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Wieso die Ukraine unbedingt ein U-Boot braucht

Der vergessene Seekrieg: Wieso die Ukraine unbedingt ein U-Boot braucht

Russland holt sich Schritt für Schritt die militärische Vorherrschaft im Schwarzen Meer zurück. Ohne Gegenmittel hat das für die Ukraine schwerwiegende Konsequenzen.
01.03.2023, 05:13
Bojan Stula / ch media
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Der Angriff auf die Schlangeninsel am zweiten Kriegstag. Die Versenkung des russischen Schwarzmeer-Flaggschiffs «Moskwa» am 14. April. Der Überfall ukrainischer Marinedrohnen auf den Flottenstützpunkt Sewastopol Ende September: Der Seekrieg im Schwarzen Meer hat 2022 verschiedene denkwürdige Momente hervorgebracht.

epa10234441 A still image taken from a handout video made available by the Russian Defence Ministry press service on 10 October 2022, of a Russian warship firing missiles at an undisclosed location in ...
Ein russisches Kriegsschiff feuert im Schwarzen Meer eine Lenkrakete auf die Ukraine ab. Das Bild wurde im Oktober 2022 vom Pressedienst des russischen Verteidigungsministeriums verbreitet.Bild: keystone

Jetzt, im Frühjahr 2023, ist die maritime Kriegsführung komplett aus den Nachrichtenspalten verschwunden. Zu Unrecht: Der amerikanische Marineanalyst H. I. Sutton stellt seit Ende Januar eine verstärkte russische Marineaktivität rund um die Krim fest, mit bedeutenden Auswirkungen auf das Kriegsgeschehen.

So sind eine Anzahl U-Boote und Kriegsschiffe in den russischen Marinestützpunkt Noworossiysk zurückgekehrt, nachdem dieser aufgrund der Gefährdung durch ukrainische Langstreckenwaffen zeitweilig geräumt worden war. Gleichzeitig hat die russische Schwarzmeerflotte den kleinen Krimhafen Feodossija aufgewertet, indem sie mit Kalibr-Marschflugkörpern bewaffnete Korvetten vom Typ Bujan-M dorthin verlegt hat.

Diese spielen bei den Raketenangriffen auf die ukrainische Infrastruktur eine entscheidende Rolle, da die russischen Kriegsschiffe ihre Lenkwaffen ausserhalb des gegnerischen Einflussbereichs auf hoher See abfeuern können.

Marineanalyst Sutton macht das Herunterfahren von Elon Musks Starlink-Kommunikationssystem verantwortlich für das neue Selbstvertrauen, mit dem Russland seine Marine einsetzt: Der Nachrichten-Blackout verunmögliche offenbar der Ukraine derzeit den Einsatz ihrer ferngelenkten Marinekampfmittel, die nach der Versenkung der «Moskwa» für so viel Schrecken in Putins Generalstab gesorgt haben.

Als «interessante technische Einzelbeobachtung» beschreibt zudem der deutsche Brigadegeneral Christian Freuding den jüngst durchgeführten Angriff mit einer russischen Marinedrohne auf die ukrainische Satoka-Brücke südlich von Odessa. Ob sich daraus gleich auf eine neugewonnene taktische Erweiterung der russischen Angriffsfähigkeiten schliessen lassen könne, lässt der Leiter des Sonderstabes Ukraine im deutschen Verteidigungsministerium offen.

Deutsches Super-Uboot auf Melnyks Wunschzettel

Die wieder wachsenden russischen Marinefähigkeiten erklären auch die dramatischen Hilferufe des ukrainischen Vize-Aussenministers Andrij Melnyk. Am 10. Februar schrieb er in den sozialen Netzwerken von einem der bisher «schlimmsten Raketenangriffe» auf ukrainische Zivilisten und ersuchte um die dringende Lieferung von Kriegsschiffen und U-Booten.

