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Raketen in der Ukraine – einer der schwersten Angriffe seit Wochen

Heftige Raketen-Angriffe in der ganzen Ukraine – Russland spricht von einem Racheakt

In der Nacht auf Donnerstag fand einer der schwersten russischen Angriffe auf die Ukraine seit Monaten statt. Nicht nur der Osten, sondern das ganze Land ist betroffen. Russland spricht von einem Racheakt.
09.03.2023, 11:5809.03.2023, 14:16
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In der Nacht auf Donnerstag wurden in der ganzen Ukraine Luftangriffe gemeldet.

Russische Raketen trafen Wohngebäude und kritische Infrastruktur in der Hauptstadt Kiew, der Hafenstadt Odessa, oder der im ukrainischen Westen gelegenen Stadt Lviv. Mehrere Gebiete wurden von der Stromversorgung getrennt. Und die Betreiber des Atomkraftwerks in Saporischschja und die internationale Atombehörde warnen vor weltweiten Folgen.

Auch Russland hat sich gemeldet.

Ein Blick auf das Raketen-Inferno in den grossen Zentren:

Die allgemeinen Meldungen der Ukraine

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat auf Telegram die Ereignisse der Nacht geschildert:

«Es war eine schwierige Nacht. Ein massiver Raketenangriff im ganzen Land. (…) Leider gibt es Verletzte und Tote.»

Die Russen seien zu «ihrer kläglichen Taktik» zurückgekehrt, schrieb Selenskyj weiter: «Die Okkupanten können nur die Zivilbevölkerung terrorisieren. Das ist alles, wozu sie fähig sind.» Das werde ihnen aber nicht helfen, den Krieg zu gewinnen, so der 45-Jährige.

Ukrainian President Volodymyr Zelenskyy attends a commemorative event on the occasion of the Russia Ukraine war one year anniversary, in Kyiv, Ukraine, Friday, Feb. 24, 2023. (Ukrainian Presidential P ...
Bild: keystone

Die russische Armee habe insgesamt 81 Raketen auf verschiedenen Städte in der ganzen Ukraine abgefeuert, so der Präsident. Der staatliche ukrainische Sender schlüsselte die Raketen nach Typ auf – demnach handelt sich fast ausschliesslich um Waffen aus sowjetischer Produktion. Die ukrainische Luftwaffe vermeldete, dass von den abgefeuerten Raketen 34 zerstört werden konnten, bevor sie einschlugen.

Aufgrund der Angriffe wurde nachts landesweit eine Strombeschränkung angewandt. In den Städten Charkiw und Schytomyr wurde der Strom teilweise ganz geschaltet.

Kiew

Gegen ein Uhr morgens hornte in Kiew Luftalarm für etwa sieben Stunden, so die ukrainischen Verteidigungskräfte. Am Morgen vermeldete der Bürgermeister Vitali Klitschko, dass mindestens eine Rakete in ein Wohnhaus im Stadtteil Swiatoschyn eingeschlagen sei – es habe Verletzte gegeben. Der Bürgermeister informiert weiter:

«Nach dem Raketenangriff sind aufgrund von Notstromausfällen 40 Prozent der Verbraucher der Hauptstadt derzeit ohne Heizung. Die Wasserversorgung funktioniert normal.»

Nach Angaben der ukrainischen Zeitung «Suspilne» flogen verschiedene Marschflugkörpern und scheinbar auch eine russische Kinjal-Hyperschallrakete auf Kiew. Diese soll in einen Infrastrukturkomplex eingeschlagen sein.

Lviv

In der westukrainischen Stadt Lviv seien mindestens fünf Menschen nach einem Raketenangriff auf ein Wohngebiet gestorben, so der Leiter der regionalen Militärverwaltung, Maksym Kozytskyi, auf Telegram. Er schreibt über die Toten:

«Sie waren zu Hause, als die Rakete fiel. Der Schutt wird noch aussortiert. Es können noch mehr Tote zum Vorschein kommen.»

Auf einem Drohnenvideo, das Kozytskyi postete ist das zerstörte Wohngebiet zu sehen:

Charkiw

Am 9. März ab 03:54 Uhr war in Charkiw eine Reihe von Explosionen zu hören – zwei Menschen wurden verletzt, so die ukrainischen Verteidigungskräfte.

Bürgermeister Ihor Terekhov berichtete, dass vor allem die Energieinfrastruktur, aber auch ein Wohnhaus, sei in der Nacht von den Besatzern angegriffen worden.

