14 Sanktionspakete hat die Europäische Union seit dem russischen Angriff auf die Ukraine verabschiedet. Nach anfänglichem Zögern hat die Schweiz sämtliche übernommen. Bis jetzt: Am Mittwoch teilte der Bundesrat mit, erstmals einen Teil der Sanktionen nicht anzuwenden.
Konkret geht es um Tochtergesellschaften von Schweizer Unternehmen im Ausland. Sie sollen selbst dann, wenn sie unabhängig von der Mutterfirma agieren, für die Umgehung der Russland-Sanktionen in die Verantwortung genommen werden.
Dem Bundesrat geht das zu weit. Das Schweizer Recht beschränke sich auf das Schweizer Hoheitsgebiet, schreibt die Landesregierung in einer Medienmitteilung. Die EU-Bestimmung werde in der jetzigen Form materiell nicht übernommen.
Die SP findet das «skandalös» und wirft dem Bundesrat vor, Rohstofffirmen und «Kriegsprofiteure» zu schützen. Und auch Scott Miller, der US-Botschafter in Bern, zeigt sich von der Schweiz «enttäuscht» und fordert im «Tages-Anzeiger» den Bundesrat auf, «das Schlupfloch zu schliessen».
Etwas gelassener reagiert Andrij Yermak. Der Chef der ukrainischen Präsidentenverwaltung ist ein enger Wegbegleiter von Wolodymyr Selenskyj und einer seiner wichtigsten Mitarbeiter. Am Rande einer Gesprächsrunde in Brüssel sagt er zu «CH Media»: «Was soll ich sagen? Okay, jetzt setzt ihr sie [die Sanktionen] nicht um. Aber wir werden dafür arbeiten.»
Viele Länder würden Sanktionen nicht gleich umsetzen, bis sie es am Schluss doch täten. Es brauche Zusammenarbeit. Die Ukraine habe aufgezeigt, dass sich weiterhin Teile in russischen Raketen aus Europa fänden. Auch antiwestliche Propaganda sei ein Problem. Die Sanktionen seien so wichtig, weil sie eine wirksame Waffe seien, die niemanden tötet.
Darüber hinaus hatte Yermak nur lobende Worte für die Schweiz übrig. Gabriel Lüchinger, Chef internationale Sicherheit im Aussendepartement und Organisator der Bürgenstock-Konferenz, habe er just am Freitagmorgen in Brüssel getroffen.
Ohnehin der Bürgenstock: Er könne sich gut erinnern, wie er beim Treffen zwischen Selenski und Bundespräsidentin Viola Amherd dabei gewesen sei und der Entscheid gefällt wurde. Er wisse, dass in der Schweiz nicht alle dafür gewesen seien, aber Amherd habe es möglich gemacht. Amherd sei eine «grossartige Präsidentin». Yermak:
Zuvor bestätigte Yermak erneut, dass es das Ziel der Ukraine sei, eine zweite Friedenskonferenz unter Beteiligung Russlands abzuhalten. Aber diese könne nur stattfinden, wenn die Ukraine in eine «Position der Stärke» gebracht werde. Dafür sei der von Selenski vorgestellte «Siegesplan» entscheidend. Dieser sieht neben einem abschreckenden Waffenarsenal für die Ukraine eine Einladung in die NATO vor.
Von Drittländern vorgelegte Friedenspläne, welche die Ukraine und ihre Souveränität nicht respektierten, erteilte er eine Absage. Damit meinte Yermak sicherlich auch die Friedensinitiative von Brasilien und China, welche die Schweiz kürzlich wohlwollend kommentierte und dafür aus Kiew Kritik einstecken musste.
(aargauerzeitung.ch)