Erst kündigt er einen Marsch auf Moskau an, fordert den russischen Präsidenten Wladimir Putin dazu auf, seine Top-Militärs zu entlassen – dann zieht sich Jewgeni Prigoschin mit seinen Wagner-Söldnern plötzlich wieder zurück und geht nach Weissrussland. Wie es weitergehen könnte, ist unklar. Fest jedoch steht: Der heutige Tag dürfte für Putin ein Desaster sein.
Denn, dass Prigoschin seine Truppen vorerst zurückzieht, hat Putin nicht etwa selbst erreicht. Sein Verbündeter, der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko, musste vermitteln.
Und auch das russische Militär kämpfte offenbar nicht auf Putins Seite: Bis auf wenige Luftangriffe, etwa auf ein Öl-Depot in der Region Woronesch, blieb der Widerstand der russischen Truppen aus. Experten sehen nun vor allem einen Verlierer: Wladimir Putin.
«Was für eine Blamage für Putin», schreibt etwa Militärexperte Carlo Masala auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Putin habe sich demnach sowohl gegenüber den russischen Bürgern und seinen Vertrauten als auch gegenüber dem Ausland blamiert. «Der Lack ist endgültig ab», sagt Masala.
Putin musste sich von Lukaschenka helfen lassen. Was für eine Blamage für ihn https://t.co/4C2UPdKY0m
— Carlo "Realism, Gedankenfetzen and Rants" Masala (@CarloMasala1) June 24, 2023
Auch ARD-Korrespondentin Ina Ruck sieht in dem heutigen Tag eine Blamage für den russischen Präsidenten. «Ob Prigoschin nun gewonnen oder verloren hat, ist noch gar nicht klar», schreibt Ruck auf Twitter. Eines aber sei klar: Putin habe verloren. «Weil er nicht mehr unumstritten ist. Weil jetzt vielleicht mehr Leute als zuvor den Krieg hinterfragen», so Ruck.
Mit Blick auf die Vereinbarungen zwischen Moskau und Prigoschin schreibt der Aussenpolitik-Experte Gustav Gressel: «Das ist völlig verrückt.» Was in den Sicherheitsvereinbarungen, die der Kreml mit Prigoschin am Samstag vereinbart hatte steht, ist bislang unbekannt. Laut Gressel aber sei das unbedeutend. «Prigoschin weiss, dass 'Sicherheitsgarantien' auf russisch nichts bedeuten.» Es sei ihm ein Rätsel, wie die Streitkräfte und Wagner von nun an mit ihrer Koexistenz zurechtkommen werden, so Gressel.
Nach Einschätzung des Russland-Analysten Nigel Gould-Davies ist Putin selbst verantwortlich für die Eskalation in Russland. «Es ist seine eigene Schuld. Prigoschin ist Putins Kreatur: Sein Aufstieg ist ausschliesslich Putins Schirmherrschaft zu verdanken», sagte er am Samstag.
Putin sei unentschlossen gewesen und habe damit den internen Konflikt zwischen Prigoschin sowie der regulären Militärführung um Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow noch angeheizt, sagte Gould-Davies. «Nach dem Beginn der Invasion in der Ukraine ist dies ein weiteres Beispiel für Putins schlechtes Urteilsvermögen.» Der interne Konflikt ermutige die ukrainischen Truppen und demoralisiere die russischen.
Prigoschin habe mit der Meuterei direkt und öffentlich Putins Rechtfertigung für den Angriffskrieg gegen die Ukraine untergraben sowie die reguläre Armee lächerlich gemacht, sagte der Experte. Der Kremlchef sei schwer beschädigt worden. «Dies ist die grösste Krise von Putins Präsidentschaft.»
Es war eine unvorstellbare Blamage für putin, dass sich seine Armee vor Kyiv zurückziehen musste. Es war eine Blamage, dass Charkiv und Cherson verloren wurden, und es war eine Blamage, dass die Eroberung einer unbedeutenden Kleinstadt 4 Monate dauerte und Zehntausende Tote forderte.
Das alles haben die russen einfach ertragen und die nächste Flasche Wodka geöffnet.
Auf die Flasche, die jetzt geöffnet werden muss, kommt es auch nicht mehr an. Die russen werden auch das stoisch aussitzen und hoffen, dass das Ungemach nicht bis zu ihnen vordringt
Das Ziel des ganzen Schauspiels sei es, Putin und seine Entourage der Lächerlichkeit preiszugeben.
Wenn dies tatsächlich das ursprüngliche Ziel war, dann wurde das Ziel mehr als deutlich erreicht.