Nach Berichten über einen Unfall mit einer russischen Atomwaffe sind die Folgen weiterhin unklar.
Der Zwischenfall ereignete sich vergangene Woche im Nordwesten Russlands, bei Nyonoksa, am Weissen Meer.
Am 8. August 2019 soll es während eines Tests mit einem experimentellen atomaren Marschflugkörper an Bord eines Lastkahnes zu einer Explosion gekommen sein.
Zunächst war von zwei Toten die Rede.
Am 11. August bestätigten Beamte der russischen Atomenergiebehörde Rosatom, dass fünf Mitarbeiter bei der Explosion dessen, was sie als «eine isotopische Energiequelle für eine Flüssigmotorenanlage» bezeichnen, getötet wurden.
Die NZZ schreibt von einem «Verwirrspiel». Trotz der strengen Geheimhaltung könne das Verteidigungsministerium Spekulationen über die Unfallursache nicht verhindern.
Die angekündigte Evakuierung der Bevölkerung eines naheliegenden Dorfes wurde laut aktuellem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur TASS abgesagt.
Zwar haben russische Behörden eine Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung wegen des Unfalles dementiert, doch bestehen Zweifel und es wird Kritik geäussert.
Im Ausland befürchteten Expertinnen und Politiker, dass die russischen Behörden wie bereits in der Vergangenheit nicht über das wahre Ausmass informierten, schreibt Zeit Online und zitiert eine Spitzenpolitikerin der Grünen:
Berichte, wonach die Einwohner eines Dorfes in der Nähe des Raketentestgeländes in Sicherheit gebracht worden seien, habe die zuständige Verwaltung dementiert.
Die tödliche Explosion auf einem russischen Militärgelände hat nach Einschätzung der USA mit dem russischen Programm zur Entwicklung von Hyperschall-Marschflugkörpern zu tun – der neue Raketentyp wird «Skyfall» genannt.
Die Regierung in Washington sei zu diesem Zeitpunkt nicht bereit zu sagen, ob es sich um eine Atomexplosion gehandelt habe, hiess es am Dienstag in US-Regierungskreisen. Es seien aber wohl «radioaktive Elemente» beteiligt gewesen.
Die Explosion bedeute womöglich einen bedeutenden Rückschlag für das Raketenprogramm. Es sei unklar, ob die Detonation durch ein Problem beim Start ausgelöst wurde.
Ja.
Russlands Bemühungen zur Entwicklung von Hyperschall-Waffen nährten Zweifel, ob das New-Start-Abkommen um weitere fünf Jahre verlängert werden sollte, hiess es in US-Regierungskreisen. Die Vereinbarung ist nach dem Aus für das INF-Abkommen der letzte verbleibende Atomwaffen-Abrüstungsvertrag zwischen Russland und den USA. Werden die beiden Länder nicht tätig, läuft er Anfang 2021 aus.
Der New-Start-Vertrag wurde 2010 in Prag unterzeichnet und trat 2011 in Kraft. Er begrenzt die Zahl der einsatzbereiten strategischen Atomsprengköpfe auf 1550 und die Zahl der Trägersysteme auf 800.
Das Unglück hat sich laut Behördenangaben rund 30 Kilometer von der Stadt Sewerodwinsk entfernt ereignet. Der bekannteste nahegelegene Ort ist die Hafenstadt Archangelsk.
Im Internet kursierten auch Videos zu einer gewaltigen Explosion, die sich am 5. August 2019 in der Stadt Atschinsk ereignet haben soll (siehe Video unten). Dieser Ort liegt im Südwesten der Region Krasnojarsk in Sibirien und ist über 4000 Kilometer vom Unfallort am Weissen Meer entfernt.
Damit zurück zum Atomwaffen-Unfall ...
In der nahe gelegenen Stadt Sewerodwinsk erhöhte sich die Radioaktivität nach offiziellen Behördenangaben danach drastisch. Die Strahlung sei an dem Tag um das vier- bis 16-fache angestiegen, teilte die staatliche Wetter-Behörde der Nachrichtenagentur Tass zufolge mit.
Laut dem russischen Wetterdienst lag der Höchstwert der atomaren Verstrahlung bei 1,78 Mikosivert pro Stunde, schreibt Zeit Online. «Die Umweltorganisation Greenpeace sprach unter Berufung auf die Stadt Sewerodwinsk sogar von 2,0 Mikrosievert pro Stunde. Der natürliche Wert im Raum der Stadt liege normalerweise bei 0,11 Mikrosievert.»
Laut der Nachrichtenagentur Interfax haben russische Behörden den Bewohnern des Dorfes Njonoksa in der Region empfohlen, ab heute Mittwoch ihren Wohnort zu verlassen. Dies wurde mit nötigen Massnahmen des Militärs begründet.
Viele Menschen reagierten laut Medienberichten besorgt auf die Nachricht und deckten sich mit Jodtabletten ein.
Bei der Trauerfeier für die getöteten Ingenieure liess der Chef von Rosatom verlauten, dass die Arbeit an neuen Waffentypen zu Ende geführt werden soll.
2018 hatte der russische Regierungschef Wladimir Putin neue Waffen angekündigt – darunter einen atomgetriebenen Marschflugkörper.
(dsc/sda/reu)
Willkommen im Russland des grossen Friedensstifters Putin, wo Militär, Wissenschaften und semikriminelle Rockerbanden eng verflochten scheinen. Und wo die Informationspolitik hinter die Zeiten von Glasnost zurückgefallen ist. Besonders was die Entwicklung von Waffensystemen betrifft, die einzig der Abschreckung dienen und gegen jegliche Konventionen verstossen.