Im Fokus: Bundeskanzler Sebastian KurzBild: EPA/EPA
Liveticker
27.05.2019, 14:2227.05.2019, 23:00
Nach dem Misstrauensvotum gegen die Regierung von Österreichs Kanzler Sebastian Kurz soll Vizekanzler Hartwig Löger die Geschäfte zunächst weiterführen. Dies kündigte Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Montagabend an.
«Das ist eine Art Provisorium bis wir in wenigen Tagen eine Lösung gefunden haben», sagte das Staatsoberhaupt. Die gesamte Regierung werde am Dienstag formal zunächst von ihm entlassen und dann erneut für kurze Zeit bestellt.
Bild: ARIS OIKONOMOU/EPA/KEYSTONE
Kurz stimmte wenige Stunden nach dem Misstrauensvotum gegen ihn und seine Regierung seine Anhänger auf den anstehenden Wahlkampf ein. «Ich bin noch immer hier», rief er seinen Konkurrenten zu, die ihn am Nachmittag im Parlament aus dem Amt gedrängt hatten. «Am Ende des Tages, im September, da entscheidet in einer Demokratie das Volk - und darauf freue ich mich.»
Für Wut, Hass und Trauer nach dem vorzeitigen Ende der ÖVP-FPÖ-Regierung gebe es keinen Grund, erklärte Kurz. Stattdessen sollten die Anhänger die demokratische Entscheidung des Parlaments respektieren. Die ÖVP werde die Übergangsregierung, die der Bundespräsident nun einsetzen muss, bedingungslos unterstützen.
Bild: CHRISTIAN BRUNA/EPA/KEYSTONE
Als ein möglicher Name für einen Übergangskanzler bis zu den geplanten Neuwahlen im September wird der ehemalige EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler gehandelt.
Sebastian Kurz habe mit seiner rein auf den Ausbau seiner Macht angelegten Politik jeden Kredit verspielt, argumentierten Redner der Opposition auf einer Sondersitzung des Parlaments. Das Vorgehen des Kanzlers sei stattdessen ein «schamloser, zügelloser und verantwortungsloser Griff nach der Macht», sagte die Parteivorsitzende der Sozialdemokraten Pamela Rendi-Wagner.
Auslöser der politischen Krise in Österreich war ein Enthüllungsvideo, das zeigt, wie der inzwischen zurückgetretene Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vor der Parlamentswahl 2017 einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte im Gegenzug für Wahlhilfe Staatsaufträge in Aussicht stellt.
Bild: CHRISTIAN BRUNA/EPA/KEYSTONE
Kurz' Kanzlerschaft ist nach knapp anderthalb Jahren beendet. Es wird voraussichtlich im September Neuwahlen geben. Nun muss der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen Kanzler Kurz beziehungsweise die gesamte Regierung des Amtes entheben.
Bis zu den Neuwahlen soll ein Expertenkabinett die Arbeit übernehmen. Die Regierung Kurz stürzte über die Veröffentlichung des skandalösen «Ibiza-Videos», aufgrund dessen Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache zurücktrat. Die rechtskonservative ÖVP-FPÖ-Regierung zerbrach.
Bild: FLORIAN WIESER/EPA/KEYSTONE
Die Tage von Sebastian Kurz sind also gezählt: Das österreichische Parlament hat den Bundeskanzler und mit ihm seine ganze Regierung abgewählt. Der Misstrauensantrag der SPÖ fand im Nationalrat mit der Unterstützung der FPÖ eine Mehrheit.
Jetzt ist es definitiv: Das Parlament entzieht Bundeskanzler Sebastian Kurz das Vertrauen. Österreich steht somit ab sofort ohne Regierung da.
Im Moment spricht noch Andrea Kuntzl (SPÖ), danach folgt die Abstimmung.
Bild: FLORIAN WIESER/EPA/KEYSTONE
Der Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache scheint am Wochenende ins EU-Parlament gewählt worden zu sein, wie Recherchen der ORF-Journalisten Martin Thür zeigen. Er muss die Wahl aber noch annehmen.
Zur Erinnerung: Strache hat die jetzige Regierungskrise mit einem in Ibiza aufgenommenen Skandal-Video verursacht. Unter anderem wird auf dem heimlich gefilmten Video über eine strategische Einflussnahme, verdeckte Wahlhilfe und möglicherweise illegale Parteienspenden diskutiert.
