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Unfall am Flughafen Tokio: Experte kritisiert Sicherheitsvideo der Swiss

FILE - A Japan Airlines plane is on fire on the runway of Haneda airport in Tokyo, on Jan. 2, 2024. The 379 passengers of Japan Airlines Flight JAL-516 didn't expect their plane to burst into fla ...
Flughafen Haneda in Tokyo am 2. Januar 2024. Bild: keystone

In Tokio haben wohl Sicherheitsinstruktionen Leben gerettet – so ist es bei der Swiss

Die Instruktionen über das Verhalten im Notfall fallen je nach Airline anders aus – mal ernst, mal lustig, mal ausgefallen. Die erfolgreiche Evakuation beim Unfall in Tokio löst nun eine Debatte darüber aus.
10.01.2024, 20:47
Benjamin Weinmann / ch media
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Der Fall hätte in einer Katastrophe enden können. Bei der Kollision von zwei Flugzeugen vergangene Woche am Flughafen Haneda in Tokio starben fünf der sechs Insassen der kleineren Maschine der japanischen Küstenwache. Doch die 367 Passagiere und 12 Crew-Mitglieder des Airbus A350 von Japan Airlines konnten die brennende Maschine rechtzeitig verlassen. Innert gerade mal 18 Minuten nach der Landung. Theoretisch muss die Evakuierung für eine Zulassung der Maschine sogar in 90 Sekunden möglich sein – auch wenn nur die Hälfte der Notausstiege verfügbar sind.

Die vorbildliche Reaktionszeit bei der Evakuierung in Tokio sorgt in der Branche bis heute für Verblüffung. Und generell herrscht Konsens darüber, dass die erfolgreiche Evakuierung nicht zuletzt mit der japanischen Kultur zu tun hat, bei der Disziplin grossgeschrieben wird. Diese Disziplin widerspiegelt sich denn auch im Sicherheitsvideo von Japan Airlines, das den Gästen an Bord vor jedem Flug gezeigt wird.

Auf der Onlineplattform Linkedin hat dieses eine Diskussion ausgelöst. Denn wer sich das Video ansieht, stellt schnell fest, dass dieses im Vergleich zu jenen von vielen anderen Fluggesellschaften anders daherkommt. Ernster und zuweilen auch dramatischer – insbesondere die Passage zur Evakuierung des Flugzeugs im Notfall. Und somit stellt sich die Frage: Welche Rolle spielt die Darstellung von Notfällen in den Sicherheitsvideos.

Im Video von Japan Airlines herrscht zwar wie auch bei anderen Airlines eine relativ entspannte Atmosphäre mit fröhlicher Hintergrundmusik. Doch bei der Szene zur Evakuierung wechseln die Farbtöne, plötzlich wird es düsterer, und es wird gezeigt, was passiert, wenn man bei der Evakuierung versucht, seine Gepäckstücke mitzunehmen: Der Gang zu den Notausgängen wird blockiert und bei den Passagieren entsteht Panik. Zudem können die Koffer die Rutschbahn beschädigen.

Auch das Runterrutschen wird genau instruiert: Die Arme müssen nach vorne gestreckt werden, um aufrecht zu bleiben, und das Ende der Rampe muss anvisiert werden. Danach zeigt die Airline, wie die Passagiere den Regeln entsprechend so schnell wie möglich vom Flugzeug wegrennen.

Swiss-Instruktionen weniger detailliert

Aus Schweizer Perspektive bietet sich der Vergleich mit der Swiss an. Die Lufthansa-Tochter zeigt seit vielen Jahren das gleiche computeranimierte Video, in dem die Protagonisten einem Cartoon entstammen könnten. Was auffällt: Der Sicherheitsfilm transportiert eine sehr muntere Atmosphäre, die Personen haben stets ein Lächeln im Gesicht. Selbst über die herausfallende Sauerstoffmaske scheinen sich Mutter und Sohn zu freuen. Derart detaillierte Instruktionen zur Rutschbahn wie bei Japan Airlines sind Fehlanzeige, genauso wie düstere Szenen zu möglichen Gefahrsituationen. Dafür gibt es zum Schluss für den Cartoon-Buben ein Swiss-Schöggeli.

Für den Aviatik-Experten William Agius, Dozent an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, ist klar:

«Das Video der Swiss erfüllt seinen Zweck, es dürfte aber durchaus neutraler sein, das ständige Lächeln nimmt dem Thema die Ernsthaftigkeit.»

Dies sei leider auch bei anderen Fluggesellschaften der Fall, zum Teil noch viel stärker.