In einem Interview vor wenigen Tagen zeigte sich der ehemalige Botschafter in Berlin zuversichtlich, dass es noch in diesem Jahr «einen Durchbruch» in der Lieferfrage von deutschen Fregatten, Korvetten und U-Booten geben wird.

Insbesondere auf die modernen deutschen U-Boote vom Typ 212-A hat Melnyk sein Auge geworfen. Mit «bloss einem einzigen Boot» dieser besonders leisen und schwer zu ortenden Klasse könne die gesamte russische Schwarzmeerflotte in Schach gehalten werden. Laut eigenen Angaben fuhr Melnyk 2008 in Eckenförde auf einem U-212A mit und zeigte sich entsprechend begeistert von dessen Leistungsfähigkeit.

Doch der deutsche Marine-Experte Sebastian Bruns hält die Überstellung von einem der total sechs deutschen U-Boote dieses Typs für unrealistisch. Wie er kürzlich dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte, würde die Nato niemals auf die besonderen Fähigkeiten der deutschen U-Boote verzichten. Zudem sei es aufgrund der benötigten jahrelangen Ausbildung schlicht unvorstellbar, dass eine deutsche Besatzung nach Odessa fährt, um der Ukraine «den Schlüssel zu übergeben».

Der deutsche U-Boot-Experte Johannes Peters doppelt im «Spiegel» nach: Neben den genannten Punkten sei es sehr unwahrscheinlich, dass der türkische Präsident Erdogan eine solche U-Boot-Lieferung durch den Bosporus tolerieren würde.

Aussichtsreicher sei es für die Ukraine, die Lieferung kleinerer Kampfschiffe als Ersatz für die bisherigen Verluste anzupeilen, sind sich die Marinexperten einig.

Denn ebenso bisher unbeachtet, hat die kleine ukrainische Marine seit dem russischen Überfall empfindliche Verluste erlitten. Laut der glaubwürdigen Statistik von oryxspioenkop.com sind bisher 25 Kriegsschiffe verloren gegangen; 8 davon wurden von den Russen versenkt, 16 in den Anfangstagen gekapert und 1 schwer beschädigt.

Gleich zu Beginn des russischen Überfalls versenkten die Ukrainer ihr Flaggschiff, die grosse Fregatte «Hetman Sahaidatschnyj», im Hafen von Mikolajew selbst, damit sie dem Feind nicht in die Hände fällt. Unter den seither versenkten Einheiten befindet sich auch das von den USA gelieferte Patrouillenboot P190 «Slowjansk». (aargauerzeitung.ch)

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58 Kommentare
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Träcker Tömmel
01.03.2023 07:18registriert Mai 2022
Der Elon nervt ja sowieso schon. Aber jetzt stellt er sich mit dem defacto Abschalten von Starlink auch noch auf die falsche Seite.
Ich wünsche dem Typen den totalen Bankrott.
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Maurmer
01.03.2023 09:22registriert Juni 2021
Und wie sollen die U-Boote & Fregatten ins schwarze Meer kommen?

Es gibt den Vertrag von Montreux, der die Durchfahrt regelt und im Kriegsfall eine Sperrung vorsieht.
Auf Anfrage der Ukraine hat die Türkei vertragskonform am 27. Februar 2022 die Regelungen für den Kriegsfall angewendet und sperrte am Abend des 28. Februar die Durchfahrt durch Dardanellen und den Bosporus für Kriegsschiffe.
Das gilt für alle, auch für die Ukraine. Würde die Türkei Kriegsschiffe durchlassen, dann wäre es ein klarer Völkerrechtsbruch.
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_kokolorix
01.03.2023 08:50registriert Januar 2015
Würde es je ein ukrainisches U-Boot im Schwarzen Meer geben, wäre es schutzlos der russischen Übermacht preisgegeben. Es gibt nur etwa zwei Häfen, wo das Ding gewartet, aufgetankt und aufmunitioniert werden könnte.
Wie schwierig kann es für die russen sein, das U-Boot da abzufangen?
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