Seit dem 18. Januar 2025 ist Fischen an der Küste von Gaza verboten. Das Ackerland ist durch stetige Bombardements zu mehr als 86 Prozent zerstört, wie eine Auswertung von UNOSAT zeigt. Die Palästinenserinnen und Palästinenser haben keine Grundlage mehr, sich selbst zu versorgen. Jede Kalorie, die von der Bevölkerung Gazas gegessen wird, muss in Form von Hilfslieferungen über Land oder Luft von Aussen kommen. Aber vor allem müssen die Lieferungen durch Israel hindurch, das seit Anfang März keine Genehmigungen mehr erteilt. Israel kontrolliert damit jeden Aspekt des Essens in Gaza.
Als direkte Konsequenz der israelischen Blockade leiden nun mindestens 250'000 Menschen an Hunger. Gaza hat damit die fünfte und letzte Stufe der IPC-Skala (Integrated Food Security Phase Classification) erreicht. Eine weitere Million Menschen befindet sich auf Stufe 4. Einzig im Sudan, in dem seit April 2023 ein blutiger Krieg herrscht, wird die Nahrungsunsicherheit ähnlich prekär eingeschätzt wie in Gaza.
Zerstörtes Farmland
Intaktes Farmland
Rund 150 Quadratkilometer (41%) der Fläche von Gaza wurde vor der israelischen Invasion für landwirtschaftliche Zwecke genutzt.
86% des Ackerlands in Gaza ist zerstört.
Etwa 14% des Ackerlands ist noch intakt.
Die Felder sind grün in Gaza.
Datum: 19.07.2023
Quelle: Copernicus
Nach 22 Monaten Krieg liegen die Äcker brach.
Datum: 18.07.2025
Quelle: Copernicus
Über 64% der Gewächshäuser sind zerstört oder beschädigt.
In der Ortschaft südlich von Gaza-Stadt wurden alle Gewächshäuser zerstört.
Gewächshäuser in Zeitoun vor der Zerstörung.
Datum: Juni 2023
Quelle: PlanetLabs
Gewächshäuser in Zeitoun nach der Zerstörung.
Datum: Mai 2024
Quelle: PlanetLabs
Seit Beginn der Bodenoffensive Israels wurden 5660 Gewächshäuser zerstört oder beschädigt.
Israel blockiert seit Jahrzenten die Fischerei im Gazastreifen. 1994 wurde die 20-Seemeilen-Zone als Teil des Oslo-Prozesses festgelegt.
Im Bertini-Abkommen wird eine 12 Seemeilen Grenze festgelegt.
Mitte 2006 beschränkt die IDF die Fischerei auf bis zu 6 Seemeilen von der Küste Gazas.
Im Gaza-Krieg von 2009 erlaubt Israel die Fischerei nur noch bis 3 Seemeilen von der Küste.
Israel weitet die Grenze 2019 stellenweise bis auf 15 Seemeilen aus.
Seit dem 18. Januar 2025 wird die Fischerei in Gaza komplett von Israel gewaltsam unterbunden.
Die Landwirtschaft machte vor 2023 einen Anteil von rund 10 Prozent der Wirtschaft Gazas aus. Mehr als 560'000 Menschen, ein Viertel der Bevölkerung, waren zumindest teilweise auf die Arbeit in der Landwirtschaft oder der Fischerei angewiesen. Heute ist der grösste Teil des Farmlands in Gaza zerstört – oder nicht erreichbar. Nur noch 9 Prozent des Farmlands sind für palästinensische Bäuerinnen und Bauern überhaupt zugänglich, wie die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN (FAO) berichtet. Von diesen 9 Prozent sind nur 1,5 Prozent zugänglich und für Kultivierung geeignet. Die restlichen 91 Prozent liegen in vom israelischen Militär besetzten Gebieten.
Gleich ergeht es der Fischerei in Gaza. Vor der Invasion konnten die Fischerinnen und Fischer jährlich rund 5417 Tonnen aus dem Mittelmeer fischen oder in Fischfarmen anzüchten. Proteinreicher Fisch ist ein integraler Bestandteil der Nahrungssicherheit in Gaza. Hinzu kommt, dass über 6000 Menschen in der Fischerei angestellt waren. Vor dem Krieg wurde die Fischerei insgesamt immer wichtiger.
