Ein fulminanter Sieg bei der Europawahl hat Österreichs Kanzler Sebastian Kurz unmittelbar vor einem geplanten Misstrauensantrag gegen ihn im Parlament massiv gestärkt. Laut vorläufigem Endergebnis hat seine konservative ÖVP ein Plus von 8.4 Prozentpunkten im Vergleich zur Europawahl 2014 eingefahren und kommt nun auf 35.4 Prozent.
Die sozialdemokratische SPÖ kommt auf 23.6 Prozent (ein Minus von 0.5 Prozentpunkten). Die FPÖ liegt bei 18.1 Prozent, das sind 1.7 Prozentpunkte weniger als bei der EU-Wahl 2014.
Die Grünen erreichen in etwa ihr historisch bestes Ergebnis von 2014 mit 13 Prozent. Die liberalen Neos sind stabil bei 8.1 Prozent. Noch nicht ausgezählt sind die rund 600'000 Stimmen der Briefwähler.
«Wir haben heute das historisch beste Wahlergebnis erzielt, das es jemals bei einer EU-Wahl in Österreich gegeben hat», sagte ein erleichterter Kurz am Abend vor Parteianhängern. «Mir fehlen nicht oft die Worte, aber heute bin ich fast sprachlos.» Einen solch grossen Abstand zum Zweitplatzierten habe es noch bei keiner Europawahl gegeben.
Das Ergebnis der Europawahl in Österreich war wegen der dramatischen innenpolitischen Entwicklungen mit besonders grosser Spannung erwartet worden. Die Wahl galt als erster Stimmungstest für die geplante Neuwahl im September.
Vor rund einer Woche hatte Kurz die seit 18 Monaten regierende Koalition mit der FPÖ aufgekündigt. Vorausgegangen war die Veröffentlichung des 2017 heimlich auf Ibiza gedrehten Skandal-Videos, das den ehemaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache dabei zeigt, wie er einer angeblichen russischen Oligarchen-Nichte für Wahlkampfhilfe erhebliche wirtschaftliche Vorteile in Aussicht stellt.
Strache trat daraufhin von allen politischen Ämtern zurück. Seitdem wird nach den Hintermännern des Videos gesucht. In den Fokus rückten zuletzt ein Wiener Anwalt und ein Detektiv, der ein Unternehmen mit Sitz in München führt.
Strache teilte am Freitag mit, dass er gegen die beiden Männer sowie den Lockvogel als unbekannten Täter Anzeige erstattet habe. In einer Erklärung bezeichnete Strache diese drei Personen als «mögliche Mittäter».
FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky bilanzierte zufrieden, dass trotz des schlagzeilenträchtigen Skandals das Ergebnis der rechten Partei mehr oder weniger stabil geblieben sei. «Ab heute beginnt die grösste Wähler-Rückholaktion, die Österreich je gesehen hat», sagte der 52-Jährige am Sonntag.
Angesichts der Regierungskrise und des Vertrauensverlusts der Opposition in den Kanzler war für Montag ein Misstrauensantrag gegen Kurz geplant. Die SPÖ und die nun oppositionelle FPÖ hätten gemeinsam genügend Stimmen, erstmals in Österreich einen Kanzler auf diese Weise zu stürzen.
«Wir werden am Montag einen Misstrauensantrag gegen Kurz stellen. Das ist fix», gab sich die kleinste Fraktion, die Liste «Jetzt», unbeirrt.
Die SPÖ ihrerseits will nach Angaben von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner einen eigenen Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung einbringen. Eine entsprechende Empfehlung habe die Parteiführung an die am Montag tagende Fraktion gegeben, sagte Rendi-Wagner am Sonntagabend. (sda/dpa)