Agius, der zur klaren Kommunikation in der Aeronautik forscht, verweist auf das aktuelle Sicherheitsvideo von Air France als besonders schlechtes Beispiel. Darin kommen verschiedene Szenerien vor, in einem Schloss, einem Theater, einem Museum, an einer Modeschau, auf dem Eiffelturm, in einem Café, einem Park, am Strand - bloss nicht im Flugzeug. Und Singapore Airlines verlegte die Szenerie unter anderem in ein Teehaus und einen Wasserpark. «Das ist absurd», sagt Agius. «Die Passagiere und die wichtigen Gegenstände an Bord des Flugzeuges müssen stets als solche sofort erkennbar sein im Film, ansonsten ist das Abstraktionsniveau zu hoch.»

Dieser Faktor, also die Abstraktion, sei insbesondere bei internationalen Flügen nicht zu unterschätzen. Beim Unglück von Japan Airlines habe es sich um eine sehr homogene Zusammensetzung gehandelt: «Es war ein Inland-Flug mit hauptsächlich japanischer Crew und japanischen Passagieren, das erleichterte die Kommunikation.» Bei einem A380 von Emirates könne es hingegen sehr wohl vorkommen, dass die 27 Kabinen-Angestellten aus 27 verschiedenen Ländern stammen würden und die Passagiere noch mehr unterschiedliche Pässe hätten.

Air New Zealand setzte auf Hobbits

Agius erinnert sich an eine Notlandung einer Emirates-Maschine in Dubai, in der hauptsächlich ausländische Gastarbeiter sassen. Auf Videos war zu sehen, wie sie ihr Gepäck in den Händen hielten beim Benützen der Rutschbahn, so wie es eigentlich verboten ist. Und am Schluss blieben sie in Flugzeugnähe stehen, trotz Explosionsgefahr. Agius plädiert denn auch für das Hervorheben der drohenden Konsequenzen bei Nichteinhalten der Regeln, so wie es im Japan-Airlines-Video aufgezeigt wird.

Eines der wohl aufwendigsten Sicherheitsvideos produzierte vor knapp zehn Jahren Air New Zealand und setzte dabei auf die Filmkulissen und Stars der «Herr der Ringe»-Trilogie». Die Airline selbst sprach vom «most epic safety video ever made». Und British Airways setzte vor fünf Jahren auf ein illustres Ensemble mit Schauspiel-Grössen wie Michael Caine und Olivia Coleman und viel britischen Humor. Sprich: Für viele Airlines ist das Sicherheitsvideo gleichzeitig auch ein Marketing-Gag.

«Es ist ein schmaler Grat für die Airlines», sagt Aviatik-Experte Agius. «Einerseits ist es wichtig, dass sie mit den Videos die Aufmerksamkeit der Passagiere ergattern, und da können kreative Ansätze durchaus nützlich sein, auch mit einer Prise Humor, da man niemanden vor dem Abheben zu sehr verängstigen will.» Andererseits müsse ein gewisses Mass an Ernsthaftigkeit bewahrt werden. Und da hätten in den vergangenen Jahren einige Airlines nicht immer überzeugt. «Zuweilen scheint es, dass bei manchen teuer produzierten Videos die Kernfrage vergessen ging: Wie retten wir unser Leben im Notfall?»

Swiss arbeitet an neuem Video

Swiss-Sprecher Michael Pelzer kündigt derweil ein neues Sicherheitsvideo an, allerdings unabhängig vom Vorfall in Japan, sondern aufgrund der Einflottung des Airbus A350 sowie eines neuen Kabinenkonzepts auf Langstreckenflügen. Welche Updates das Video erhält, verrät Pelzer nicht. Nur: «Bei einer solchen Überarbeitung werden nebst allfälligen regulatorischen Anpassungen nach Möglichkeit stets auch Erkenntnisse aus der weltweiten Luftfahrtbranche miteinbezogen.»

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quelle: epa/dpa / arne dedert
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26 Kommentare
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Paul M
10.01.2024 21:32registriert Mai 2023
In Japan klappte es wegen der Mentalität... Die Japaner befolgen Befehle - bei uns würde das nie klappen. Kürzlich kamen wir in Zürich an - kaum war der Flieger am Boden, standen die ersten Leute auf. Die Crew sagte zweimal "sitzt bitte ab" - nichts geschah. Dann kam der Pilot mit der selben Zusage und dem Zusatz er könne nicht taxien mit stehenden Passagieren. Nichts geschah, die blieben stehen und holten das Handgepäck aus dem Overhead... Dann hielt der Pilot an und wiederholte seine Warnung. Erst dann sassen die drei wieder ab...
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