Zone mit Evakuierungsbefehl
Als sicher deklarierte Zone
Intaktes Farmland
Viele noch intakte Felder liegen in für die Bevölkerung Gazas lebensgefährlichen Gebieten.
Durch die Invasion wurden grosse Teile des Gazastreifens mit einem Evakuierungsbefehl belegt. Ein Grossteil des intakten Farmlands liegt in diesen militarisierten Zonen.
Nur rund 1,5% des noch intakten Ackerlands ist überhaupt für palästinensische Bäuerinnen und Bauern zugänglich.
Das meiste davon liegt in Al-Mawasi und Dair al-Balah. Die letzten Regionen die als «sicher» deklariert sind.
Die systematische israelische Kontrolle über die Nahrungsversorgung von Gaza hat aber nicht erst im Oktober 2023 begonnen, sondern geht Jahrzehnte zurück. Eine oft zitierte Aussage von Dov Weisglass, einem Berater des damaligen israelischen Premiers Ehud Olmert, fasst die israelische Strategie so zusammen: «Die Idee ist, die Palästinenser auf Diät zu setzen, aber sie nicht verhungern zu lassen.» Das war 2006.
Diese kalkulierte Aushungerung kommt dann auch in einem Bericht von 2012 ans Licht. Gisha, eine israelische Menschenrechtsorganisation, gewinnt eine Klage, wonach das israelische Verteidigungsministerium einen 34-seitigen Bericht namens Food Consumption in the Gaza Strip – Red Lines veröffentlichen muss. Das Dokument legt die minimal nötige Nahrungszufuhr im Gazastreifen im Detail aus.
Auf «Slide 9» ist der berechnete tägliche Nahrungsbedarf der Bevölkerung Gazas zu finden – 2624 Tonnen. Damals bewohnten etwas weniger als 1,5 Millionen Menschen den Gazastreifen. Israel rechnete mit rund 1,7 Kilogramm Essen pro Person. Cogat, die israelische Behörde, welche für die Hilfslieferungen nach Gaza zuständig ist, rechnet mit einem Minimum von 2279 Kalorien pro Person und Tag – oder etwa 1,9 Kilogramm. Um wenigstens eine Hungersnot abzuweisen, fordern Hilfswerke heute ein noch tieferes Minimum von 62'000 Tonnen monatlich. Für die 2,1 Millionen Menschen in Gaza bedeutet das täglich nur 1 Kilogramm Essen pro Person.
Die israelische Regierung weiss also sehr genau, wie viel Essen nötig ist, um die Menschen in Gaza nicht verhungern zu lassen, und was zu wenig ist. Zwischen März und Juli 2025 erlaubte Israel nur 98'674 Tonnen an Hilfslieferungen in den Gazastreifen. Um selbst das Minimalziel von einem Kilogramm zu erreichen, wären während dieser fünf Monate 310'000 Tonnen nötig gewesen.
Wegen der weitreichenden Zerstörung der Landwirtschaft und der Fischerei ist Gaza zu 100% von Hilfslieferung abhängig.
Die Karte zeigt den Anteil der Bevölkerung, der unter katastrophaler Hungersnot (Phase 5) leiden. Phase 5 ist die höchste Stufe der Integrated Food Security Classification. 100% der Bevölkerung Gazas werden als Phase 3 (Krise) oder höher eingestuft.
Zwischen März und Juli kammen rund 98'674 Tonnen Essen nach Gaza. Weniger als ein Drittel des Minimums.
Die Verteilung der Hilfsgüter wird exklusiv über die Gaza Humanitarian Foundation (GHF) abgewickelt. Die GHF ist eine von den USA und Israel finanzierte und hoch umstrittene Hilfsorganisation, die seit Mai 2025 in Gaza tätig ist.
Die GHF unterhält vier Ausgabestellen in Gaza.
Alle der Standorte liegen in von der IDF mit Evakuierungsbefehlen belegten Zonen in Gaza und sind daher nur unter Lebensgefahr erreichbar.
Ausgabestellen in Wadi Gaza. Menschen stehen Teils in Kilometer langen Schlangen um an etwas Mehl zu kommen.
Datum: 05.08.2025
Quelle: Belal Abu/Imago
Wadi Gaza ist die einzige Ausgabestelle im Norden Gazas.
Um an den Start der Schlange zu gelangen müssen Menschen vom Stadtrand von Gaza-Stadt acht Kilometer zurücklegen.
