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So kurzfristig entstand das Friedenstreffen in Genf

epa12544789 US Secretary of state Marco Rubio, talks to the press at the end of the consultations with Ukraine on the Trump peace plan at the US Mission in Geneva, Switzerland, 23 November 2025. The U ...
US-Aussenminister Marco Rubio spricht hinter den Kulissen positiv über die Schweiz und ihre Guten Dienste.Bild: keystone

So kurzfristig entstand das Friedenstreffen in Genf — und wer dahinter steckt

Die Schweiz spielte eine wichtigere Rolle für die Friedensgespräche in Genf als bekannt. Hinter den Kulissen hielt sie die Fäden zusammen – auch weil die Europäer zu wenig wussten.
25.11.2025, 18:2525.11.2025, 18:25
Othmar von Matt / ch media

Alexandra Weiss heisst die fiktive Heldin des Diplomaten-Thrillers «The Deal». Sie ist Schweizer Botschafterin und muss in den Genfer Atomverhandlungen zwischen den USA und dem Iran vermitteln, die zwischen 2013 und 2015 real stattfanden. Die Serie ist eine Co-Produktion von RTS und Arte.

Auch für den aktuellen Diplomatenkrimi, der am Sonntag und Montag in Genf zwischen den USA und der Ukraine über die Bühne ging, gibt es einen – realen – Schweizer Hauptdarsteller. Er heisst Gabriel Lüchinger, ist Leiter der Abteilung für internationale Sicherheit des Aussendepartements. Im Gegensatz zur fiktiven Filmheldin Weiss ist der reale Protagonist Lüchinger ein stiller Held. Er hält sich im Hintergrund.

Der Krimi um die Ukraine-Friedensverhandlungen spielt wenig spektakulär an der Route de Pregny 11 in Pregny-Chambésy. Dort ist die Mission der Vereinigten Staaten beheimatet. Lüchinger selbst nimmt nicht an den Gesprächen teil. Die Schweiz bleibt aussen vor.

A car from the diplomatic police protection unit drives past the entrance of the US Permanent Mission during, in Geneva, Switzerland, Sunday, November 23, 2025. The United States and Ukraine are meeti ...
Der Eingang zur US-Missionin Genf. Dort fand das Spitzentreffen statt.Bild: keystone

Dennoch hält sie hinter den Kulissen die Fäden zusammen. Das Treffen kommt äusserst kurzfristig zustande, unter chaotischen Umständen. Gefragt ist deshalb ausserordentliche Flexibilität.

Alles nimmt seinen Anfang am Donnerstag, als die Gespräche einer US-Militärdelegation in Kiew scheitern. Die Amerikaner realisieren: So geht es nicht, sie müssen eine hochkarätigere Delegation für Gespräche mit der Ukraine entsenden. Am Freitag, nach einem Telefongespräch zwischen US-Präsident Donald Trump und dem deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz soll der Entscheid für das Treffen in Genf gefallen sein. Das besagen Gerüchte.

Das bevorstehende hochrangige Treffen in Genf spricht sich schnell in Europa herum. Frankreich, Deutschland, Grossbritannien, Italien und auch die EU selbst melden sich in Bern und wollen wissen, was Sache ist. Aber auch Kanada sucht den Kontakt.

Die Europäer tauchen ohne Einladung auf

Am Sonntag tauchen europäische Vertreter ad hoc auf dem Flughafen Genf auf – ohne Einladung der USA: Günter Sautter, Jonathan Powell und Emmanuel Bonne, die nationalen Sicherheitsberater von Deutschland, Grossbritannien und Frankreich. Auch die Sicherheitsberater von Italien und Kanada sind vor Ort. Dazu Björn Seibert und Pedro Lourtie, die Kabinettchefs von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und von EU-Ratspräsident António Costa. Es kommt vor dem Haupttreffen zu verschiedenen Gesprächen in der US-Mission.

Die USA entsenden Aussenminister Marco Rubio, der gleichzeitig als nationaler Sicherheitsberater fungiert. Mit ihm reisen der Sondergesandte für Russland Steve Witkoff und Trumps Schwiegersohn Jared Kushner in die Schweiz. Witkoff hat zuvor mit Kushner den Gaza-Friedensplan erarbeitet. Auch beim 28-Punkte-Plan für die Ukraine spielen die beiden eine zentrale Rolle: Gemäss NZZ entwickelten sie am 22. Oktober auf dem Rückflug aus dem Nahen Osten das Grundgerüst für den Plan. Das verdeutlicht, wie hochkarätig die US-Delegation ist. Selenskis Stabschef Andrij Jermak führt die ukrainische Delegation an.

Die USA wollten das Treffen in Genf durchführen

Dass die Gespräche im internationalen Genf stattfinden, überrascht auf den ersten Blick. So war zuvor nicht Genf vorgesehen für das Treffen zwischen Donald Trump und Wladimir Putin, das letztlich nicht zustande kam. Sondern Budapest. Und Genf leidet empfindlich unter Trumps Abbau der Entwicklungshilfe und unter der Krise des Multilateralismus.

Es sind aber ausgerechnet die USA, die Genf als Austragungsort haben wollen. Aussenminister Rubio und andere US-Spitzenkräfte sprechen hinter den Kulissen immer wieder positiv über die Schweiz mit ihrer Neutralität, den Guten Diensten und der humanitären Seite. Auch der pensionierte Generalleutnant Keith Kellog (81) hat stets Genf als diplomatische Plattform ins Spiel gebracht, etwa auf Fox News. Kellog war bis vor kurzem US-Sondergesandter für die Ukraine. Rom, Budapest und Wien haben keine Chance.