… dauert an. Eine Abstimmung wird zwischen 16 und 17 Uhr erwartet.
Bild: FLORIAN WIESER/EPA/KEYSTONE
Ex-Innenminister Herbert Kickl gilt als rechter Scharfmacher. Bei seiner Rede wird er seinem Ruf gerecht. Kurz sage, es tue ihm leid, dass die Koalition zerbrochen sei. «Doch das glaube ich nicht!» Kurz tue nur leid, dass seine Machtüberlegungen nicht aufgegangen seien. Er habe versucht, die Probleme eines Koalitionspartners für seinen eigenen Machtausbau zu nutzen, so Kickl über Kurz. Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache, den eigentlichen Auslöser der Regierungskrise, erwähnt er nur indirekt. Kickl spricht nebulös von vielem, dass «undurchsichtig, verworren, unklar» sei.
Die Neuwahlen seien kein Wunsch der ÖVP gewesen, so August Wöginger, sondern schlicht eine Notwendigkeit. Nach dem Video aus Ibiza habe man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können. Er bezeichnet den Misstrauensantrag gegen Kurz und seine Regierung als «unfassbar» und wirft der SPÖ vor, gegen den Willen des Volkes zu handeln. Und das Volk habe gestern bewiesen, was das Volk wolle, so Wöginger in Bezug auf das gute Abschneiden der ÖVP bei den EU-Wahlen am Wochenende.
… gibt sich zeitweise fassungslos:
Bild: screenshot
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner attackiert Kurz frontal: «Was Sie hier machen, ist ein schamloser, zügelloser und verantwortungsloser Griff nach Macht.» Aber die Macht in Österreich gehe vom Volk aus und nicht vom Bundeskanzler. Er habe in seiner Rede zwar viel gesagt, aber eines nicht: Dass seine Regierung gescheitert sein. «Dafür sind Sie alleine verantwortlich», so Rendi-Wagner weiter. Verantwortung bedeute, die Allgemeinheit im Blick zu halten. Kurz hingegen stelle «das Ich vor das Wir». Er und seine ÖVP-Regierung hätten das Vertrauen der SPÖ-Abgeordneten nicht mehr. Deshalb stelle sie nun einen Misstrauensantrag.
Danach ergreift Bundeskanzler Sebastian Kurz das Wort. Er sei überzeugt, dass der Misstrauensantrag gegen seiner Regierung nur parteipolitisch motiviert sei. Er verstehe die «Rachegelüste» mancher – dass mit ihm auch die gesamte Regierung gestürzt werde solle, sei aber nicht nachvollziehbar. Keine einzige kritische Stimme habe er gegen die Expertinnen und Experten in seiner Regierung gehört, so Kurz weiter. Er habe sich bemüht, seinen Beitrag zur Stabilität zu leisten. Bis im September sei nun das Parlament am Drücker, danach habe das Volk das Wort.
Die Sondersitzung im österreichischen Nationalrat wurde um 13 Uhr eröffnet. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka leitet die Sitzung. Danach begründet der SPÖ-Abgeordnete Jörg Leichtfried den Misstrauensantrag seiner Partei: Die letzten Tage hätten bewiesen, dass die politische Führung nicht verantwortungsvoll mit der schwierigen Situation umgehe. Für Leichtfried ist klar: «Die Regierung Kurz ist gescheitert.» Die Verantwortung dafür trage der Bundeskanzler.
Um was gehts?
Ein entscheidender Montag für Sebastian Kurz.Bild: EPA/EPA
Österreichs Bundeskanzler Kurz und seine Regierung müssen sich heute Montag im Parlament voraussichtlich zwei Misstrauensanträgen stellen.
Wieso gleich zwei Anträgen?
Nun, die beiden Anträge wurden von unterschiedlichen Parteien eingebracht und verfolgen ein unterschiedliche Ziel. «Jetzt», die kleinste Fraktion, hat einen Misstrauensantrag gegen den Bundeskanzler angekündigt. Die Sozialdemokraten der SPÖ hingegen wollen nach Angaben von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner einen eigenen Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung einbringen.
