Nach dem Misstrauensvotum gegen die Regierung von Österreichs Kanzler Sebastian Kurz soll Vizekanzler Hartwig Löger die Geschäfte zunächst weiterführen. Dies kündigte Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Montagabend an.
«Das ist eine Art Provisorium bis wir in wenigen Tagen eine Lösung gefunden haben», sagte das Staatsoberhaupt. Die gesamte Regierung werde am Dienstag formal zunächst von ihm entlassen und dann erneut für kurze Zeit bestellt.
Das sagt Kurz
Kurz stimmte wenige Stunden nach dem Misstrauensvotum gegen ihn und seine Regierung seine Anhänger auf den anstehenden Wahlkampf ein. «Ich bin noch immer hier», rief er seinen Konkurrenten zu, die ihn am Nachmittag im Parlament aus dem Amt gedrängt hatten. «Am Ende des Tages, im September, da entscheidet in einer Demokratie das Volk - und darauf freue ich mich.»
Für Wut, Hass und Trauer nach dem vorzeitigen Ende der ÖVP-FPÖ-Regierung gebe es keinen Grund, erklärte Kurz. Stattdessen sollten die Anhänger die demokratische Entscheidung des Parlaments respektieren. Die ÖVP werde die Übergangsregierung, die der Bundespräsident nun einsetzen muss, bedingungslos unterstützen.
Wer wird jetzt Kanzler?
Als ein möglicher Name für einen Übergangskanzler bis zu den geplanten Neuwahlen im September wird der ehemalige EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler gehandelt.
#FranzFischler wäre ein guter Übergangskanzler: kompetent, integer & in Österreich als auch in der EU angesehen. Er kann Österreich durch die Kommissionsbildung führen, durch die Brexit-Krise navigieren & steht gg. Rechtsruck in Europa. #Kurz soll den Weg freimachen. #neuwahlenpic.twitter.com/BDt8d7YRWX
Sebastian Kurz habe mit seiner rein auf den Ausbau seiner Macht angelegten Politik jeden Kredit verspielt, argumentierten Redner der Opposition auf einer Sondersitzung des Parlaments. Das Vorgehen des Kanzlers sei stattdessen ein «schamloser, zügelloser und verantwortungsloser Griff nach der Macht», sagte die Parteivorsitzende der Sozialdemokraten Pamela Rendi-Wagner.
Auslöser der politischen Krise in Österreich war ein Enthüllungsvideo, das zeigt, wie der inzwischen zurückgetretene Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vor der Parlamentswahl 2017 einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte im Gegenzug für Wahlhilfe Staatsaufträge in Aussicht stellt.
Negativ-Rekord
Mit 525 Tagen ist Sebastian Kurz der kürzest dienende Bundeskanzler der Zweiten Republik. Valerie Hackl, Johann Luif, Walter Pöltner und Eckart Ratz heute mit nur fünf Tagen, die kürzest dienenden Minister seit 1945. pic.twitter.com/fniICKpBY7
Kurz' Kanzlerschaft ist nach knapp anderthalb Jahren beendet. Es wird voraussichtlich im September Neuwahlen geben. Nun muss der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen Kanzler Kurz beziehungsweise die gesamte Regierung des Amtes entheben.
Bis zu den Neuwahlen soll ein Expertenkabinett die Arbeit übernehmen. Die Regierung Kurz stürzte über die Veröffentlichung des skandalösen «Ibiza-Videos», aufgrund dessen Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache zurücktrat. Die rechtskonservative ÖVP-FPÖ-Regierung zerbrach.
Der Moment, als Kurz von seiner Abwahl erfuhr
Amtszeit von Kurz zu Ende
Die Tage von Sebastian Kurz sind also gezählt: Das österreichische Parlament hat den Bundeskanzler und mit ihm seine ganze Regierung abgewählt. Der Misstrauensantrag der SPÖ fand im Nationalrat mit der Unterstützung der FPÖ eine Mehrheit.
Kurz abgewählt
Jetzt ist es definitiv: Das Parlament entzieht Bundeskanzler Sebastian Kurz das Vertrauen. Österreich steht somit ab sofort ohne Regierung da.
