Die Explosionen an Nord Stream 1 haben laut der schwedischen Boulevardzeitung «Expressen» ein riesiges Loch in die Pipeline gerissen. Unterwasser-Aufnahmen, die die Zeitung nach eigenen Angaben von den Schäden gemacht hat, zeigen demnach, dass ein mindestens 50 Meter langer Abschnitt einer Gasleitung in 80 Meter Tiefe fehlt. Einem dänischen Experten zufolge muss eine Explosion gewaltig sein, um solche Zerstörung zu verursachen.
An einigen Stellen der Leitung sei das Metall stark verformt, an anderen gebe es scharfe Kanten und Risse, schrieb «Expressen» am Dienstag. Die Aufnahmen zeigen auch lange Furchen im Meeresboden. «Nur extreme Kraft kann so dickes Metall auf diese Weise verbiegen», sagte Trond Larsen von der Firma Blueeye Robotics, der die Unterwasser-Kamera für die Zeitung gelenkt hat.
«Wenn es die Leitung ist, die am Meeresboden gelegen hat, dann sieht es aus, als sei sie von der Sprengung angehoben worden», kommentierte der Militäranalytiker Jens Wenzel Kristoffersen die Aufnahmen am Dienstag im dänischen Fernsehen. Weiter erklärte er:
Nach früheren Angaben Dänemarks und Schwedens hatten Seismologen in der Nähe der Lecks Erschütterungen mit einer Stärke von 2.3 und 2.1 gemessen, was vermutlich einer Sprengladung von mehreren hundert Kilo entspreche.
Die schwedischen Behörden haben die beiden beschädigten Nord-Stream-Leitungen in schwedischer Wirtschaftszone bereits untersucht und Beweismaterial gesichert. Auch die dänischen Behörden ermitteln, weil zwei der Lecks nahe der Ostseeinsel Bornholm in dänischer Wirtschaftszone liegen.
In Dänemark bestätigte die Polizei am Dienstag, dass die Schäden an den Nord-Stream-Leitungen in dänischer Wirtschaftszone laut ihren Untersuchungen durch eben solche «kräftige Explosionen» entstanden seien. Gemeinsam mit dem dänischen Inlandsnachrichten- und Sicherheitsdienst PET will die Kopenhagener Polizei nun für die weiteren Untersuchungen ein Ermittler-Team bilden.
«Es ist noch zu früh, um etwas darüber zu sagen, in welchem Rahmen die internationale Zusammenarbeit mit unter anderem Schweden und Deutschland stattfinden wird», hiess es in einer Mitteilung. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums hatte am Montag in Berlin gesagt, für die Untersuchung der Explosionen an den Ostsee-Pipelines werde es keine gemeinsame Ermittlungsgruppe geben. Erkenntnisse würden aber trotzdem international geteilt.
Ende September waren nach Explosionen in der Nähe der Ostsee-Insel Bornholm vier Lecks in den Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 entdeckt worden. Beide Pipelines waren zu diesem Zeitpunkt nicht in Betrieb, enthielten aber Gas, das tagelang ausströmte. Die EU und die Nato gehen von Sabotage aus.
Besonders wichtige Infrastruktur wie Gasleitungen oder Verkehrswege muss nach dem Willen der EU-Kommission besser geschützt werden. «Angesichts sich schnell entwickelnder Bedrohungen - Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Sabotage von Nord Stream und des deutschen Schienennetzes - ist klar, dass wir unsere Arbeit zum Schutz unserer Infrastruktur beschleunigen müssen», sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson am Dienstag in Strassburg. Ihre Behörde legte Empfehlungen an die EU-Staaten vor, die die Bereiche Energie, digitale Infrastruktur, Verkehr und Weltraum hervorheben.
Besonders wichtig sei der Schutz grenzüberschreitender Infrastruktur und Dienste, die Auswirkungen auf mehrere EU-Staaten hätten, teilte die EU-Kommission mit. Es sei im Interesse aller Länder, diese Bereiche zu identifizieren und gemeinsam zu schützen. Zudem sollten die EU-Staaten auf Grundlage gemeinsamer Standards Stresstests der kritischen Infrastruktur durchführen. Auch müsse es eine engere Zusammenarbeit, etwa mit Nachbarländern und der Nato geben. Bei der Koordinierung all dessen soll der EU-Kommission eine stärkere Rolle als bislang zukommen, heisst es in den unverbindlichen Empfehlungen der Behörde, mit denen sich nun die EU-Staaten befassen.
Von der Leyen will den Vorschlag beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs Ende der Woche in Brüssel vorstellen. Hintergrund ist unter anderem die mutmassliche Sabotage der Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 Ende September. Von der Leyen hatte daraufhin bereits einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt, der unter anderem Stresstests, internationale Zusammenarbeit und einen besseren Austausch von Informationen vorsah. Ihre Behörde drängt die EU-Staaten nun zudem dazu, bereits beschlossene Vorhaben zum Schutz kritischer Infrastruktur sowie im Kampf gegen Bedrohungen für die Cybersicherheit möglichst schnell umzusetzen. (saw/sda/dpa)