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Schweiz

Putin-Sender warnt Schweiz vor «Selbstmord» bei Waffen-Weitergabe

Putin-Sender warnt die Schweiz vor «Selbstmord», falls sie Waffen-Weitergabe ermöglicht

Sollen Länder, die in der Schweiz Kriegsmaterial gekauft haben, dieses der Ukraine weitergeben dürfen? Niemals, warnt «Russia Today» den Bundesrat. Laut dem Putin-Sender ist die Aufgabe der Neutralität «Selbstmord». Derweil scheint die Stimmung in der Schweiz zu kippen.
06.06.2022, 15:42
Samuel Thomi / ch media
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ARCHIV - 06.10.2010, Schleswig-Holstein, Todendorf: Ein Flugabwehrpanzer vom Typ "Gepard 1A2" feuert am 06.10.2010 auf dem Schie�platz im schleswig-holsteinischen Todendorf eine Stinger-Flug ...
Flugabwehrpanzer vom Typ «Gepard 1A2»Bild: keystone

«Mitmachen beim europäischen Selbstmord oder neutral bleiben?» Diese rhetorische Frage wirft der Putin-nahe Sender «Russia Today» (RT) dieser Tage auf und warnt die Schweiz unmissverständlich: Lässt Bern es zu, dass aus der Schweiz stammende Munition für deutsche Gepard-Panzer an die Ukraine abgegeben werden darf, entscheide der Bundesrat «nicht über einen Rüstungsexport. Er entscheidet über die Zukunft der Schweiz.»

Das deutschsprachige Online-Portal des russischen Fernsehsenders ist zwar in der EU verboten, in der Schweiz aber weiterhin abrufbar. Es sieht in der Waffen-Weitergabe Grundsätzliches:

«Für die Schweiz geht es um weit mehr als um ein wenig Munition oder ein paar Panzer.»

Wenn man bedenke, dass die Lieferung Deutschlands inklusive Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte «eigentlich die Grenze zur Kriegsbeteiligung überschreitet», sei «leicht erkennbar, dass eine Implikation der Schweiz» in diese Kriegsmateriallieferung «für die Neutralität verheerend ist».

Appell für «zumindest halbwegs neutrale Orte»

RT schränkt zwar ein, dass «die Neutralität der Schweiz niemals vollkommen» war. Im Zweiten Weltkrieg etwa habe es hierzulande «deutliche Sympathien für Nazideutschland» geben. Oder hiesige Banken hätten auch seither «gewaltig von der Neigung aller möglicher Diktatoren» profitiert, wenn diese Vermögen unterbringen wollten. Doch, so warnt der Putin-Sender den Bundesrat:

«Es gibt Neutralität nicht dann, wenn sie erklärt wird, sondern nur dann, wenn sie von allen Seiten anerkannt wird.»

Und so appelliert «Russia Today» in dem Meinungsbeitrag an Bern, auch «zumindest halbwegs neutrale Orte» seien «immer wieder wichtig, wenn es um Verhandlungen geht». Was ja nicht zuletzt die Geschichte der Schweiz zeige. Deren Neutralität im Ersten und Zweiten Weltkrieg als auch im Kalten Krieg sei «immer als Brücke in ein ?Danach? nützlich» gewesen.

Schlagzeile von Russia Today
Schlagzeile von Russia Today

Schweizer Politik für sachte Lockerungen

In der Schweiz mehren sich derweil Stimmen, die Neutralität des Landes weniger eng zu interpretieren. Während Lockerungen von Kriegsmaterialausfuhren an den politischen Polen weiterhin äusserst kritisch gesehen werden, zeigt sich die Mitte schon länger offen. «Drittländer zu verpflichten, Waffen nicht weiterzugeben, ist eine rein schweizerische Erfindung», sagte Pirmin Bischof in der Sendung «SonnTalk» mit Verweis auf das Völkerrecht. Direkt an Kriegsparteien Waffen zu liefern lehnt der Solothurner Ständerat jedoch weiterhin ab. Bischof argumentiert:

«In der aktuellen Situation, wo ein Land von einem anderen Land angegriffen wird, verteidigen wir aber auch eine Wertegemeinschaft.»

