«Mitmachen beim europäischen Selbstmord oder neutral bleiben?» Diese rhetorische Frage wirft der Putin-nahe Sender «Russia Today» (RT) dieser Tage auf und warnt die Schweiz unmissverständlich: Lässt Bern es zu, dass aus der Schweiz stammende Munition für deutsche Gepard-Panzer an die Ukraine abgegeben werden darf, entscheide der Bundesrat «nicht über einen Rüstungsexport. Er entscheidet über die Zukunft der Schweiz.»
Das deutschsprachige Online-Portal des russischen Fernsehsenders ist zwar in der EU verboten, in der Schweiz aber weiterhin abrufbar. Es sieht in der Waffen-Weitergabe Grundsätzliches:
Wenn man bedenke, dass die Lieferung Deutschlands inklusive Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte «eigentlich die Grenze zur Kriegsbeteiligung überschreitet», sei «leicht erkennbar, dass eine Implikation der Schweiz» in diese Kriegsmateriallieferung «für die Neutralität verheerend ist».
RT schränkt zwar ein, dass «die Neutralität der Schweiz niemals vollkommen» war. Im Zweiten Weltkrieg etwa habe es hierzulande «deutliche Sympathien für Nazideutschland» geben. Oder hiesige Banken hätten auch seither «gewaltig von der Neigung aller möglicher Diktatoren» profitiert, wenn diese Vermögen unterbringen wollten. Doch, so warnt der Putin-Sender den Bundesrat:
Und so appelliert «Russia Today» in dem Meinungsbeitrag an Bern, auch «zumindest halbwegs neutrale Orte» seien «immer wieder wichtig, wenn es um Verhandlungen geht». Was ja nicht zuletzt die Geschichte der Schweiz zeige. Deren Neutralität im Ersten und Zweiten Weltkrieg als auch im Kalten Krieg sei «immer als Brücke in ein ?Danach? nützlich» gewesen.
In der Schweiz mehren sich derweil Stimmen, die Neutralität des Landes weniger eng zu interpretieren. Während Lockerungen von Kriegsmaterialausfuhren an den politischen Polen weiterhin äusserst kritisch gesehen werden, zeigt sich die Mitte schon länger offen. «Drittländer zu verpflichten, Waffen nicht weiterzugeben, ist eine rein schweizerische Erfindung», sagte Pirmin Bischof in der Sendung «SonnTalk» mit Verweis auf das Völkerrecht. Direkt an Kriegsparteien Waffen zu liefern lehnt der Solothurner Ständerat jedoch weiterhin ab. Bischof argumentiert:
In dieselbe Kerbe hieb am Wochenende auch FDP-Präsident Thierry Burkard. Mit einer erneuten Revision des Kriegsmaterialgesetzes will der Ständerat erreichen, dass Länder, die «unsere Werte teilen», Schweizer Waffensysteme an einen beschränkten Kreis von Kriegsparteien weitergeben dürfen.
... begründet Burkard seine Motion, die er diese Woche im Parlament einreichen will.
Der Druck aus dem Ausland ist in den vergangenen Tagen und Wochen deutlich gestiegen, die Weitergabe von Waffen und Munition aus Schweizer Produktion zu deblockieren. Namentlich die deutsche Verteidigungsministerin und der dänische Verteidigungsminister sowie die US-Vizeverteidigungsministerin forderten, entsprechende Waffengeschäfte zu Gunsten der Ukraine zuzulassen.
Am Freitag hat der Bundesrat entschieden, grundsätzlich an seiner bisherigen, rigiden Haltung zum Export von Kriegsmaterial festzuhalten. Dies mit Verweis auf das Neutralitätsrecht und das Kriegsmaterialgesetz. Die Schweiz blockiert demnach weiterhin auch Kriegsmateriallieferungen anderer europäischer Länder an die Ukraine.
So hatten Deutschland oder Dänemark jüngst in Bern angefragt, ob sie ganz oder teilweise hier hergestelltes Kriegsmaterial der Ukraine weiterreichen dürfen. Im ersten Fall ging es um Gepard-Flugabwehrpanzer und Piranha-Schützenpanzer, im zweiten lediglich um Piranhas. Und dann fragte Warschau vergeblich nach, ob die Schweizer Armee stillgelegte Leopard-Panzer nach Polen liefern könne.
Von einer kompletten Blockade seitens der Schweiz kann aber keine Rede sein. So darf Deutschland über die Weitergabe von 42 Kampfpanzern des Typs Leopard aus der Schweiz inzwischen frei bestimmen, wie das Verteidigungsdepartement VBS am Freitag mitgeteilt hat. Die Panzer waren vor gut zehn Jahren ohne Kanonen, Maschinengewehre und Munition an den deutschen Hersteller Rheinmetall zurückverkauft worden. Deutschland könnte die Panzer damit nun etwa an Polen oder Tschechien weiterreichen. Beide Staaten geben ihrerseits Panzer aus russischer Produktion an die Ukraine ab. Ein Ringtausch quasi.
Gemäss «Schweiz am Wochenende» könnte der Bund zudem in einem Panzerfaust-Geschäft indirekt ebenfalls die Ukraine unterstützen. Die Regierung Grossbritanniens hat in Bern angefragt, ob der Bund bei der Auslieferung eines Drittels seiner in Schweden bestellten Panzerfäuste nicht London den Vortritt lassen könnte. Dies, weil Panzerfäuste der Briten bereits in der Ukraine eingesetzt werden. Das wäre dann ebenfalls eine Art Ringtausch. Auch wenn er vom Bund offiziell in Abrede gestellt wird.
Und schon gar nicht ein Aggressor wie Russland.
Und hierzulande vor den russischen Vögten warnen.