Der Leiter der staatlichen Verwaltung des Gebiets Charkiw, Oleh Syniehubow, meldete:

«Der Feind hat etwa 15 Angriffe auf die Stadt und die Region durchgeführt. Unter dem Visier der Besatzer werden erneut Objekte der kritischen Infrastruktur angegriffen. Zuvor gab es einen Treffer in einem privaten Wohngebäude in der Region Charkiw.»

Odessa

In der Hafenstadt Odessa sirente es ab 1:55 Uhr. Mehrere Raketen schlugen in Energieinfrastruktur ein, wie der Leiter der staatlichen Verwaltung des Gebiets Charkiw, Maksym Marchenko, auf Facebook und Telegram bekannt gab. Wohngebiete wurden ebenfalls getroffen, aber es wurden sofort keine Opfer gemeldet.

Saporischschja

In Saporischschja steht das grösste Atomkraftwerk Europas. Da auch in der südukrainischen Stadt Bomben vielen, wurde das Kraftwerk vorübergehend ausgeschaltet, so Energoatom, der Betreiber des Kraftwerks.

«Das Kraftwerk ist derzeit stromlos und in den Blackout-Modus geschaltet. Bereits zum sechsten Mal während der Besetzung wurden die Triebwerke in den Kaltbetrieb geschaltet, 18 Dieselgeneratoren sorgen dafür, dass der Eigenbedarf des Kraftwerks erhalten bleibt. »

Energoatom warnt, dass es zu einem «Unfall mit Strahlenfolgen für die ganze Welt» kommen könnte, sollte es nicht gelingen, die externe Stromversorgung der Station innerhalb von zehn Tagen zu erneuern.

Auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) ist wegen des erneuten Ausfalls der regulären Stromversorgung im ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja alarmiert. IAEA-Chef Rafael Grossi, sagte am Donnerstag vor dem IAEA-Gouverneursrat bezüglich der Abschaltung in Wien. «Jedes Mal würfeln wir. Und wenn wir das immer wieder tun, dann wird uns eines Tages das Glück verlassen», warnte Grossi. So dürfe es nicht weitergehen. Es sei höchste Zeit, eine Sicherheitszone rund um das Kraftwerk einzurichten.

Das sagt Russland*

Russland hat die schweren Raketenangriffe auf die Ukraine als Reaktion auf Gefechte in der russischen Grenzregion Brjansk gerechtfertigt. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, sagte am Donnerstag in Moskau:

«Als Antwort auf die am 2. März vom Kiewer Regime organisierten Terrorakte im Gebiet Brjansk haben die russischen Streitkräfte einen massiven Racheschlag geführt.»
Russia Ukraine Military Operation Missile Launch 8295176 14.10.2022 In this handout video grab released by the Russian Defence Ministry, Russian Defence Ministry spokesman Igor Konashenkov gives a bri ...
Igor Konaschenkow.Bild: www.imago-images.de

Konaschenkow bestätigte zudem den Einsatz der Hyperschallraketen. Während die Ukraine nichts davon erwähnte, dass auch Rüstungsbetriebe ins Visier genommen wurden, erklärt Konaschenkow, dass auch explizit militärische wichtige Anlagen zerstört worden seien.

Am 2. März hatten die russischen Behörden behauptet, eine ukrainische Sabotagegruppe sei auf russisches Gebiet eingedrungen und habe dort zwei Zivilisten getötet. Präsident Wladimir Putin sprach von einem «Terroranschlag». Zu dem Angriff bekannte sich später eine Gruppe russischer Nationalisten. Kiew hingegen stritt eine Beteiligung ab.

*Dieser Absatz wurde nachträglich eingefügt, da sich Russland erst nach der Erstpublikation äusserte.

(yam/sda)

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91 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Max Dick
09.03.2023 12:12registriert Januar 2017
Und die CH will weiterhin keine Gepard-Munition freigeben, welche für die Luftabwehr bestimmt ist. Die Neutralität, wie sie die CH praktiziert, ist definitiv überholt. Wann kommt bei Politikern und Volk endlich die Einsicht?
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Fischra
09.03.2023 12:22registriert Juli 2016
Da müssen wir schön neutral bleiben und den Kriegstreiber indirekt weiter unterstützen. 🤪🤪
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AlteSack
09.03.2023 12:26registriert März 2022
Und unsere Räte lassen die Weitergabe von Flab-Munition nicht zu
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