Die Gespräche zum iranischen Atomprogramm in einem Genfer Luxushotel könnten abgehört worden sein. Die Bundesanwaltschaft hat ein Strafverfahren gegen Unbekannt eröffnet – wegen Verdachts auf verbotenen politischen Nachrichtendienst. Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft bestätigte am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA einen Bericht von Radio SRF.
Der Bundesrat habe die Bundesanwaltschaft am 6. Mai zur Verfahrenseröffnung ermächtigt. Auslöser war ein Amtsbericht des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB). Am 12. Mai habe in diesem Verfahren in Genf eine Hausdurchsuchung stattgefunden, in dessen Rahmen IT-Material beschlagnahmt worden sei, sagte Marty. «Ziel dieser Hausdurchsuchung war es, einerseits Informationen sicherzustellen und anderseits festzustellen, ob durch Schadsoftware IT-Systeme infiziert worden sind.»
Weitere Informationen zu diesem laufenden Verfahren könnten zum jetzigen Zeitpunkt nicht gegeben werden. Wer hinter der mutmasslichen Cyberspionage steckt, ist nicht bekannt. An den Gesprächen Anfang Jahr hatten die Aussenminister der USA, Grossbritanniens, Frankreichs, Chinas, Russlands und Deutschlands teilgenommen.
Das Strafverfahren der Bundesanwaltschaft wegen Verdachts auf politischen Nachrichtendienst im Umfeld der Gespräche zum iranischen Atomprogramm könnte mit einer Sicherheitslücke der Antiviren-Firma Kaspersky zusammenhängen. Das Unternehmen hatte am Mittwoch bekanntgegeben, einen Virus im eigenen Netz entdeckt zu haben.
Gründer und Chef Eugene Kaspersky hatte am Mittwoch in einer Videokonferenz gesagt, Kunden und Partner seien nach bisherigen Erkenntnissen nicht betroffen. Am Donnerstag wurde nun bekannt, dass die Bundesanwaltschaft am 12. Mai in Genf eine Hausdurchsuchung durchgeführt hat, in deren Rahmen IT-Material beschlagnahmt worden ist.
Ob es einen Zusammenhang gibt, ist noch unklar, aber wahrscheinlich. Der von Kaspersky entdeckte Computerwurm war nach eigenen Angaben entwickelt worden, um das iranische Atomprogramm zu sabotieren. Schadsoftware sei auch an Verhandlungsorten bei den Atomgesprächen mit dem Iran entdeckt worden, sagte Kaspersky.
Israel weist Anschuldigungen zurück Das Wall Street Journal hatte am Mittwoch berichtet, dass Israel hinter der Spionageattacke stehe. Israel wies eine Verwicklung in den Cyberangriff umgehend zurück. «Die ausländischen Berichte über eine israelische Beteiligung entbehren jeder Grundlage», sagte Vize-Aussenministerin Zipi Hotoveli am Donnerstag im Armeeradio.
Im Februar hatten die USA Israel vorgeworfen, mit gezielten Indiskretionen das US-Vorgehen bei den Verhandlungen erschwert zu haben. Israel hatte die diplomatische Öffnung gegenüber dem Iran scharf kritisiert und bezweifelt, dass ein Atomvertrag mit dem Land die Entwicklung von Atomwaffen.
Die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm fanden in Wien sowie am Genfersee statt. Ausländische Geheimdienste können hier ziemlich unbesorgt spionieren. Der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter und Whistleblower Edward Snowden bezeichnete Genf als «Welthauptstadt der Spionage». Er war einst selber im Solde der CIA dort stationiert. Die Schweizer Nachrichtendienste seien professionell, aber klein, «und sie stehen unter amerikanischem Einfluss», so Snowden kürzlich bei seinem zugeschalteten Auftritt am Filmfestival und Menschenrechtsforum in Genf. (whr/sda)