Im Moment spricht noch Andrea Kuntzl (SPÖ), danach folgt die Abstimmung.
Und da war noch das …
Der Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache scheint am Wochenende ins EU-Parlament gewählt worden zu sein, wie Recherchen der ORF-Journalisten Martin Thür zeigen. Er muss die Wahl aber noch annehmen.
Heinz-Christian Strache wird dank Vorzugsstimmen einen Anspruch auf ein Mandat im EU-Parlament haben. 37.448 Stimmen, aus sieben Bundesländern, konnte ich bereits recherchieren. Er benötigt - laut SORA Prognose- etwas mehr als 32.000 österreichweit um über die 5%-Hürde zu kommen.
Zur Erinnerung: Strache hat die jetzige Regierungskrise mit einem in Ibiza aufgenommenen Skandal-Video verursacht. Unter anderem wird auf dem heimlich gefilmten Video über eine strategische Einflussnahme, verdeckte Wahlhilfe und möglicherweise illegale Parteienspenden diskutiert.
Die Debatte …
… dauert an. Eine Abstimmung wird zwischen 16 und 17 Uhr erwartet.
Die Attacke der FPÖ
Ex-Innenminister Herbert Kickl gilt als rechter Scharfmacher. Bei seiner Rede wird er seinem Ruf gerecht. Kurz sage, es tue ihm leid, dass die Koalition zerbrochen sei. «Doch das glaube ich nicht!» Kurz tue nur leid, dass seine Machtüberlegungen nicht aufgegangen seien. Er habe versucht, die Probleme eines Koalitionspartners für seinen eigenen Machtausbau zu nutzen, so Kickl über Kurz. Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache, den eigentlichen Auslöser der Regierungskrise, erwähnt er nur indirekt. Kickl spricht nebulös von vielem, dass «undurchsichtig, verworren, unklar» sei.
Die Reihe ist an ÖVP-Klubobmann August Wöginger
Die Neuwahlen seien kein Wunsch der ÖVP gewesen, so August Wöginger, sondern schlicht eine Notwendigkeit. Nach dem Video aus Ibiza habe man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können. Er bezeichnet den Misstrauensantrag gegen Kurz und seine Regierung als «unfassbar» und wirft der SPÖ vor, gegen den Willen des Volkes zu handeln. Und das Volk habe gestern bewiesen, was das Volk wolle, so Wöginger in Bezug auf das gute Abschneiden der ÖVP bei den EU-Wahlen am Wochenende.
Bundeskanzler Kurz …
… gibt sich zeitweise fassungslos:
Die SPÖ begründet ihren Misstrauensantrag
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner attackiert Kurz frontal: «Was Sie hier machen, ist ein schamloser, zügelloser und verantwortungsloser Griff nach Macht.» Aber die Macht in Österreich gehe vom Volk aus und nicht vom Bundeskanzler. Er habe in seiner Rede zwar viel gesagt, aber eines nicht: Dass seine Regierung gescheitert sein. «Dafür sind Sie alleine verantwortlich», so Rendi-Wagner weiter. Verantwortung bedeute, die Allgemeinheit im Blick zu halten. Kurz hingegen stelle «das Ich vor das Wir». Er und seine ÖVP-Regierung hätten das Vertrauen der SPÖ-Abgeordneten nicht mehr. Deshalb stelle sie nun einen Misstrauensantrag.
So reagiert Kurz
Danach ergreift Bundeskanzler Sebastian Kurz das Wort. Er sei überzeugt, dass der Misstrauensantrag gegen seiner Regierung nur parteipolitisch motiviert sei. Er verstehe die «Rachegelüste» mancher – dass mit ihm auch die gesamte Regierung gestürzt werde solle, sei aber nicht nachvollziehbar. Keine einzige kritische Stimme habe er gegen die Expertinnen und Experten in seiner Regierung gehört, so Kurz weiter. Er habe sich bemüht, seinen Beitrag zur Stabilität zu leisten. Bis im September sei nun das Parlament am Drücker, danach habe das Volk das Wort.