In dieselbe Kerbe hieb am Wochenende auch FDP-Präsident Thierry Burkard. Mit einer erneuten Revision des Kriegsmaterialgesetzes will der Ständerat erreichen, dass Länder, die «unsere Werte teilen», Schweizer Waffensysteme an einen beschränkten Kreis von Kriegsparteien weitergeben dürfen.

«Wenn wir diesen Ländern das Recht absprechen, von uns gekaufte Waffen und Waffensysteme untereinander weiterzugeben, dann behindern wir ihre sicherheitspolitischen Anstrengungen, von denen auch wir profitieren»

... begründet Burkard seine Motion, die er diese Woche im Parlament einreichen will.

Anfragen aus Deutschland, Dänemark, Polen ...

Der Druck aus dem Ausland ist in den vergangenen Tagen und Wochen deutlich gestiegen, die Weitergabe von Waffen und Munition aus Schweizer Produktion zu deblockieren. Namentlich die deutsche Verteidigungsministerin und der dänische Verteidigungsminister sowie die US-Vizeverteidigungsministerin forderten, entsprechende Waffengeschäfte zu Gunsten der Ukraine zuzulassen.

Am Freitag hat der Bundesrat entschieden, grundsätzlich an seiner bisherigen, rigiden Haltung zum Export von Kriegsmaterial festzuhalten. Dies mit Verweis auf das Neutralitätsrecht und das Kriegsmaterialgesetz. Die Schweiz blockiert demnach weiterhin auch Kriegsmateriallieferungen anderer europäischer Länder an die Ukraine.

So hatten Deutschland oder Dänemark jüngst in Bern angefragt, ob sie ganz oder teilweise hier hergestelltes Kriegsmaterial der Ukraine weiterreichen dürfen. Im ersten Fall ging es um Gepard-Flugabwehrpanzer und Piranha-Schützenpanzer, im zweiten lediglich um Piranhas. Und dann fragte Warschau vergeblich nach, ob die Schweizer Armee stillgelegte Leopard-Panzer nach Polen liefern könne.

Zeichen deuten auf kleine Lockerungsschritte

Von einer kompletten Blockade seitens der Schweiz kann aber keine Rede sein. So darf Deutschland über die Weitergabe von 42 Kampfpanzern des Typs Leopard aus der Schweiz inzwischen frei bestimmen, wie das Verteidigungsdepartement VBS am Freitag mitgeteilt hat. Die Panzer waren vor gut zehn Jahren ohne Kanonen, Maschinengewehre und Munition an den deutschen Hersteller Rheinmetall zurückverkauft worden. Deutschland könnte die Panzer damit nun etwa an Polen oder Tschechien weiterreichen. Beide Staaten geben ihrerseits Panzer aus russischer Produktion an die Ukraine ab. Ein Ringtausch quasi.

Gemäss «Schweiz am Wochenende» könnte der Bund zudem in einem Panzerfaust-Geschäft indirekt ebenfalls die Ukraine unterstützen. Die Regierung Grossbritanniens hat in Bern angefragt, ob der Bund bei der Auslieferung eines Drittels seiner in Schweden bestellten Panzerfäuste nicht London den Vortritt lassen könnte. Dies, weil Panzerfäuste der Briten bereits in der Ukraine eingesetzt werden. Das wäre dann ebenfalls eine Art Ringtausch. Auch wenn er vom Bund offiziell in Abrede gestellt wird.

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292 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Lai Nair
06.06.2022 15:47registriert Dezember 2016
Selbstmord begeht Russland mit ihren "Führungskräften" und niemand sonst, aber das begreifen all die Putin's & Co. eh nicht
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amore
06.06.2022 16:06registriert Februar 2014
Eines ist wohl klar: wem und wann wir Waffen liefern entscheidet die Schweiz ganz alleine.
Und schon gar nicht ein Aggressor wie Russland.
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Jacques #23
06.06.2022 16:02registriert Oktober 2018
Da muss jetzt die Weltwoche direkt zurück drohen!

Und hierzulande vor den russischen Vögten warnen.
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