Mit welchen Chancen?
«Verantwortung statt Chaos» 🧐: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner.Bild: EPA/EPA
Überaus guten: Die rechte FPÖ und die SPÖ einigten sich am Montag darauf, der gesamten Regierung das Misstrauen auszusprechen. Die Abstimmung in der SPÖ-Fraktion dazu sei einstimmig ausgefallen, teilte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner mit. Auch die FPÖ-Fraktion habe einstimmig dafür votiert, hiess es aus Parteikreisen.
Die FPÖ? Waren die nicht …
HC Strache bei seiner Rücktrittsrede.Bild: AP/AP
Doch. Die FPÖ bildete bis vor rund einer Woche gemeinsam mit der ÖVP von Sebastian Kurz die Regierung. Dann hatte Kurz die seit 18 Monaten regierende Koalition aufgekündigt. Vorausgegangen war die Veröffentlichung eines 2017 heimlich auf Ibiza gedrehten Videos, das den späteren Vizekanzler Heinz-Christian Strache dabei zeigt, wie er einer angeblichen russischen Oligarchen-Nichte für Wahlkampfhilfe erhebliche wirtschaftliche Vorteile in Aussicht stellt. Strache war daraufhin von allen politischen Ämtern zurückgetreten.
Ok. Und wie geht es weiter, wenn der Misstrauensantrag durchkommt?
In diesem Fall wäre Sebastian Kurz' Kanzlerschaft nach knapp anderthalb Jahren beendet. Bereits jetzt sind Neuwahlen für den Herbst geplant. Die SPÖ will die aktuelle Übergangsregierung bis dahin durch ein Expertenkabinett ersetzt sehen. Der Kanzler habe in seiner 18-monatigen Regierungszeit und in der aktuellen Krise jegliches Vertrauen verspielt, weil er die Opposition praktisch völlig ignoriert habe.
Kann das gut gehen?
Bundespräsident Alexander Van der Bellen.Bild: EPA/EPA
Nun, der Sturz des populären Regierungschef gilt als politisch heikles Unterfangen. Die Partei von Sebastian Kurz hat bei der Europawahl in Österreich einen fulminanten Sieg eingefahren. Laut vorläufigem Endergebnis hat seine konservative ÖVP ein Plus von 8,4 Prozentpunkten im Vergleich zur Europawahl 2014 eingefahren und kommt nun auf 35,4 Prozent.
Zudem hatten sich einflussreiche Medien und sogar der Grünen-nahe Bundespräsident Alexander Van der Bellen mehr oder weniger deutlich an die Seite von Kurz gestellt. Das Staatsoberhaupt hatte in den Tagen vor der Entscheidung an die Vernunft der politischen Parteien appelliert, die Regierungskrise nicht noch weiter eskalieren zu lassen.
(mlu/sda/dpa/afp)
Beidlpracker und Co. – Schimpfwörter zu Österreichs Krise.
1 / 8
Beidlpracker und Co. – Schimpfwörter zu Österreichs Krise.
Das Regierungsbündnis von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP, links) und Heinz-Christian Strache von der FPÖ ist gescheitert. Auslöser ist ein in Ibiza heimlich aufgenommenes Skandalvideo von Strache. Beste Gelegenheit, ein paar österreichische Schimpfwörter zu lernen!
quelle: epa/epa / christian bruna
Das könnte dich auch noch interessieren:
Assads Diktatur wurde zerschmettert, Unterschlupf findet er in Russland in einem Nobelquartier bei Moskau. So wie andere Despoten, Diktatoren und Putin-Versteher sich Russland zur neuen Heimat machen.
Innert weniger Tage zerbrach das Reich des Diktators Baschar al-Assad. 24 Jahre lang hatte er Syrien im Würgegriff. Den ersten Putschversuch vor zwölf Jahren konnte er dank der russischen Raketen und Bomben noch abwehren, nun ist die 56-jährige Herrschaft der alevitischen Familie Assad vorbei.
Die Mehrheit der Österreicher (und auch Politiker gemäss Wahlen) stehen hinter Kurz. Ein Misstrauensvotum ist eine rein kindliche Tampelei und Neid ! Dumme dumme SPÖ/FPÖ. IHR seid KEINE Volksvertreter !