Die Bilder aus Butscha sind vor einem Jahr um die Welt gegangen: Ein Mann liegt auf der Strasse unter seinem Velo, von dem er offensichtlich heruntergeschossen wurde. Ein anderer, offenbar vom Einkaufen zurückgekehrt, liegt mit einer Tragtasche unter sich begraben da, ein Dritter mit den Händen auf dem Rücken gefesselt.
Es sind schreckliche Bilder. Allein, François Heulard lässt sich nichts anmerken. «Wir Militärs müssen mit komplizierten Situationen umgehen können», sagt der Oberst der französischen Gendarmerie, Leiter des Institutes für kriminelle Forschung. Das zur französischen Armee zählende «Institut pour la recherche criminelle» (IRC) ist spezialisiert auf «komplizierte» Missionen.
Dank seiner internationalen Reputation kam es schon beim Tsunami in Thailand von 2004 zum Einsatz, dazu auch bei Flugzeugabstürzen in Afrika oder beim Terroranschlag in Nizza. Als der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski darum bat, das fahrbare DNA-Labor im Kiewer Vorort Butscha einsetzen zu können, willigte sein Amtskollege Emmanuel Macron sofort ein.
Vor knapp einem Jahr fuhr Heulard mit 20 Wissenschaftern und einem Konvoi aus einem Dutzend Fahrzeugen nach Butscha, um Beweise für das Massaker an der Zivilbevölkerung zu sammeln. In fünf Wochen untersuchten sie 200 Leichen, nahmen Fingerabdrücke, Knochen- und Haarproben.
Die Mission bestand in erster Linie darin, die Verstorbenen zu identifizieren, dann aber auch, die Todesursachen zu eruieren. «Die lagen zwar auf der Hand, wenn ein Einschussloch vorlag», erklärt Heulard am IRC-Sitz in Pontoise, nordwestlich von Paris. «Wichtig waren dazu das Kaliber der Schusswaffen, die Einschussachse oder die Existenz von Pulverspuren.»
Das lässt auf die Schussdistanz schliessen oder auch auf den Einsatz von völkerrechtlich geächteten Streubomben. «Ihre Wirkung auf einen menschlichen Körper ist charakteristisch», führt Heulard aus. «Wir beschreiben aber in unserer Expertise einzig den Impakt; die Interpretation obliegt den Justizermittlern. Wir sind Wissenschafter, wir stellen nur die objektiven Fakten sicher.»
Ein 30-Millimeter-Loch in der Wand, der Schusswinkel und eine zerbrochene Tasse lassen zum Beispiel die Annahme zu, dass ein jüngerer Mann in Butscha gerade am Abwaschen war, als ein russisches Panzergeschoss die Mauer und den Oberkörper des zivilen Opfers durchbohrte. Doch Heulard betont, dass in seinem Bericht nur Fakten stünden. Und nichts von russischen Tätern. «Wir nehmen nur die Daten auf und erstatten der Staatsanwaltschaft in Kiew Bericht. Sie leitet ihn an das Internationale Strafgericht in Den Haag weiter.»
Oder an das von Selenski geforderte Ukraine-Sondergericht? «Das ist eine politische Frage, darum haben wir uns nicht zu kümmern», sagt der IRC-Leiter. Er äussert sich auch nicht zur Frage, ob der russische Präsident Wladimir Putin vor ein internationales Gericht gehört: «Das ist nicht unsere Arbeit. Für die Täterseite sind die Richter zuständig.»
Die IRC-Gendarmen hatten schon genug damit zu tun, Hunderte von Toten aus der städtischen Leichenhalle und den Massengräbern zu untersuchen. Auch das eine komplizierte Arbeit: «Die ausgegrabenen Körper waren in einem sehr, sehr schlechten Zustand. Einige trugen zudem Spuren von Folter, von Vergewaltigung.» Hart war das auch für die IRC-Prüfer, die sich einiges gewohnt sind - beim Absturz der Germanwings-Maschine 2015 in den französischen Alpen hatten sie wochenlang Leichenteile zusammensetzen müssen.
«In Butscha war die mentale Belastung auch wegen des Krieges sehr gross», erinnert sich der grauhaarige IRC-Chef. Da viele Familien die verwesenden Körper identifizieren wollten, nahmen die Franzosen auch vergleichende DNA-Proben von den gesuchstellenden Angehörigen. Das verstärkte noch das menschliche Empfinden. «Wenn man von Familien ein Pack Bonbons erhält, weil sie einen Verstorbenen ausgemacht hatten, den sie endlich beerdigen können, geht einem das schon nahe», sagt der sonst so trockene IRC-Chef.
Im Forschungsgebäude in Pontoise zeigt er lieber das fahrbare Labor, das in Butscha zu Einsatz gekommen ist. Es erlaubt bis zu 45 DNA-Tests am Tag. Ein zweites Labor in Form eines Lieferwagens ist in Izjum im Einsatz. In dieser ostukrainischen Stadt, die mittlerweile wieder befreit ist, hatten russische Schergen ebenfalls Massaker angerichtet und sogar flüchtende Familien, darunter elf Kinder, getötet.
Angesichts des Horrors zeigt sich François Heulard umso beeindruckter von der ukrainischen Bevölkerung: «Zu Beginn unseres Aufenthaltes in Butscha arbeiteten wir unter Kriegsbedingungen, unwissend, ob wir selber angegriffen würden. Als unsere Mission fünf Wochen später zu Ende ging, war der Wiederaufbau der Stadt bereits fortgeschritten; städtische Angestellte reinigten die Strassen und pflanzten sogar Blumen.»
Momentan plant das mobile IRC-Labor eine dritte, noch vertrauliche Mission in der Ukraine. Die Gendarmen stehen zudem bereit, falls die Ukrainer in einer Frühlingsoffensive weitere Städte zurückerobern sollten. «Wer weiss», sinniert Oberst Heulard, «was dort noch an Tageslicht kommen wird».
Was diese Verbrechen aber auf einer psychologischen Ebene eher noch schlimmer macht, ist die noch verlogenere Perfektionierung einer ideologisch-absurden Täter-Opfer-Umkehr:
Man behauptet, das arme und bedrängte Russland mit solcher Bestialität zu VERTEIDIGEN und (mittels Neonazi-Terror) ein Land, das es gar nicht gebe, zu ENT-NAZIFIZIEREN!
Das ist nicht nur abgründig, sondern satanisch...