Der ehemalige algerische Verteidigungsminister Khaled Nezzar, der von der Schweizer Justiz wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verfolgt wurde, ist am Freitag im Alter von 86 Jahren in der algerischen Hauptstadt Algier gestorben. Das berichtete das staatliche Fernsehen.
Der algerische Präsident Abdelmadjid Tebboune würdigte am Freitag in einer Beileidsbekundung an die Familie «eine der herausragendsten militärischen Persönlichkeiten», die ihr Leben «im Dienst der Nation» gewidmet habe.
Ende August hatte die Bundesanwaltschaft beim Bundesstrafgericht in Bellinzona Anklage gegen Nezzar eingereicht. Gemäss Anklageschrift soll er zwischen 1992 und 1994 wissentlich und willentlich Folter und «andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen», Verletzungen der körperlichen und psychischen Unversehrtheit, willkürliche Inhaftierungen und Verurteilungen sowie Hinrichtungen zumindest gebilligt, koordiniert und gefördert haben. Sein Aktionsplan habe das Ziel gehabt, «die islamistische Opposition auszurotten».
«Die Unabhängigkeit der Justiz rechtfertigt weder Verantwortungslosigkeit, noch masst sich irgendein Justizsystem das absolute Recht an, über die Politik eines souveränen und unabhängigen Staates zu urteilen», reagierte das algerische Aussenministerium damals in einem Telefonat mit Ignazio Cassis. Algerien behauptete, dass der Fall «die Grenzen des Unzulässigen und Unerträglichen» erreicht habe.
Während des auch «décennie noire» genannten Bürgerkrieges zwischen 1992 und 1999 sollen gemäss verschiedenen öffentlichen Quellen bis zu 200'000 Menschen getötet und rund 1.5 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben worden sein. Weitere 20'000 Personen sollen verschwunden sein.
Nezzar war im Oktober 2011 in Genf aufgrund einer Klage einer Schweizer NGO festgenommen und später wieder freigelassen worden. Danach hatte er die Schweiz verlassen.
2017 hatte der Generalstaatsanwalt das Verfahren mit der Begründung eingestellt, dass die Schweiz nicht für seine Verurteilung zuständig sei. Eine Beschwerde zwang die Justiz 2018 jedoch dazu, das Verfahren wieder aufzunehmen. (sda)