Das Genfer Comeback auf der diplomatischen Weltbühne hat stark mit dem Engagement von Gabriel Lüchinger zu tun. Vieles läuft über die National Security Adviser (NSA), die aussen- und sicherheitspolitischen Berater der Staats- und Regierungschefs. Hier gilt: Man muss sich kennen. Nur so kann man etwas erreichen. Lüchinger konnte sein Netzwerk mit dem Treffen der nationalen Sicherheitsberater 2024 vor dem WEF und mit der Bürgenstock-Konferenz aufbauen.

Swiss Ambassador Gabriel Luechinger, Head of the Task Force Conference on Peace in Ukraine and Head of the FDFA's International Security Division, left, talks to Ukrainian President Volodymyr Zel ...
Gabriel Luechinger links, im Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, rechts, in Luzern am Sonntag, 16. Juni 2024.Bild: KEYSTONE

Das nutzt er, um Genf zu promoten – im Weissen Haus, im Aussenministerium und im National Security Council. Dann ernennt ihn der Bundesrat am 9. April zum Sondergesandten für die USA. Er soll sein Netzwerk auch im Zollstreit nutzen. Doch es zeigt sich, dass die Amerikaner Zollstreit und Friedensbemühungen strikt trennen. Lüchinger findet aber gute Zugänge zu Aussenminister Rubio wie zum US-Sondergesandten Witkoff. Er bringt Genf auf die Agenda.

Für die Ukraine ist die Schweiz seit der Bürgenstock-Konferenz sowieso gesetzt. Noch im Herbst 2024 sagte Selenskis Stabschef Jermak, die Konferenz werde «in die Geschichte eingehen».

Die stille Diplomatie wird zur Herausforderung

Doch auch Europa hat Genf ins Spiel gebracht. Der französische Präsident Emmanuel Macron schlug vor, ein Gipfeltreffen zwischen Putin und Selenski solle dort stattfinden. Das verleitete Aussenminister Ignazio Cassis zu einem ungewöhnlich offensiven Statement: Die Schweiz sei «mehr als bereit».

Das kontrastiert zur stillen Diplomatie, die Bern generell praktiziert. Etwa am Sonntag in Genf: keine Begrüssungsfotos, obwohl Lüchinger alle Gäste persönlich begrüsst hat; keine Medienkonferenz mit der Schweiz; kein Bundesrat; keine Schweizer Fahne.

Der Bundesrat will Stille und Zurückhaltung bei seinen Guten Diensten. Nur: In einer Welt, in der auch in der Diplomatie immer schrillere Töne für Aufsehen sorgen sollen, ist es schwieriger geworden, Gastgeber wichtiger Konferenzen zu sein.

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Der türkische Präsident Recep Erdogan ist überrumpelt vom Spitzentreffen in Genf.Bild: keystone

Der diplomatische Konkurrenzkampf ist knochenhart. Das zeigt sich am Wochenende: Der türkische Präsident Recep Erdogan, offenkundig überrumpelt vom Spitzentreffen in Genf, kündigt sogleich öffentlichkeitswirksam ein Telefongespräch mit Russlands Präsident Putin an. Die aktuellen Verhandlungen gehen auf niedrigerer Stufe in den Vereinigten Arabischen Emiraten weiter.

Das Buhlen um ein Treffen zwischen Selenski und Putin

Vereinigte Arabische Emirate, Katar, Saudi-Arabien, Türkei, Österreich, Ungarn – und natürlich die Schweiz: Viele Länder buhlen um ein historisches Treffen zwischen dem ukrainischen Präsidenten Selenski und Russlands Präsidenten Putin.

Die Schweiz hat durchaus Chancen, ein solches Treffen beherbergen zu können. Davon ist man in Bern überzeugt. Auch wenn Russlands Aussenminister Sergei Lawrow sie in einem Interview als «offen feindseliges Land» bezeichnete. Es gebe entsprechende Signale, heisst es. Russland wisse sehr genau, dass die Schweiz keine Waffen in die Ukraine liefere und nicht Teil der «Koalition der Willigen» sei. Kommt dazu, dass Gabriel Lüchinger im Sommer 2024 auf Einladung aus Russland an einer Sicherheitskonferenz in Moskau mit 90 Staaten weilte. Er war der einzige Europäer.

Sergej Lawrow, Au
Der Russische Aussenminister Sergei Lawrow bezeichnete die Schweiz als ein «offen feindseliges Land».Bild: sda

Wie soll es nun weitergehen mit den Friedensverhandlungen? In Bern geht man von einem Treffen oder Telefongespräch zwischen Trump und Selenski aus, weil nur Staatsoberhäupter territoriale Fragen lösen können. Sind die offenen Fragen zwischen der Ukraine und den USA erledigt, geht es um Gespräche zwischen Russland und den USA. Und zuletzt wohl um ein Treffen zwischen Selenski und Putin.

Einiges deutet darauf hin, dass sich die Ukraine von den USA – erstmals in der zweiten Ära Trump – respektiert fühlen. Diesen Eindruck hat Bern gewonnen. Und diesen Eindruck vermitteln ukrainische Kreise gegenüber CH Media: «Wir haben», heisst es, «gute Resultate erzielt bei den Verhandlungen. (bzbasel.ch)

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