Die Schweiz braucht eine Zeitenwende, keinen Kuschelkurs mit Russland
Die «Einschläge» rücken näher.
Näher an die vermeintlich sichere Schweiz. Ein Land, das sich als neutral bezeichnet und ungestört seinen Geschäften nachgehen will.
Ein Land, in dem die Regierung und das Parlament die europäischen Wirtschaftssanktionen gegen den Unrechtsstaat Russland abschwächen.
Ein Land, in dem Rechtskonservative den obersten russischen Kriegsverbrecher Wladimir Putin verharmlosen und davon schwurbeln, die abendländische Kultur sei wegen Nemo und Gender-Sternchen in Gefahr.
Ein Land, in dem die zweitgrösste politische Macht gemäss ihrem offiziellen Parteiprogramm noch immer die Abschaffung der eigenen Armee anstrebt.
Gleichzeitig nehmen die russischen Sabotage- und Spionageaktivitäten in Europa weiter zu. Westliche Geheimdienste und Sicherheitsexperten warnen vor einem immer aggressiver vorgehenden Russland.
Terror gegen unsere Nachbarn – und Bundesbern schaut aufs Portemonnaie
In den letzten Monaten häuften sich die Meldungen, wonach russische Geheimdienstler beim Messenger-Dienst Telegram Kriminelle für Brandstiftungen und andere Sabotage-Akte anwerben. Nebenbei wurden Pläne zur Tötung wichtiger Wirtschaftsakteure publik.
Betroffen sind auch unsere direkten Nachbarn.
Der Präsident des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) warnte diese Woche öffentlich vor einer weiteren Verschärfung der Lage. Die russischen Geheimdienste agierten «ohne jeglichen Skrupel».
Und der Chef des britischen Geheimdienstes MI5 spricht von «gefährlichen Aktionen, die mit zunehmender Rücksichtslosigkeit durchgeführt werden».
Diktator Putin eskaliert also den hybriden Krieg, den er seit vielen Jahren gegen den freiheitlich-demokratischen Westen führt. Doch noch immer scheinen viele unserer Politikerinnen und Politiker den Schuss nicht gehört zu haben. Andere hoffen wohl darauf, auch aus einer zunehmend schwierigen Lage Profit zu schlagen.
Die Schweiz braucht ihre eigene Zeitenwende
Wir Schweizerinnen und Schweizer haben lange wie die Maden im Speck gelebt – und die wachsende Gefahr für unsere Sicherheit ignoriert. Abgesehen vom ebenfalls neutralen Österreich sind wir rundherum von NATO-Ländern umgeben. Was soll da passieren?
Es erscheint logisch, dass auf absehbare Zeit keine feindliche Armee an unserer Landesgrenze aufmarschieren wird. Das ist aus Sicht der Demokratiefeinde auch gar nicht erforderlich: Sie arbeiten unermüdlich daran, unser gesellschaftliches System zu destabilisieren.
Während in den von Putin direkt bedrohten osteuropäischen Staaten die Verantwortungsträger begriffen haben, dass blutrünstige Despoten nur die Sprache der Stärke verstehen, setzt man hierzulande weiter auf «Appeasement». Die nationale Politik hält sich vornehm zurück und unsere Wirtschaft profitiert von Sanktions-Umgehungen und Dreiecks-Geschäften.
Besorgniserregend sind etwa die Russland-freundlichen Entscheide des Ständerats. Oder aktuell die Abschwächung der europäischen Wirtschaftssanktionen durch den bürgerlich-dominierten Bundesrat.
Das ist brandgefährlich. Wir sollten uns nicht hinter der Neutralität verstecken, sondern im Verbund mit unseren europäischen Partnern entschieden gegen Putins hybride Operationen vorgehen. Um dies zu erreichen, braucht die Schweiz jedoch ihre eigene «Zeitenwende».
Eine militärische Zeitenwende, wie sie Deutschland unter Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigt, aber bislang nicht glaubhaft vollzogen hat, genügt nicht. Vielmehr braucht es ein gesellschaftliches Umdenken.
Die brennendsten Fragen aus Schweizer Sicht
Es ist menschlich nachvollziehbar, dass die Schweizerinnen und Schweizer lieber im Verdrängungsmodus bleiben und möglichst ungestört weiterleben wollen.
Wir müssen aber raus aus der Komfortzone und uns den unbequemen Fragen stellen:
- Wie reagiert die Schweiz, wenn Putin seine hybriden Operationen immer aggressiver fortführt und unsere europäischen Nachbarn und wichtigsten Wirtschaftspartner noch stärker attackiert?
- Lassen wir uns die vom Kreml finanzierten Desinformations-Kampagnen und Verleumdungen durch RT und Co. tatsächlich einfach weiter gefallen und hoffen darauf, dass die andauernde Berieselung mit russischer Propaganda nichts bewirkt?
- Warum tolerieren wir es, dass die chinesische Social-Media-Plattform TikTok extremen Populismus befeuert und insbesondere unsere jungen Menschen mit demokratiefeindlichen Lügen vergiftet?
- Wenn wir der Ukraine in ihrem Überlebenskampf tatsächlich die militärische Unterstützung verweigern: Warum tun wir dann nicht wenigstens alles, um die europäischen Wirtschaftssanktionen gegen den alleinigen Aggressor Russland zu stärken?
- Was haben wir in der Schweiz für einen Plan, wenn der Krieg in der Ukraine noch Jahre andauert und unsere Gesellschaft immer mehr gespalten wird?
- Wie ist die Schweiz auf das (leider nicht unrealistische) Worst-Case-Szenario vorbereitet, dass die Ukraine wegen mangelnder Militärhilfe untergeht und es zu einer massiven Destabilisierung Europas kommt?
Das Verhalten der Verantwortlichen in Bundesbern zeigt, dass die Dringlichkeit der Lage noch längst nicht in allen Köpfen und Amtsstuben angekommen ist.
Die grösste Bedrohung für unsere Sicherheit und unseren Wohlstand geht nicht von einer stärkeren und gerechteren Besteuerung der hiesigen Multimillionäre und Milliardäre aus. Sondern von Russland. Und wir haben ein ernstes Realitäts-Verweigerungs-Problem.
