmung auf maximal 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, schreibt das Umweltdepartement (Uvek).
Einer Erhöhung des Ziels hatte der Bundesrat im Grundsatz bereits zugestimmt, als er die Prioritäten der Schweiz für die Uno-Generalversammlung festlegte. Der Bundesrat hat sich für Netto-Null Emissionen bis 2050 entschieden, wie es auch die Gletscherinitiative forderte.
Bis Ende 2020 wird das Uvek nun die Klimastrategie 2050 erarbeiten. Alle Länder, die das Klimaabkommen von Paris unterzeichnet haben, müssen bis Ende 2020 beim Uno-Klimasekretariat langfristige Klimastrategien einreichen. Daraus dürften sich auch Massnahmen ableiten.
Über solche hat der Bundesrat noch nicht entschieden. Ein Teil der Emissionen könnte weiterhin im Ausland reduziert werden. Umweltministerin Sommaruga gab auf entsprechende Fragen allerdings zu bedenken, dass dies immer schwieriger und teurer werde, weil mit dem Abkommen von Paris alle Staaten ihren Ausstoss reduzieren müssten.
Für den Klimagipfel gilt deshalb: Politik ist die Kunst des Möglichen. Und möglich ist derzeit nicht das, was nötig wäre.
Mitarbeit: Fabian Reinbold
Verwendete Quellen:
So lange lebt der ja auch nicht mehr. Der will einfach nur die Arbeit den nächsten Generationen aufdrängen 😡 Typisch „kä luscht“
Wann ist die Zeit der leeren Worte vorbei?
Wann kommt die Zeit der Verantwortung und des gemeinsamen Handelns?