Im Durchschnitt waren die GHF Ausgabestellen im Juni nur für 11 Minuten pro Tag offen.
Im Mai 2025 baut die IDF in den Trümmern von Rafah und Chan Yunis neue Ausgabestellen.
Tel al-Sultan
Datum: Mai 2025
Quelle: IDF
Das Israelische Militär eröffnet regelmässig das Feuer auf Menschen bei den GHF Ausgabestellen. Seit Mai 2025 sind fast 1400 Menschen getötet worden, während sie versuchten an Essen zu kommen.
Die IDF schiesst auf Menschen die nahe einer GHF Ausgabestelle auf Hilfsgüter warten
Datum: 05.08.2025
Quelle: Reuters
Durch das Ausbleiben ausreichender Hilfslieferungen in Kombination mit der Zerstörung der Fischerei und Landwirtschaft herrscht in Gaza seit diesem Sommer eine Hungersnot. Die israelische Regierung bestreitet die Existenz einer solchen vehement und schiebt gleichzeitig die Schuld auf die Hamas, ohne handfeste Beweise dafür vorzulegen. Das Hauptproblem liege bei der Verteilung der Lebensmittel – der Verteilung, die von Israel zusammen mit den USA koordiniert wird.
Die Gaza Humanitarian Foundation (GHF) ist seit Mai exklusiv für die Verteilung von Hilfsgütern in Gaza zuständig. Das US-Startup löst damit 400 nicht-militärische UN-Ausgabestellen ab, die bis dato die Bevölkerung mit Hilfsgütern versorgten. Stattdessen müssen Palästinenserinnen und Palästinenser heute einen der vier stark militarisierten Standorte aufsuchen, um an Hilfslieferungen zu kommen.
Alle GHF-Abgabestellen liegen in von der IDF militarisierten Zonen und sind daher für Zivilistinnen und Zivilisten nur unter Lebensgefahr erreichbar. Dennoch versuchen Hunderttausende täglich, bei den Abgabestellen an etwas Essen zu kommen. Nach Angaben der UN und der palästinensischen Gesundheitsbehörde sind seit Mai mindestens 1400 Menschen auf der Suche nach Essen getötet worden. Mindestens 859 davon rund um die GHF-Abgabestellen.
Selbst wenn Hilfesuchende heil bei den Standorten ankommen, sind sie oft nur während weniger Minuten offen. Wie eine Auswertung des Guardians zeigt, war etwa die Ausgabestelle «Saudi» am Rand der Stadt Rafah im Juni nur während durchschnittlich 11 Minuten offen. Die Ansagen, dass der Standort geöffnet wird, werden oft nur wenige Minuten vor der Öffnung auf Facebook geteilt. Um also an Essen zu kommen, müssen Palästinenserinnen und Palästinenser unter Lebensgefahr stundenlang zum Anfang der Schlange pilgern und darauf hoffen, dass die Abgabestelle geöffnet wird, und dann auch noch lange genug offen bleibt, um überhaupt ans Ende der kilometerlangen Schlange zu gelangen.
Doch selbst unter der Annahme, dass jedes einzelne Gramm der Hilfslieferungen ankommt, reicht der Durchschnitt der letzten fünf Monate gerade für eine tägliche Ration von 313 Gramm Essen pro Person. Die Zahl der Hungertoten in Gaza steigt täglich an, wie das palästinensische Gesundheitsministerium bekannt gibt.
Für die nähere Zukunft prognostiziert die IPC, dass sich die Zahl der Menschen, die in Gaza unter der Hungersnot leiden, auf fast eine halbe Million verdoppeln wird, sollte sich die humanitäre Lage im Gaza-Streifen nicht rasant verbessern.
Weshalb können Hilfslieferungen nicht via Ägypten in den Gazastreifen gelangen? Welche objektiven Gründe verunmöglichen dies?
Die Hamas schaut vielleicht zu und freut sich, dass Israel gegen die Menschenrechte verstößt.
Haben die vielen Toten bisher irgendwie die Hamas beeinflusst?
Falls die Geiseln noch leben, werden diese ebenso hungern.
Geld fließt über den internationalen Geldhandel zu denen.
Wenn diese Tunnelsysteme noch bestehen, dann versorgt sich die Hamas.
Die einzigen die leiden ist die Zivilbevölkerung