In Russland hat die umstrittene Abstimmung über die grösste Verfassungsänderung in der Geschichte des Landes begonnen. Seit Donnerstag können sich 110.5 Millionen Wahlberechtigte sechs Tage lang bis kommenden Mittwoch an dem Referendum beteiligen.
Der letzte Abstimmungstag am 1. Juli wird zugleich der Hauptwahltag sein. Nach Schliessung der Wahllokale sollen der Agentur Interfax zufolge die Stimmen dann ausgezählt werden. Die ersten Wähler hätten bereits abgestimmt, teilte die zentrale Wahlkommission mit.
Der Vize-Chef des Sicherheitsrates, der frühere Präsident und Regierungschef Dmitri Medwedew, warb nach seiner Abstimmung für das neue Grundgesetz. «Diese Änderungen zielen darauf ab, die Arbeitsrechte der Menschen zu stärken», sagte er. Künftig solle mindestens einmal im Jahr eine Rentenanpassung erfolgen. Das wird in der neuen Verfassung festgeschrieben. Kritiker meinen, der Kreml wolle damit die Wähler für ein Ja bei dem Referendum ködern.
Die Wähler entscheiden über ein ganzes Paket von Änderungen. Auf Kritik stiess dabei vor allem die Ausweitung der Machtbefugnisse für den Präsidenten. Der 67 Jahre alte Kremlchef Wladimir Putin könnte 16 weitere Jahre bis 2036 im Amt bleiben. Kremlgegner sprechen von einem Staatsstreich und kritisierten, dass der Präsident trotz hoher Corona-Infektionszahlen im Land an der Abstimmung festhalte.
Um das Risiko einer Ansteckung zu minimieren, wird das Referendum über mehrere Tage gestreckt. Es sollen mobile Wahllokale eingerichtet werden. Ausserdem können Menschen zu Hause wählen - der Stimmzettel wird dann abgeholt. Russland zählt laut den offiziellen Statistiken mittlerweile mehr als 613 000 Corona-Fälle. 8600 Menschen starben.
Nach Angaben der Wahlleiterin Ella Pamfilowa gibt es auch in 144 Ländern im Ausland Abstimmungslokale. Die meisten davon sind in Ländern wie Deutschland, Belarus (Weissrussland) und Kasachstan. In zwei Regionen Russlands kann auch im Internet abgestimmt werden. Die ersten Wahllokale öffneten im äussersten Osten des Landes. Das flächenmässig grösste Land der Erde hat elf Zeitzonen.
Putin hatte versichert, dass die neue Verfassung nur dann in Kraft tritt, wenn es eine Mehrheit dafür in der Bevölkerung gibt. Die Abstimmung sollte ursprünglich am 22. April sein, wurde aber wegen der Corona-Pandemie verschoben. (aeg/sda/dpa)