Sondersitzung im österreichischen Nationalrat
Die Sondersitzung im österreichischen Nationalrat wurde um 13 Uhr eröffnet. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka leitet die Sitzung. Danach begründet der SPÖ-Abgeordnete Jörg Leichtfried den Misstrauensantrag seiner Partei: Die letzten Tage hätten bewiesen, dass die politische Führung nicht verantwortungsvoll mit der schwierigen Situation umgehe. Für Leichtfried ist klar: «Die Regierung Kurz ist gescheitert.» Die Verantwortung dafür trage der Bundeskanzler.
Um was gehts?
Ein entscheidender Montag für Sebastian Kurz.Bild: EPA/EPA
Österreichs Bundeskanzler Kurz und seine Regierung müssen sich heute Montag im Parlament voraussichtlich zwei Misstrauensanträgen stellen.
Wieso gleich zwei Anträgen?
Nun, die beiden Anträge wurden von unterschiedlichen Parteien eingebracht und verfolgen ein unterschiedliche Ziel. «Jetzt», die kleinste Fraktion, hat einen Misstrauensantrag gegen den Bundeskanzler angekündigt. Die Sozialdemokraten der SPÖ hingegen wollen nach Angaben von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner einen eigenen Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung einbringen.
Überaus guten: Die rechte FPÖ und die SPÖ einigten sich am Montag darauf, der gesamten Regierung das Misstrauen auszusprechen. Die Abstimmung in der SPÖ-Fraktion dazu sei einstimmig ausgefallen, teilte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner mit. Auch die FPÖ-Fraktion habe einstimmig dafür votiert, hiess es aus Parteikreisen.
Die FPÖ? Waren die nicht …
HC Strache bei seiner Rücktrittsrede.Bild: AP/AP
Doch. Die FPÖ bildete bis vor rund einer Woche gemeinsam mit der ÖVP von Sebastian Kurz die Regierung. Dann hatte Kurz die seit 18 Monaten regierende Koalition aufgekündigt. Vorausgegangen war die Veröffentlichung eines 2017 heimlich auf Ibiza gedrehten Videos, das den späteren Vizekanzler Heinz-Christian Strache dabei zeigt, wie er einer angeblichen russischen Oligarchen-Nichte für Wahlkampfhilfe erhebliche wirtschaftliche Vorteile in Aussicht stellt. Strache war daraufhin von allen politischen Ämtern zurückgetreten.
Ok. Und wie geht es weiter, wenn der Misstrauensantrag durchkommt?
In diesem Fall wäre Sebastian Kurz' Kanzlerschaft nach knapp anderthalb Jahren beendet. Bereits jetzt sind Neuwahlen für den Herbst geplant. Die SPÖ will die aktuelle Übergangsregierung bis dahin durch ein Expertenkabinett ersetzt sehen. Der Kanzler habe in seiner 18-monatigen Regierungszeit und in der aktuellen Krise jegliches Vertrauen verspielt, weil er die Opposition praktisch völlig ignoriert habe.
Kann das gut gehen?
Bundespräsident Alexander Van der Bellen.Bild: EPA/EPA
Zudem hatten sich einflussreiche Medien und sogar der Grünen-nahe Bundespräsident Alexander Van der Bellen mehr oder weniger deutlich an die Seite von Kurz gestellt. Das Staatsoberhaupt hatte in den Tagen vor der Entscheidung an die Vernunft der politischen Parteien appelliert, die Regierungskrise nicht noch weiter eskalieren zu lassen.
Nach Korruptionsvorwürfen – Estlands Regierungschef Ratas kündigt Rücktritt an
Estlands Ministerpräsident Jüri Ratas hat nach Korruptionsvorwürfen gegen seine Partei seinen Rücktritt angekündigt. Er wolle damit die politische Verantwortung übernehmen und die Möglichkeit geben, die Vorwürfe aufklären zu können, teilte Ratas am Mittwoch in Tallinn mit. Die Justizbehörden des baltischen EU-Landes hatten zuvor Ermittlungen wegen eines staatlichen Hilfskredits an ein Immobilienprojekt gegen Ratas' linksgerichtete Zentrumspartei eingeleitet. (sda/dpa)