Wie sich deine Lieblings-Comedians von den Saudis kaufen liessen
Dave Chappelle, Bill Burr, Jim Jeffries, Whitney Cummings, Tom Segura, Kevin Hart, Andrew Schulz, Jimmy Carr, Louis C. K., Pete Davidson, Russell Peters, Chris Tucker, Jo Koy und viele mehr.
Was aussieht wie die Liste der meistgesehenen Comedy-Programme auf Netflix (minus Ricky Gervais), ist das Line-up am Riad Comedy Festival. Es findet aktuell (vom 26. September bis zum 9. Oktober) in der saudischen Hauptstadt statt. Geladen hat seine Exzellenz Turki «Tutu» Al-Sheikh.
Der Vorsitzende der Behörde für Unterhaltung begann seine Karriere als Mitarbeiter im Innen- und Verteidigungsministerium. Später löste er Probleme für den Kronprinzen Mohammed bin Salman (MbS). Spass verstand er dabei keinen. Das offenbart ein intensiv recherchierter Artikel von The Atlantic.
Al-Sheikh werden zahlreiche Menschenrechtsverbrechen vorgeworfen. Er liess so viele persönliche Kritiker ins berüchtigte al-Ha’ir-Hochsicherheitsgefängnis werfen, dass die Insassen dort einen Gefängnisflügel nach ihm benannten. Als die ägyptische Sängerin Amal Maher bei der Polizei eine Klage gegen ihn einreichte, verschwand sie für zwei Jahre von der Bildfläche. Vor Gericht erscheinen musste Al-Sheikh nie.
Mit MbS verbindet Al-Sheikh eine lange Freundschaft, die zurückgeht auf seine Teenager-Jahre. Die beiden zockten zusammen «League of Legends» und «Assassin’s Creed». Beim Aufstieg von MbS nahm Al-Sheikh dann eine tragende Rolle ein. Diese führt er nun beim Sports- und Whitewashing von Saudi-Arabien weiter.
2024 postete Al-Sheikh ein Foto, das ihn mit Saud al-Qahtani zeigt. Dieser wiederum wird als Drahtzieher bei der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi verdächtigt. Für hochrangige Saudi-Regierungsvertreter war al-Qahtani deshalb lange Zeit ein rotes Tuch. Das Foto mit dem einflussreichen Al-Sheikh wird als Versuch interpretiert, al-Qahtani in elitären Kreisen des Landes zu rehabilitieren.
Wie wenig zu lachen einheimische Comedians haben, zeigt der Fall des «Seinfelds» von Saudi-Arabien, Fahad Albutairi. 2018 wurde er gewaltsam aus Amman, Jordanien, zurück nach Saudi-Arabien gebracht und dort inhaftiert. Gleichzeitig wurde seine Ex-Frau, die Menschenrechtsaktivistin Loujain al-Hathloul, ins Gefängnis geworfen und später gefoltert. Erst Ende 2020 wurde sie wieder aus der Haft entlassen.
Fahad Albutairi ist heute eine der namhaftesten YouTube-Persönlichkeiten in Saudi-Arabien. Am Riad-Humorfestival durfte er trotzdem nicht auftreten. Dafür aber die besagten Stars aus den USA, England und Australien. Die wortgewandten Comedians waren sich denn auch nicht zu schade, ihre Anwesenheit in Riad schönzureden.
Jim Jeffries beispielsweise meinte in einem Podcast salopp: «Ja, ja. Ein Reporter wurde von der Regierung getötet. Das ist bedauerlich, aber kein Grund, mich darüber aufzuregen.»
Die Übersetzung wird der Schamlosigkeit nicht gerecht. Jeffries benutzte den Ausdruck «but not a fucking hill that I'm gonna die on». Bei diesem Wortwitz dürfte sich Turki al-Jasser im Grab umdrehen. Der saudische Reporter wurde Mitte Juni nach siebenjähriger Haft hingerichtet – mutmasslich geköpft. Laut Menschenrechtsorganisationen war ihm eine öffentliche Rede zum Verhängnis geworden.
Weiter befand Jeffries, dass es nur etwas Gutes sein könne, wenn «30 fucking Comedians» zusammenkommen, denen «erlaubt wird, alles zu sagen, was sie wollen». Warum sich Jeffries zu dieser Aussage hinreissen liess, bleibt schleierhaft. Sie ist nachweislich falsch. Am Comedy Festival von Riad herrscht strenge Zensur.
Wie sich dank Atsuko Okatsuka herausstellte, war den «30 fucking Comedians» ganz und gar nicht erlaubt, «alles zu sagen, was sie wollen». Die japanischstämmige US-Komikerin teilte ihre Einladung für das Riad-Festival auf Social Media. Aus den Vertragsbestimmungen wird ersichtlich, dass sämtliche Witze untersagt sind, die sich gegen …
- a) ... das Königreich Saudi-Arabien, einschliesslich seiner Führung, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Kultur oder Bevölkerung richten.
- b) ... die saudische Königsfamilie, das Rechtssystem oder die Regierung richten.
- c) ... jede Religion, religiöse Tradition, religiöse Persönlichkeit oder religiöse Praxis richten.
Dass es die Veranstalter damit ernst meinen, bekam Tim Dillon zu spüren. Der homosexuelle Komiker gab als einer der wenigen zu, dass ihm genug offeriert wurde, «um wegzusehen». Laut eigenen Angaben hätte Dillon für einen Auftritt 375’000 Dollar erhalten. Doch dazu kam es nicht. Weil er es wagte, in seinem Podcast einen Witz über Zwangsarbeit in Saudi-Arabien zu reissen, wurde er wieder ausgeladen. Die immer noch stolze Entschädigung will er spenden. Klar ist: Bei der Zwangsarbeit, da hört der Spass auf – obwohl das Anprangern von Missständen normalerweise das Fundament guter Comedy à la Chappelle, Burr, Jeffries und Co. bildet.
Dillon war es auch, der als einziger den Preis für seine Ehre offenlegte: Laut seinen Angaben würden die Gagen für Riad bei 150’000 Dollar beginnen. Top-Shots wie Chappelle oder Burr würden hingegen bis zu 1,6 Millionen Dollar für einen Auftritt kassieren. Da fällt das Wegsehen noch etwas leichter.
Besonders bei Bill Burr suhlt sich die Fangemeinde nun im Selbstmitleid. Mit regelmässigen Rants gegen die Mächtigen und Reichen positioniert sich der Familienvater immer wieder als Vertreter des einfachen Mannes. In den USA füllt er damit die grössten Football-Stadien. Sein Vermögen wäre auf den Zustupf aus Saudi-Arabien nicht angewiesen. Trotzdem lässt er sich kaufen. Dies, nachdem er immer wieder gegen die Ölmilliarden wetterte – und gegen KünsterInnen, die sich Diktatoren an den Hals werfen.
Fairerweise muss man erwähnen, dass Burr parallel dazu immer wieder betonte, dass auch er käuflich sei – und noch so gerne Blutgeld «wie Beyoncé» annehmen würde.
Einer, der der Geldversuchung widerstand, ist Shane Gillis. Er schlug das Saudi-Angebot nach eigenen Angaben aus – worauf dieses verdoppelt wurde. Doch auch damit konnte er nicht geködert werden. In seinem Podcast sagte er: «Es geht mir ums Prinzip. Man vollbringt keinen 9/11 gegen seine Freunde.»
Mic Drop.