International
Papst

Ohne Benedikt ist Franziskus einsamer – und Spannungen könnten zunehmen

epa10386201 A handout photo made available by Vatican Media shows faithful paying their respects to Pope Emeritus Benedict XVI (Joseph Ratzinger) whose body lies in state in the Saint Peter's Bas ...
Der aufgebahrte Benedikt XVI., 02. Januar 2023. Bild: keystone

Ohne Benedikt ist Papst Franziskus einsamer – und Spannungen könnten im Vatikan zunehmen

Fast zehn Jahre lang lebten hinter den vatikanischen Mauern zwei Päpste, ein amtierender und ein emeritierter. Mit dem Tod von Benedikt XVI. kehrt der Kirchenstaat nun zur Normalität zurück. Für Papst Franziskus wird das Führen der Kirche wohl nicht einfacher.
03.01.2023, 12:20
Dominik Straub, Rom / ch media
Mehr «International»

Seit dem spektakulären Amtsverzicht von Benedikt XVI. am 28. Februar 2013 – dem ersten Rücktritt eines Papstes nach über 600 Jahren – war immer wieder spekuliert worden, ob das gut gehen könne, mit zwei Päpsten im Vatikan, mit zwei so unterschiedlichen noch dazu. Sogar die Gefahr einer möglichen Kirchenspaltung, eines Schismas, wurde gelegentlich heraufbeschworen.

Und tatsächlich hat es in den fast zehn Jahren der «Cohabitation» nicht an Versuchen gefehlt, den emeritierten Benedikt - eine Ikone der Konservativen und Traditionalisten - gegen den Reformer und vermeintlichen Häretiker Franziskus auszuspielen und zu instrumentalisieren.

Der Dualismus mit den beiden Päpsten, die im Vatikan nur rund hundert Meter voneinander entfernt wohnten - Franziskus im Gästehaus Santa Marta, Benedikt im kleinen Kloster Mater Ecclesiae - destabilisiere das Pontifikat von Franziskus, oder habe zumindest das Potenzial dazu, glaubten viele Vatikankenner. Die ungewöhnliche Situation sei für den amtierenden Papst ein Klotz am Bein.

Wahr ist genau das Gegenteil. Dies ist zumindest die Überzeugung des Publizisten und ehemaligen Diplomaten Massimo Franco, einem der besten Kenner der Vatikan-Interna in Italien. Benedikt, schrieb Franco am Montag im «Corriere della Sera», sei für Franziskus vielmehr ein Bollwerk, eine Art Schutzschild gegen seine Gegner gewesen - weil sich sein Vorgänger von den Konservativen eben nicht vor den Karren habe spannen lassen.

Eine Belastung für das Pontifikat

Gleichzeitig sei die Präsenz des emeritierten Vorgängers im Vatikan auch ein Hindernis für die «Progressiven» gewesen, denen die Reformen von Franziskus zu wenig weit und zu wenig schnell gehen. «Es gab einen stillschweigenden Pakt zwischen dem Vorgänger und seinem Nachfolger, der Übertreibungen sowohl in die eine als auch in die andere Richtung verhinderte, im Namen der Einheit der Kirche», schreibt Franco. Franziskus sei mit dem Tod von Benedikt nun einsamer geworden; die Spannungen zwischen den Traditionalisten und den Reformern in der Kurie könnten sich nun zuspitzen und das Pontifikat belasten.

FILE - Pope Francis embraces Pope Emeritus Benedict XVI, right, at the Vatican, on June 28, 2017. Pope Benedict XVI's 2013 resignation sparked calls for rules and regulations for future retired p ...
Päpste unter sich. Sie mochten sich: Papst Franziskus (links) und sein Vorgänger Benedikt, 2017. Bild: keystone

Franco berichtet auch von einem seiner persönlichen Treffen mit Benedikt in den vatikanischen Gärten vom Frühling 2018. Der emeritierte Papst habe damals mit «freudiger Verwunderung» konstatiert, dass das Zusammenleben der beiden Päpste reibungslos funktionierte. «Das war nicht selbstverständlich, es war schon fast ein Wunder. Aber wir haben uns eben gerne», zitiert Franco den früheren Papst. Franziskus war auch der Erste, der nach der Nachricht vom Tod Benedikts ins Kloster Mater Ecclesiae eilte, um neben seinem verstorbenen Vorgänger zu beten.

Verzichtet Franziskus nun ebenfalls?

Und noch etwas ändert sich mit dem Tod des Vorgängers: Franziskus könnte nun ebenfalls irgendwann auf sein Amt verzichten. Das hätte er zwar theoretisch schon bisher tun können, aber dann hätte die Kirche statt zwei sogar drei Päpste gehabt, was wohl etwas zu viele gewesen wären. Das wollte Jorge Mario Bergoglio nicht, und die Aussicht auf eine derartige Situation war ein wichtiger Grund gewesen, warum er sich bisher, wie er selber sagte, noch nie ernsthaft mit dem Thema Rücktritt beschäftigt habe.

Gleichzeitig hat Franziskus aber auch betont, dass Benedikt mit seinem Amtsverzicht «eine Tür geöffnet» habe, über deren Schwelle nun auch andere Päpste treten könnten. Und dabei hat Franziskus mit Sicherheit auch an sich selber gedacht: Mit seinen 86 Jahren ist er nun bereits ein Jahr älter als Benedikt zum Zeitpunkt seines Amtsverzichts.

epa10386474 The body of the late Pope Emeritus Benedict XVI (Joseph Ratzinger) lies in the state in the Saint Peter Basilica for public viewing, Vatican City, 02 January 2023. Former Pope Benedict XVI ...
Der aufgebahrte Benedikt XVI., 02. Januar 2023.Bild: keystone

In Rom läuft inzwischen die fünftägige Abschiedszeremonie für Benedikt auf Hochtouren. Am Montag ist der Leichnam des emeritierten Papstes in einer privaten Zeremonie vom Kloster Mater Ecclesiae in den Petersdom gebracht und aufgebahrt worden. Bereits im Morgengrauen bildete sich auf dem Petersplatz eine lange Schlange von Menschen, die persönlich von dem früheren Pontifex Abschied nehmen wollten.

Am Donnerstag wird dann Franziskus persönlich die Totenmesse für Benedikt auf dem Petersplatz leiten. In der über zweitausendjährigen Geschichte der katholischen Kirche ist dies ein einmaliger Vorgang: Noch nie hat ein amtierender Papst das Requiem für seinen Vorgänger gehalten – aus dem einfachen Grund, weil nach dem Tod eines Papstes normalerweise in einem Konklave erst ein neuer Papst gewählt werden muss. Dies ist diesmal nicht nötig. Nach der Totenmesse wird Benedikt in der Krypta des Petersdoms, wo die meisten Päpste begraben liegen, beigesetzt werden.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
9 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
9
Kriegsgefahr in Nahost: So lässt sich eine Eskalation verhindern
Der iranische Angriff auf Israel könnte sich zu einem grossen Krieg im Nahen Osten ausweiten. Es gibt jedoch Gründe, die gegen ein solches Szenario sprechen.

Unter Schah Reza Pahlewi unterhielt Iran gute Beziehungen mit Israel. Sein Sturz durch die islamische Revolution vor 45 Jahren führte zu einem radikalen Wandel. Das Mullah-Regime betonte, dass es das «zionistische Gebilde» von der Landkarte tilgen wollte. Israel wiederum betrachtete vor allem das iranische Atomprogramm als tödliche Bedrohung.

Zur Story