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Mazedonien will den Flüchtlingsstrom mit Gewalt stoppen: Polizei setzt Tränengas ein

Mazedonien will den Flüchtlingsstrom mit Gewalt stoppen: Polizei setzt Tränengas ein

21.08.2015, 10:5721.08.2015, 18:17
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Polizisten setzen Tränengas gegen aufgebrachte Flüchtlinge ein.
Polizisten setzen Tränengas gegen aufgebrachte Flüchtlinge ein.Bild: Darko Vojinovic/AP/KEYSTONE

Mit Gewalt und einer faktischen Grenzschliessung versucht Mazedonien, den Flüchtlingszustrom aus dem benachbarten Griechenland aufzuhalten. Mehrere Flüchtlinge wurden beim harten Polizeieinsatz verletzt. Tausende Flüchtlinge sitzen an der Grenze fest. 

Mehrere Flüchtlinge werden verletzt
Mehrere Flüchtlinge werden verletztBild: Darko Vojinovic/AP/KEYSTONE

Die mazedonische Polizei ging am Freitag an der geschlossenen Grenze zu Griechenland mit Tränengas gegen Flüchtlinge vor. Hinter Stacheldraht verschanzte Bereitschaftspolizisten feuerten auch Blendgranaten in eine aufgebrachte Menge, die beim Ort Gevgelija Einlass in die ehemalige jugoslawische Teilrepublik forderte. 

Ein Team von Ärzte ohne Grenzen behandelte in der griechischen Grenzstadt Idomeni zehn Flüchtlinge, die durch Blendgranaten verletzt wurden, wie die Hilfsorganisation am Freitag mitteilte. Schon nach der Abriegelung der Grenze am Vortag habe das Team mehr als hundert Flüchtlinge wegen Erkrankungen und Erschöpfung medizinisch versorgt. 

Wenige Stunden nach dem Polizeieinsatz vom Freitag gelangten Hunderte Flüchtlinge in die ehemalige jugoslawische Teilrepublik. «Die Polizei hat sich zurückgezogen, und wir sind reingekommen», sagte gemäss der Nachrichtenagentur Reuters ein Mann, der seinen Namen nicht nennen wollte. «Niemand hat uns aufgehalten», wurde er zitiert. 

Die Verletzten werden weggetragen, kritisch beäugt von Polizeikräften.YouTube/Ruptly TV

Tausende Flüchtlinge vornehmlich aus Syrien hatten die Nacht auf Freitag bei kühlen Temperaturen unter freiem Himmel im Niemandsland verbracht. Mazedonien hatte zuvor am Donnerstag an seinen Grenzen im Süden und Norden wegen der hohen Anzahl von Flüchtlingen den Ausnahmezustand ausgerufen und damit die Übergänge faktisch dichtgemacht. Zur Verstärkung der Grenzbeamten schickte die Regierung auch Soldaten. 

Mazedonien hat sich zu einem Haupt-Transitland für Flüchtlinge entwickelt, die über Griechenland weiter in die nördlichen Staaten der Europäische Union wollen. Seit Juni gilt ein Gesetz, das Flüchtlingen 72 Stunden Zeit gibt, durch Mazedonien zu reisen und dabei auch öffentliche Verkehrsmittel kostenlos zu nutzen. 

Seitdem schwoll die Zahl der Flüchtlinge im Grenzort Gevgelija täglich an. In Griechenland waren allein im Juli 50'000 Menschen aus unterschiedlichen Staaten angekommen, weit mehr als im gesamten vergangenen Jahr. Die Zahl der Menschen im Niemandsland vor der mazedonischen Grenze dürfte daher noch anwachsen. 

Flüchtlinge in Mazedonien

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Flüchtlinge in Mazedonien
Zwischenstation Gevgelija. Flüchtlinge versuchen von hier aus weiter nach Serbien zu reisen.
quelle: x01507 / stoyan nenov
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Viele der Flüchtlinge versuchen, schnell durch Mazedonien über Serbien und Ungarn weiter nach Westen zu kommen. Ungarn baut derzeit einen Grenzzaun, um dies zu verhindern. 

Das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR kritisierte am Freitag Mazedoniens Grenzschliessung. «Diese Flüchtlinge sind auf der Suche nach Schutz und dürfen davon nicht abgehalten werden», sagte Sprecherin Melissa Fleming. Europa müsse eine Lösung finden und dürfe die überlasteten Länder Mazedonien und Serbien nicht alleinlassen. 

Der UNO-Flüchtlingskommissar Antonio Guterres seinerseits forderte Europa auf, die Einstellung zur Einwanderung zu überdenken, statt die Augen vor den Herausforderungen zu verschliessen. Die Diskussionen über Migration in Europa seien «eher emotional als rational». 

«Niemand schert sich um uns»

Anstatt die Zunahme der Zuwanderer und Flüchtlinge unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der europäischen Länder zu regeln, gebe es eine «Situation des Leugnens», sagte Guterres in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP in Genf. «Diejenigen, die von dieser Situation des Leugnens profitieren, sind die Schmuggler und Schlepper», so der Portugiese. 

Europa müsse erkennen, dass es angesichts niedriger Geburtenraten auf Zuwanderung angewiesen sei, sagte Guterres. «Migration ist Teil der Lösung von europäischen Problemen.» (sda/reu/afp) 

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