Der bewaffnete Mann betrat am Dienstag die Grazer Schule und schoss in zwei Klassen um sich. Die Polizei rückte um 10 Uhr mit einem Grossaufgebot aus und durchsuchte in der Folge das Gebäude. Über 160 Beamte und Rettungskräfte standen im Einsatz.
Kurz vor Mittag gaben die Behörden bekannt, dass keine Gefahr mehr bestehe. Die Polizei geht von einem Einzeltäter aus. Der mutmassliche Täter wurde tot aufgefunden. Schülerinnen und Schüler sowie Eltern wurden durch ein Kriseninterventionsteam betreut. Ein spezieller Alarmplan des Landes für die Versorgung zahlreicher Verletzter sei aktiviert worden.
Die Behörden sprechen aktuell von zehn Todesopfern – sieben weibliche und drei männliche. Wie das österreichische Innenministerium berichtet, handelt es sich bei den Todesopfern um Schüler und Lehrer der Schule. Die genaue Identität der Opfer ist aber noch offen.
Zwölf Menschen sind beim Angriff teils schwer verletzt worden. Das berichtete der österreichische Innenminister Gerhard Karner in Graz. Über ihren genauen Zustand ist aktuell nichts Weiteres bekannt. Sowohl die Notaufnahme als auch der Schockraum im Grazer Landeskrankenhaus waren zeitweise überlastet.
Beim mutmasslichen Täter handelt es sich um einen ehemaligen Schüler, der jedoch keinen Abschluss gemacht hatte. Er wohnte im Raum Graz und war arbeitslos. Er war nicht polizeibekannt.
Der 21-Jährige besass die am Tatort sichergestellte Faustfeuerwaffe und eine Schrotflinte legal. Er hatte eine Waffenbesitzkarte, deren Erwerb unter anderem mit einem psychologischen Test verbunden ist.
Der Amokschütze von Graz hat einen Abschiedsbrief hinterlassen. Die Polizei habe ein in analoger und digitaler Form vorliegendes Dokument sichergestellt, sagte der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, im ORF-Fernsehen. Das Schreiben gebe aber keinen klaren Hinweis auf das Motiv des Schützen, so Ruf. Medien hatten spekuliert, dass der junge Mann in seiner Schulzeit wohl gemobbt worden sei.
Nebst dem Brief wurde später auch bekannt, dass der Täter vor dem Angriff ein Video aufgenommen hatte, das an seine Mutter gerichtet war. Darin hat er die Tat angekündigt und erklärt, er handle aus freien Stücken, wie heute.at berichtete. Die Mutter sah das Video den Informationen zufolge 24 Minuten, nach dem es ihr geschickt wurde. Sie habe danach umgehend bei der Polizei Alarm geschlagen – es war allerdings bereits zu spät, der Täter bereits an der Schule eingedrungen.
Ein Experte für Schulpsychologie hielt ein Mobbing-Motiv des Täters derweil für plausibel. Da gehe es um «kleine und kleinste Nadelstiche», die sich im Laufe der Zeit zu einer gewaltigen Kränkung steigern könnten, sagte Josef Zollneritsch vom Schulärztlichen Dienst der Bildungsdirektion Steiermark im ORF-Fernsehen.
Die Schulpsychologen hätten immer mehr Fälle, in denen sich Schüler in irgendeiner Form nicht gesehen, beachtet und angenommen fühlten. Das könne die latente oder offene Neigung zu Gewalt befördern. «Wir müssen feststellen, dass wir ganz allgemein, also, steigende sozial-emotionale Schwierigkeiten haben, nicht nur in den steirischen Schulen, sondern ich glaube in allen Schulen Österreichs.» Daher müsste unbedingt in die Prävention wesentlich mehr als heute investiert werden.
Bei der Schule handelt es sich um ein sogenanntes Bundes-Oberstufenrealgymnasium. An solchen Schulen sind Schülerinnen und Schüler in der Regel 14 Jahre und älter. Die Schule zeigt auf ihrer Webseite 17 Schulklassen und ein Foto von rund 40 Lehrkräften.
Österreich wird nach den tödlichen Schüssen in einer Schule in Graz der Opfer mit einer dreitägigen Staatstrauer gedenken. Zudem gibt es am Mittwochmorgen um 10 Uhr eine landesweite Trauerminute.
Die Trauer im Land und in Graz, der mit 300'000 Einwohnern zweitgrössten Stadt Österreichs, ist gross. Zahlreiche politische und gesellschaftliche Veranstaltungen wurden mit Blick auf das dramatische Geschehen abgesagt oder verschoben. Dazu zählt ein Bundesparteitag der rechten FPÖ sowie ein Landesparteitag der ÖVP.
Unter dem Eindruck des Geschehens, das Kanzler Stocker als «nationale Tragödie» beschrieb, riefen praktisch alle Parteien zu gesellschaftlicher Solidarität auf. Bundespräsident Alexander Van der Bellen schrieb auf X: «Heute und in den schweren Tagen, die kommen, wird unser Land zeigen, dass in diesem Miteinander unsere Stärke liegt.»
Auch die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) sprach von einer «furchtbaren Tragödie», der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) gab an, er sei zutiefst erschüttert. «Gerade in solchen Momenten müssen wir als Gesellschaft zusammenstehen», sagt er. Aussenministerin Beate Meinl-Reisinger sagte:
Die Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter kondolierte den Opfern von Graz auf der Social-Media-Plattform X. Mit grosser Bestürzung habe sie vom Amoklauf erfahren, teilte sie am Dienstag mit.
«Meine Gedanken sind bei den Angehörigen aller Opfer dieser schrecklichen Tat», schrieb die 61-Jährige. Den Verletzten wünsche sie eine rasche Genesung.
Auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach seine Anteilnahme aus. «Mit grosser Bestürzung und tiefer Trauer habe ich von der Gewalttat in Graz erfahren, bei der so viele unschuldige Menschen ihr Leben verloren haben», hiess es in einem Kondolenzschreiben an seinen österreichischen Amtskollegen. «Ihre deutschen Nachbarn sind im Herzen bei Ihnen», so Steinmeier.
Ähnlich äusserte sich auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in einem Telegramm an seinen Amtskollegen Stocker. «Es erschüttert mich zutiefst, dass junge Menschen so jäh aus dem Leben gerissen wurden», so Merz.
Die Sicherheitsbehörden in Österreich zeigen sich offen für eine Debatte über das Waffenrecht. Es gelte, den Fall genau zu analysieren und zu prüfen, ob die gesetzlichen Vorgaben lückenhaft seien und gegebenenfalls nachgeschärft werden müssten, sagte der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf.
Bestimmte Gewehre kann praktisch jeder 18-Jährige kaufen. Für eine Faustfeuerwaffe, wie sie der Amokschütze einsetzte, ist eine Waffenbesitzkarte nötig. Die wurde dem jungen Mann nach einem psychologischen Test auch ausgestellt. Deshalb stellen sich umso mehr Fragen, ob die Hürden für den Erwerb, den Besitz oder das Führen von Waffen hoch genug sind. Auch eine Diskussion um die generelle Gewährleistung der Sicherheit an Schulen ist zu erwarten.
Mit Material von sda/dpa
(rbu/hkl/con)