Seit Montagabend schüttet das Sturmtief Daniel riesige Wassermassen über Mittelgriechenland ab. Zwar wurden die Unwetter erwartet – was sich nun über dem Land am Mittelmeer abspielt, übertrifft aber alle Vorhersagen, so die Nachrichtenagentur DPA.
Demnach werden Autos von den Fluten einfach weggetragen, wie zahlreiche Videos der Bürger in sozialen Netzwerken und griechischen Medien zeigten. Menschen werden mit Schlauchbooten aus ihren Häusern gerettet, etwa in der Hafenstadt Volos, wo das Wasser am Dienstag zum Teil hüfthoch vorbeifloss.
BREAKING: Cars are now being washed into the sea in Agios Ioannis, Pelion. Flooding disaster ongoing in Thessaly, Greece. pic.twitter.com/uRr80Da0sB
— Nahel Belgherze (@WxNB_) September 5, 2023
Wegen der schweren Unwetter haben Hunderte Menschen die Nacht auf der Fähre «Superstar» im Meer vor der Hafenstadt Volos verbracht, auch um 11 Uhr (Schweizer Zeit) war es noch nicht in den Hafen eingefahren. Die Position des Schiffes lässt sich auf der Seefahrts-Plattform Marinetraffic verfolgen. Das Schiff der Reederei Seajets liegt noch mehrere Seemeilen vom Hafen entfernt. Medienberichten zufolge hatte die Hafenpolizei von Volos das Anlegen der Fähre untersagt, weil der Hafen zuvor unter Wasser stand und auch die Verkehrssituation in der Stadt so schwierig sei.
Ebenfalls in der Küstenstadt Volos rissen die Wassermassen Teile eines Pflegeheims ein, worauf 20 Personen in Notunterkünfte gebracht werden mussten. Auch in zahlreichen weiteren Städten wurden Strassen überschwemmt, berichten griechische Medien.
Auch der Flughafen der Sporaden-Insel Skiathos blieb stark beeinträchtigt, dort mussten laut Flughafensprecher Savvas Karagiannis ebenfalls mehrere Hundert Menschen übernachten. «Ein Flugzeug versucht gerade zu landen – wir müssen sehen, wie es weitergeht», sagte Karagiannis der Deutschen Presse-Agentur. Er könne nicht sagen, wann der Flughafen wieder vollständig den Betrieb aufnehmen werde. «Es sind unglaubliche Wassermengen runtergekommen, die Zufahrtsstrassen sind gesperrt», sagte er. Die Menschen würden mit Essen und Wasser versorgt.
Das Sturmtief forderte bereits mindestens ein Menschenleben. Gemäss Angaben der Feuerwehr sei ein Viehwirt von einer einstürzenden Mauer erschlagen worden, und mehrere Menschen werden vermisst.
Ein Video, das in der Region Thessalien aufgenommen wurde, zeigt, wie ein Auto ins Meer gespült wurde:
Es gewitterte reichlich in der Nacht zum Dienstag: Allein in den Städten Larisa und Volos wurden laut Feuerwehr binnen zwei Stunden 12'000 Blitze gezählt. Auf der Insel Korfu fiel der Strom aus und es gab Probleme beim Betrieb des dortigen Flughafens. Auf den Sporadeninseln Skiathos, Skopelos und Alonnisos blitzte und donnerte es zeitweise im Sekundentakt, es kam zu Erdrutschen. In der Region Elis im Westen der Halbinsel Peloponnes vernichtete Hagel Teile der anstehenden Olivenernte.
Ein Video auf X zeigt, wie die Wassermassen Teile der Ortschaft Makrinitsa – aufgrund ihrer Lage auch als «Balkon von Pilio» bekannt – in der Gemeinde Volos zerstören:
One of Greece’s most iconic mountain resorts, Makrynitsa, devastated by storm Daniel a few hours ago. Houses literally tumbling down the hill. Dead and missing reported #ClimateCrisis #ClimateEmergency pic.twitter.com/N2aFCamrP6
— George Tsakraklides (@99blackbaloons) September 5, 2023
Vielerorts fiel der Strom aus, im Laufe des Dienstags waren in den betroffenen Regionen teilweise auch die Handynetze und das Internet beeinträchtigt oder funktionierten gar nicht. Wegen der andauernden Regenfälle und Überschwemmungen ordnete der Zivilschutz örtlich Fahrverbote an, unter anderem für die Bewohner der Hafenstadt Volos und der Sporaden-Insel Skiathos.
Der Meteorologe des Senders ERT, Panagiotis Giannopoulos, sagte, er könne sich nicht entsinnen, dass es in der betreffenden Region jemals 500 Millimeter Niederschlag binnen 24 Stunden gegeben habe. Und: «Und es wird noch viele Stunden weiter regnen!», warnte er.
Gemäss Meteorologen des staatlichen Wetterdienstes Meteo solle das regnerische und stürmische Wetter noch bis Donnerstag anhalten. Davon seien vor allem Mittelgriechenland und die Halbinsel Peloponnes betroffen.
Auf der Plattform X (ehemals Twitter) teilte der staatliche Wetterdienst ausserdem ein Video eines Tornados, der über die Küste der Insel Euböa gefegt haben soll.
Ένας μεγάλος υδροσίφωνας εμφανίστηκε στον Λιμνιώνα Ευβοίας την Τρίτη 5 Σεπτεμβρίου 2023. pic.twitter.com/xEb71OQIhg
— meteo.gr - Ο καιρός (@meteogr) September 5, 2023
Griechische Medien sprachen angesichts der Unwetter, die das Land nur kurz nach den schweren Waldbränden des Sommers treffen, von «biblischen Katastrophen».
Und Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis sagte: «Ich befürchte, dass es die sorglosen Sommer, wie wir sie kennen, nicht mehr geben wird. Von jetzt an werden die Sommer wohl noch schwieriger». Ausserdem räumte Mitsotakis ein, dass seine Regierung mit den wetterbedingten Herausforderungen nicht derartig umgegangen sei, wie man es sich gewünscht hatte.
Lediglich einen guten Aspekt hat das Sturmtief «Daniel»: Im Grossteil des Landes besteht erstmals seit Monaten keine Waldbrandgefahr mehr.
Schwere Unwetter haben auch Griechenlands östlichen Nachbarn hart getroffen: Bei Überschwemmungen infolge der heftigen Regenfälle sind in der Türkei am Dienstag mindestens vier Menschen ums Leben gekommen. In Istanbul starben nach Angaben des Gouverneurs zwei Menschen. Zwei weitere Menschen kamen in der Stadt Kirklareli im Nordwesten des Landes ums Leben, wie der Rettungsdienst mitteilte. Vier Menschen wurden demnach vermisst.
Die Strassen von Istanbul verwandelten sich in reissende Flüsse, eine Metrostation stand nach dem nächtlichen Unwetter teilweise unter Wasser. Aus einer Stadtbücherei mussten Medienberichten zufolge Dutzende Menschen in Sicherheit gebracht werden.
Im Fernsehen und in Online-Netzwerken waren Bilder von Autos und Marktständen zu sehen, die von den Wassermassen fortgespült wurden.
Die starken Regenfälle folgen auf einen besonders trockenen Sommer, in dem der Pegel in den Wasserspeichern der 16-Millionen-Einwohner-Stadt Istanbul auf den niedrigsten Stand seit neun Jahren sank.
(yam/lak/sda/dpa/afp)