Selten hat eine Debatte Paraguay so bewegt wie diese Geschichte: Es geht um den sexuellen Missbrauch eines zehnjährigen Mädchens, das inzwischen im fünften Monat schwanger ist. Ihr Schicksal habe die Nation in zwei Lager gespalten, sagte nun einer der höchsten Kirchenvertreter des Landes, Claudio Giménez, während einer Predigt. Und zwar in Befürworter und Gegner von Abtreibungen.
Die Zehnjährige wurde eigenen Angaben zufolge von ihrem Stiefvater missbraucht. Eine Abtreibung wird ihr jedoch verboten. Der Eingriff ist in Paraguay nur bis zur 20. Schwangerschaftswoche erlaubt und das auch nur, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. «Einige wollen Abtreibungen legalisieren; den Mord an einem Unschuldigen, der noch am Heranwachsen ist», sagte Bischof Giménez. «Und dann gibt es die andere Seite, die den Eingriff ablehnt.»
Die ehemalige Gesundheitsministerin des Landes, Esperanza Martínez, plädierte dafür, das Wohl des Mädchens in den Vordergrund zu stellen. Es sei auf seinen Status als Schwangere reduziert worden, sagte die Ärztin während einer Sitzung des Senats. «Aus diesem Mädchen wurde ein Uterus.»
Mutter und Stiefvater in Haft
Der Fall kam an die Öffentlichkeit, als das Mädchen Ende April in Begleitung seiner Mutter eine Klinik in der Hauptstadt Asunción aufsuchte. Die Ärzte vermuteten als Ursache für ihre Bauchschmerzen zunächst einen Tumor, stellten dann aber fest, dass die Zehnjährige in der 21. Schwangerschaftswoche war.
Die Mutter des Mädchen wurde bereits festgenommen, ihr wird Komplizenschaft vorgeworfen. Der Stiefvater war zwei Wochen lang auf der Flucht, konnte jedoch am Samstag in der Stadt Caazapá festgenommen werden. Der 42-Jährige wird sich wegen Vergewaltigung verantworten müssen. Dem Polizisten Luis Rojas zufolge wurde er in einer Einzelzelle untergebracht, um ihn vor den Angriffen anderer Insassen zu schützen. Der Mann wies die Vorwürfe zurück und kündigte an, alle Untersuchungen mitzumachen, um seine Unschuld zu beweisen.
In die Debatte hatte sich auch Amnesty International eingemischt: Die Menschenrechtsorganisation forderte, die Abtreibung zu erlauben und startete eine entsprechende Petition. Das Mädchen habe vor der Schwangerschaft lediglich 34 Kilogramm gewogen und sei in Gefahr, hiess es. Der aktuelle Gesundheitsminister des Landes, Antonio Barros, lehnt den Eingriff ab: Das Mädchen sei in guter gesundheitlicher Verfassung und ihre Schwangerschaft für einen Abbruch zu weit fortgeschritten.
Nach Angaben des UNO-Kinderhilfswerks Unicef bringen in Paraguay jeden Tag zwei Mädchen im Alter von zehn bis 14 Jahren ein Kind zur Welt.
aar/AP/AFP