Die EU verfehlt bei der Verteilung von 60'000 Flüchtlingen knapp ihr Ziel und schafft es nicht, die Migranten in den nächsten zwei Jahren zu verteilen. Sie einigten sich lediglich auf die Verteilung von knapp 55'000 Menschen. Bereits zum dritten Mal stritten sich die Minister über die Flüchtlingsverteilung.
Man habe ein «respektables Resultat» erreicht, eines «sehr nahe am Ziel», sagte der luxemburgische Aussen- und Migrationsminister sowie EU-Ratsvorsitzende Jean Asselborn. Mit der Verteilung von Flüchtlingen könne nun im Oktober begonnen werden.
Ursprünglich hatte die EU-Kommission einen verbildlichen Verteilschlüssel für alle Mitgliedstaaten einführen wollen. Nach diesem hätten 40'000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland verteilt werden sollen - als Zeichen der Solidarität.
#EU ministers fall a bit short on goal to relocate 40,000 refugees. Today's deal only gets to 32,256 pic.twitter.com/9mxgVz1xZG
— Peter Spiegel (@SpiegelPeter) 20. Juli 2015
Die restlichen 20'000 sollten direkt aus Flüchtlingslagern in Krisengebieten von der UNO ausgesucht und in den EU-Staaten neu angesiedelt werden. Brüssel wurde jedoch von EU-Staats- und Regierungschefs Ende Juni zurückgepfiffen. Mittlerweile wird nur noch von freiwilliger Aufnahme gesprochen.
Das Neuansiedlungsprogramm machte wenig Probleme: Die Zahl von 20'000 wurde am informellen Treffen Anfang Juli mehr als übertroffen. Ausser Ungarn beteiligen sich alle EU-Staaten daran - selbst Italien mit 1980 und Griechenland mit 354 Flüchtlingen.
Auch die Schweiz - die sich via Dublin-Abkommen teilweise an der EU-Flüchtlingspolitik beteiligt - nimmt mit 519 Flüchtlingen am EU-Neuansiedlungsprogramm teil.
Bereits im März hatte die Schweiz unabhängig von der EU beschlossen, bis zu 3000 Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen - über ein Neuansiedlungsprogramm oder humanitäre Visa. In einem ersten Schritt werden nun rund 1000 Menschen aufgenommen. Im Herbst wird der Bundesrat weiter entscheiden.
Beim Umverteilungsprogramm von Italien und Griechenland auf die anderen EU-Staaten verlief die Diskussion hingegen harzig. Schliesslich griffen die Minister am Montag zu einem Trick: Sie «verschoben» die Zahl von 2500 Flüchtlinge aus dem Neuansiedlungs- zum Umverteilungsprogramm.
Neu präsentiert sich das Resultat nun wie folgt: 22'504 Flüchtlinge profitieren vom Neuansiedlungsprogramm - also kommen direkt aus Drittsaaten nach Europa. 32'256 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien werden auf fast alle andere EU-Länder verteilt.
Denn Ungarn und Österreich stellten sich quer. Die beiden Staaten übernehmen keine Flüchtlinge von den Mittelmeerländern. Die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner begründete diese Haltung damit, dass Österreich «derzeit genauso viele Asylanträge wie Griechenland und Italien zusammen» behandle.
Wenn man das umrechne auf die Einwohnerzahl, heisse das, dass Österreich nahezu zehn Mal so viele Asylanträge behandle, wie Griechenland und Italien zusammen, so die Österreicherin weiter. «Und das kann wohl nicht gerecht sein.»
Grossbritannien, Dänemark und Irland haben ihrerseits eine Sonderregelung, nach der sie keine Flüchtlinge aus anderen EU-Staaten aufnehmen müssen. Während die ersten beiden Länder von ihrem Privileg profitieren, beteiligt sich Irland mit der Übernahme von 600 Flüchtlingen am Programm.
Wesentlich unter dem Vorschlag der EU-Kommission blieben auch die drei baltischen Staaten sowie viele osteuropäischen Staaten. Nur Rumänien bildet eine positive Ausnahme.
Die Deutschen und die Franzosen hingegen hatten bereits beim letzten Treffen im Juli angekündigt, wie viele Flüchtlinge sie aufzunehmen werden. Beide Länder orientierten sich am ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission und übernehmen mit Abstand am meisten Flüchtlinge: Bei Deutschland sind das insgesamt 12'100 und bei Frankreich 9147.
Doch die Minister griffen am Montag zu einem zweiten Trick. «Wir haben eine Lösung für die Verteilung in diesem Jahr», sagte die deutsche Staatssekretärin Emiliy Haber. Denn die 60'000 Flüchtlinge müssen über zwei Jahre verteilt werden. Man werde sich zu diesem Thema im Herbst erneut treffen, sagte Asselborn. Damit lassen die Minister eine Hintertüre offen.
Der Luxemburger Migrationsminister betonte zudem die Wichtigkeit der so genannten «Hotspots», die in Italien und Griechenland eingerichtet werden oder schon eingerichtet sind.
In diesen«Hotspots» werden neu angekommene Flüchtlinge vor Ort von Fachpersonal registriert. Dies soll helfen, «echte» Flüchtlinge von «nur» Wirtschaftsflüchtlingen zu unterscheiden, um letztere möglichst schnell wieder zurück schicken zu können. Die flächendeckende Registrierung von Flüchtigen war für viele EU-Länder Bedingung, dass sie sich am Umverteilungsprogramm beteiligten. (sda)